Großes Geschäft: Was Hallstatt mit seinen öffentlichen Klos verdient
Von Eva Sager
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Vor dem Gesetz und den öffentlichen Toiletten sind alle gleich. Da wird niemand bevorzugt, da heißt es für alle: anstellen, Augen zu und durch; dreckiges Geschäft ist dreckiges Geschäft. Nur hat man beim obligatorischen Klogang im Gegensatz zur Straffälligkeit eben keine Wahl. Wahrscheinlich haben sich öffentliche Toiletten deshalb als eine derart rentable Einnahmequelle erwiesen; quasi ein verlässlicher Geschäftszweig – solange es Menschen gibt, gibt es Toiletten, und so lange kann man für diese auch Eintritt verlangen. Zum Welttoilettentag: eine kleine Abhandlung zu österreichischen Klogebühren und was sie mit uns machen.
Klopause: Hallstatt
Großer See, große Berge. Häuser aus Holz, Holzbalkone, Holzfensterläden. Etwas mehr als 700 Menschen wohnen in der Marktgemeinde im oberösterreichischen Salzkammergut: UNESCO-Welterbestätte, fast eine Million Besucherinnen und Besucher jährlich – das österreichischste Postkartenmotiv, abseits von Stephansdom und Ischgler Skihütten. Stichwort: Overtourism. Die massigen Touristenanstürme verursachen immer wieder Konflikte zwischen Besuchenden und Einheimischen. Seit 2020 gibt es in Hallstatt deswegen auch Beschränkungen für Reisebusse. Nur kurz vorbeischauen, Foto machen und wieder abzischen ist nicht mehr. Busse haben fortan Slots zu kaufen und eine Mindestverweildauer von zweieinhalb Stunden einzuhalten.
Und auch das Klogehen kostet. Einen Euro zahlt man hier pro Geschäft. Letztes Jahr nahm Hallstatt mit seinen öffentlichen WC-Anlagen über 151.000 Euro ein. Zum Vergleich: Der Ertrag der Kommunalsteuer ist nur ungefähr doppelt so hoch, etwas über 320.000 Euro. 2019, also ein Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, hatte sich die Klokohle sogar auf 332.000 Euro summiert – beinahe gleichauf mit den Einnahmen der Kommunalsteuer (350.000 Euro). Natürlich wird durch die Klos aber nicht nur Geld eingenommen, sondern auch einiges ausgegeben. Personal, Reinigungsmittel und Klopapier kosten in Hallstatt jährlich über 100.000 Euro. Nun sind seit heuer die Reiseauflagen für chinesische Touristinnen und Touristen wieder weniger streng als in den pandemiegeplagten Vorjahren; nach einer Rückkehr aus dem Ausland müssen sie beispielsweise nicht mehr in Quarantäne. Ob sich das eins zu eins auf die Einnahmen der Hallstätter Toiletten niederschlagen wird, lässt sich noch nicht seriös abschätzen.
Klopause: Wien
In der Bundeshauptstadt nennt man die öffentlichen WC-Anlagen liebevoll „Bedürfnisanstalten“ – zumindest tut das die zuständige Wiener Magistratsabteilung 48 (MA 48) auf profil-Anfrage. Aktuell betreut diese 159 stationäre Kloanlagen im gesamten Stadtgebiet, mehr als 80 Prozent davon kann man kostenlos benützen. In 25 „hochfrequentierten“ Toilettenanlagen wird während „festgelegter Betreuungszeiten ein Serviceangebot durch die ständige Anwesenheit von externem Reinigungspersonal angeboten.“ Übersetzt heißt das: Solange sich ein Unternehmen um die Reinigung der Klos kümmert, muss man für sein Geschäft Geld dalassen. 50 Cent, um genau zu sein, zumindest wenn man eine Kabine benützen möchte. Die Pissoir-Bereiche sind gratis, Kinder bis 14 Jahre und Personen mit Behindertenstatus sind vom Entgelt ebenfalls befreit. Wie viel Geld kommt da zusammen? Auf Nachfrage bei der MA 48 heißt es, das wisse man leider nicht. Die zuständigen Unternehmen hat man profil auch nicht verraten.
Klopause: Welttoilettentag
Zurück zum Welttoilettentag. Der wurde am 19. November 2001 erstmals von der Welttoilettenorganisation ausgerufen. Der Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen entfiel einstimmig, vorgeschlagen hatte den Welttoilettentag Singapur. Der Hintergrund? Für mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung fehlen ausreichend hygienische Sanitäreinrichtungen, das hat gesundheitliche und sozio-ökonomische Folgen für die Betroffenen.
Ist es aber verwerflich, Geld für ein menschliches Grundbedürfnis zu verlangen? Vielleicht sogar ein Angriff auf die Menschenwürde? Grundsätzlich gibt es in Österreich keinen Rechtsanspruch auf die kostenlose Benutzung öffentlicher WC-Anlagen. Die Sache ist sogar noch um einiges strenger: Wer „wildpinkelt“ und in der Öffentlichkeit beim Urinieren erwischt wird, riskiert eine Verwaltungsstrafe wegen Anstandsverletzung und muss je nach Bundesland zwischen 35 und 5000 Euro Bußgeld zahlen.
Wegen der Frage der Menschenwürde erkundigt man sich am besten beim Philosophen Immanuel Kant. In seinem Werk „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ definiert er jene im weitesten Sinne so: „Der Mensch als ‚Zweck an sich‘ darf nie nur ‚Mittel zum Zweck‘ sein.“ Menschenwürde bedeutet demnach also, sein Gegenüber zu achten, dessen Existenzrecht zu respektieren und eine grundlegende Gleichwertigkeit aller Menschen anzuerkennen. Umgekehrt wird Menschenwürde verletzt, wenn eine Person nur als Mittel für die eigenen Zwecke dient. Im Falle der öffentlichen Toiletten Österreichs kann man das wohl guten Gewissens ausschließen, sogar für die etwas unbeliebten Touristinnen und Touristen in Hallstatt. Ein Euro geht sich da gerade noch aus.
Eva Sager
seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.