„Silent Cook“ Patrick Müller kocht am Wiener Ring: Das „Mon Cher“
Stille oder sagen wir Beinahe-Stille (ein paar Küchengeräusche und Musik gab’s schon) dominierte in einer der denkwürdigsten TV-Kochsendungen überhaupt: In „Silent Cooking“ (produziert von 2006 bis 2011, ausgestrahlt auf 3sat und später auch im ORF) schwieg der blutjunge Patrick Müller beharrlich, ließ stattdessen Taten sprechen – und kochte wortlos vor sich hin.
Worte, und davon nicht wenige, sind dagegen notwendig, um endlich zum reservierten Platz in Müllers neuester Wirkstätte, dem „Mon Cher“ am Wiener Opernring (im Hotel O11), zu kommen. Gezählte viermal hintereinander durfte ich hier die Frage beantworten, auf welchen Namen wir denn bitte reserviert hätten. Schön, dass sich so viele Menschen im „Mon Cher“ um uns kümmern wollen, ein bisschen chaotisch wirkt der Empfang an derart nobler Adresse trotzdem.
Zum Glück gelingt das Unterfangen dann aber doch irgendwann, und während der (nicht zu kurzen) Wartezeit auf den Aperitif hat man auch ausreichend Gelegenheit, das schicke neue Interieur zu begutachten. Ja, das „Mon Cher“ ist wirklich schön: dunkle Einrichtung gepaart mit weißen Stühlen, moderne Kunst trifft auf Livemusik.
Die offene Küche führt Patrick Müller nicht allein, er ist dort „Creative Head Chef“, Mario Dervi bekleidet die Position des „Head Chef“. Dann gibt es noch einen „Co-Owner“ und „Concept-Writer“ namens Kaan Aras, der laut Website „die französische Eleganz mit den lebendigen Aromen der Mittelmeerküste verbinden“ möchte. Das führt dann zu Gerichten wie Salade niçoise, Coq au Vin und Bouillabaisse nebst Caviar Imperial um schlanke 550 Euro.
Aus Budgetgründen wurden für diese Kolumne die ohnehin interessanteren „Crevettes Suzette“ (Bild ganz oben) verkostet. Sie kommen ohne Palatschinken aus, tatsächlich konzentriert man sich eher auf den fruchtigen Anteil der Süßspeise und verbindet Orangenfilets und Grand Marnier mit den Wildfang-Garnelen. Ein Crevettencocktail der einfallsreichen Art, wie auch die hiesige Surf-and-Turf-Interpretation (Bild oben): Statt Hummer verwendet man Sardinen, das Rindsfilet bleibt in Carpaccio-Form erhalten. Das ist im Ergebnis allerdings nur so mittel: Die Sardinen sind derart dominant, dass man vom Rind einfach nichts mehr mitbekommt.
Spitze wird es dann bei den „Joue de Bœuf“: Die geschmorte Rinderwange (Bild oben) ist was für Feinspitze, butterzart geschmort, dazu ein kerniges, mit Safran gekochtes Risotto. Dann noch ein Gericht, das am ehesten an Müllers denkwürdige „Punks“-Zeiten erinnert. (Kleiner Exkurs: Das „Punks“ war sein sehr kleines Lokal im 8. Wiener Gemeindebezirk. Müller kredenzte dort unter anderem Lammhoden: sehr beglückend und unvergessen). Beim „Célerie Céleri“ (Bild unten) schmort er eine ganze Sellerieknolle mitsamt der Schale. Das Gemüse mit viel Gänseschmalz schmeckt nach mehr als „nur“ Sellerie, besonders Zitrusnoten treten stark hervor. Doch leider funktioniert das in diesem Ambiente auch nicht vollumfänglich, so eine einzelne Knolle ohne irgendwas dazu.
Traditionell und doch irgendwie fancy dekonstruiert dann auch das Dessert: Die Pavlova (Bild unten) ist keine Torte, sie kommt als zerbröselter „Eton Mess“ mit einer hammermäßigen Passionsfrucht-Mango-Sauce ums Eck, welche die Baisermasse umschließt.
Die richtigen Worte für „Mon Cher“ zu finden, ist nicht ganz einfach: Dass hier Menschen in der Küche stehen, die wirklich gut kochen können, ist offensichtlich. Die Portionsgrößen passen aber eher zu einem Vier-bis-Fünf-Gänge-Dining-Konzept. Außerdem gibt es viel Chichi mit Plateaus und spektakulären Dekantern. Bloß: Der stets freundliche Service hält dem ganzen Unterfangen in den Details nicht immer stand. So wird zum Beispiel das Brot abserviert, während wir es eigentlich gerade noch verspeisen. Eine Kleinigkeit, sicher, aber halt nicht stimmig für so ein classy Concept. Gesamteindruck: „Mon Cher“, du bist noch nicht ganz dort, wo du sein könntest.
(Style-)Empfehlung: Damen sollten die Mindest-Falsche-Fingernägel-Länge von zehn Zentimetern nicht unterschreiten, Herren tragen bitte „Sebastian Kurz“ am Kopf.
Stimmung: Ein Restaurant aus der Reihe Fabios, Do&Co und Schwarzes Kameel.
Preisverhältnis: Vorspeisen: 12–28 Euro, Hauptspeisen: 18–45 Euro, Desserts 14–16 Euro.
Mon Cher, Opernring 11, 1010 Wien, mon-cher.at