Hühnersuppe: Ein Huhn kam in die Küche ...
Nur für den Fall, dass der Winter es sich doch noch überlegt und unseren Breiten einen Besuch abzustatten gedenkt: Ich bin gerüstet. Mein kulinarisches Portfolio für kalte, feuchte Tage beinhaltet zwei Modulsuppen, die ich je nach Laune und Verfügbarkeit der Zutaten auf der Basis weniger Prinzipien kreativ gestalten kann: Es geht um die Gattungen Hühnersuppe und Gemüsesuppe. Erstere gerät bei mir stets mittel-bis osteuropäisch, also entweder altwienerisch oder ein bissl jiddisch, Letztere wird unweigerlich italienisch. Was ich an diesen beiden Suppengruppen besonders mag, ist die Möglichkeit, sie nahezu wie ein Ragout zu gestalten-sämig, cremig und überbordend mit schmackhaften Einlagen versehen; potage, sagen die Franzosen dazu.
Hühnersuppe gab es zuletzt hier in den Hochzeiten der Covid-Pandemie, wobei ich sehr wohl angemerkt habe, dass selbst eine Goldene Joich, auch "jüdisches Penicillin" genannt, das gesunde Jaukerl nicht ersetzen kann. Damit ist auch bereits gesagt, dass die letzte Hühnersuppe den semitischen Speisegeboten entsprach: Sie enthält nichts Milchiges. Diesmal verlasse ich die koscheren Pfade. Mir schwebt die Suppe als große Oper vor. Als üppiger Hauptgang, der in seiner milchigen Herzhaftigkeit auch von innen wohlig wärmt.
Ich muss mich beeilen, denn es gibt einiges zu tun; diese Altwiener Einmachsuppe ist alles andere als Fast Food. Zunächst stelle ich ein stattliches Biohendl, und wenn möglich ein paar zusätzliche Karkassen für die aromatische Dichte, in einem großen Topf mit etwa 4 Liter kaltem Wasser zu-völlig ohne Gewürze. Das alles lasse ich einmal wallend aufkochen, schütte das Wasser wieder ab und stelle den Hendltopf erneut mit 4 Liter Wasser zu. Dann folgt die erste Würzphase: 1 Lorbeerblatt, 5 bis 6 Scheiben Ingwer (etwa in der Größe von 2-Euro-Münzen),je 1 TL Piment und schwarzer Pfeffer, 1/2 auf der Schnittfläche dunkel geröstete Zwiebel (dieses Element borge ich mir von der klassischen Rindsuppe aus),1 gut gehäufter EL getrocknete Steinpilze, 1 Zweig Thymian, 1/8 Liter Weißwein und 2 EL gehackte Petersilstängel. So köchelt die Suppe eine gute Stunde vor sich hin.
In der Zwischenzeit bereite ich die Gemüseeinlagen vor: eine großzügige Handvoll Wurzelgemüse-und zwar Karotte, gelbe Rübe, Petersilwurzel und Knollensellerie zu gleichen Teilen und in knapp 1 cm große Würfel geschnitten, sowie 150 g Cremechampignons, in messerrückendicke Scheiben geschnitten und in 1 EL Butter kurz angebraten.
Die Hauptrolle unter den Einlagen spielen jedoch die kleinen Schnittlauchknödel. Für die gebe ich 250 g Knödelbrot in eine große Schüssel und gieße 1/8 Liter Milch dazu, womit die jiddische Hühnersuppe gelaufen wäre. Darüber stäube ich 1 TL Natron, das die Knödel herrlich flaumig machen wird. Im nächsten Schritt hacke ich 1 kleine Zwiebel fein, schwitze sie in wenig Butter gründlich an und gebe sie zum Knödelbrot. Dazu kommen jetzt 1 Prise Muskat, Salz, Pfeffer, 1 Ei und 1 großer Bund fein geschnittener Schnittlauch. Nachdem die gut verknetete Masse 20 Minuten gerastet hat, forme ich zwischen den Handflächen Knödel mit 5 bis 6 cm Durchmesser und lege sie in einen Dämpfeinsatz über kochendem Wasser. Das ist wichtig, denn die kleinen Kugeln sollen sich ruhig verhalten und nicht in wallendem Wasser herumspringen wie ungestüme Welpen. So ziehen sie im heißen Dampf zugedeckt eine knappe halbe Stunde butterweich und gar.
Keulen und Brüste des Hendls nehme ich nach einer Stunde aus der Suppe, enthäute sie und schneide das Fleisch in mundgerechte Stücke. Der Suppe entnehme ich 2 große Schöpflöffel und koche das vorbereitete Gemüse darin knackig; die Suppe gieße ich danach durch ein Sieb, das das Gemüse auffängt, wieder in den großen Topf. Dann rühre ich 1 EL glattes Mehl (Type 700),1 EL Butter und entsprechend viel Suppe in einem weiteren großen Topf zu einer hellen, cremigen Einbrenn. Die Suppe gieße ich durch ein sehr feines Sieb dazu, koche sie langsam auf, rühre 100 ml Obers ein und schmecke mit Salz ab.
Zum Schluss erfolgt die große Wiedervereinigung aller Zutaten: Gemüse, gedünstete Pilze, Fleisch und dazu noch 150 g in warmem Wasser aufgetaute Erbsen und einige EL gehackter Schnittlauch. Serviert wird das suppige Ragout in einer großen Schüssel, in die jetzt auch noch die Knödel eingelegt werden. Nächste Woche: Minestra, die Göttin der Gemüsesuppen.