Ingrid Brodnig: Ein Dislike für Hasspostings
Facebook befindet sich in einer entscheidenden Phase: Dieser Tage muss das Unternehmen zeigen, ob es tatsächlich ein „soziales Medium“ ist, ob es das soziale Miteinander fördert oder aber erodieren lässt. Zwei Themen machen dies offensichtlich: die Hasspostings und der geplante „Dislike“-Button.
Der Hass ist wie ein Geschwür, das schon immer da war, aber in Zeiten der Flüchtlingskrise eine erschreckende Größe erreicht hat. Facebook tut hier tatsächlich zu wenig; es beschäftigt zwar deutschsprachige Moderatoren, die großteils in der Europa-Zentrale in Dublin sitzen, doch sie versagen immer wieder.
Einige hasserfüllte Postings werden zwar gemeldet und bleiben dann trotzdem stehen.
In Facebooks eigenen Community-Standards steht: „Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, das heißt Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit (...).“ Das klingt vielversprechend, wird aber in der Praxis nicht immer so gehandhabt. Einige hasserfüllte Postings werden zwar gemeldet und bleiben dann trotzdem stehen. Ein Beispiel gefällig? Angeblich hat diese Wortmeldung über Flüchtlinge nicht die Communityregeln verletzt: „Nur Tränengas, viel zu Schwach!! Hochspannung gehört auf den Zaun, wenns ankommen muss es Zischen und es gibt Gegrillte Islams yeee!“
Wie sozial ist diese Plattform wirklich?
Wie ein Moderator das nicht rassistisch oder islamfeindlich finden konnte? Ein Rätsel. Zumindest räumt Facebook Deutschland mittlerweile ein, dass Fehler passiert sind, und zeigt sich gesprächsbereit. Vergangene Woche trafen sich Repräsentanten mit dem deutschen Justizminister Heiko Maas, auch ein Termin mit Österreichs Justizminister Wolfgang Brandstetter ist geplant. Hier reichen symbolische Treffen aber nicht aus. Je mächtiger der Konzern wird, je mehr er die menschliche Interaktion beeinflusst, desto mehr muss er sich die Frage gefallen lassen: Wie sozial ist diese Plattform wirklich?
Mittels Aggressionen werden Meinungen beeinflusst, Wut ist ansteckend. Das zeigt auch die aktuelle Flüchtlingsdebatte.
Jeden Tag loggen sich 2,5 Millionen Österreicher auf Facebook ein, gibt das Unternehmen bekannt. Das Mindeste, was Facebook tun müsste, ist, diese Mitglieder vor klarer „Hate Speech“ zu schützen: also vor Gewaltaufrufen gegen Minderheiten und vor hasserfüllter Sprache, die an eine pogromartige Stimmung erinnert. Es ist gefährlich, wenn wir nicht auf die Stimmung im Netz achten. Das zeigte eine Studie der University of Wisconsin. Die Forscher ließen 1200 Amerikaner einen Text zu Nanotechnologie und die Postings dazu lesen. Die eine Hälfte der Probanden las Kommentare, in denen lebhaft diskutiert wurde – ohne Schimpfworte. Die andere Hälfte bekam die selben Postings, allerdings mit Schimpfworten durchsetzt. Die Ergebnisse waren verstörend: Jene Konsumenten, welche die Postings mit Schimpfworten gelesen hatten, waren dem Thema Nanotechnologie gegenüber viel negativer eingestellt. Die Studie legt den Schluss nahe: Mittels Aggressionen werden Meinungen beeinflusst, Wut ist ansteckend. Das zeigt auch die aktuelle Flüchtlingsdebatte.
Wenn Politiker und Journalisten nun Facebook in die Pflicht nehmen wollen, kommen häufig zwei Einwände. Erstens: Es ist naiv, dass Facebook im Alleingang den Hass im Internet beseitigen kann. Zweitens: Viele Postings sind Grenzfälle, sie sind aggressiv, aber noch Teil der Meinungsfreiheit. Beides stimmt – und trotzdem ist beides keine Ausrede dafür, Facebook keinerlei Verantwortung zuzuweisen. Die Seite kann zumindest die klaren Fälle von Verhetzung dynamischer und restriktiver als bisher löschen.
Unser Zugang ist der, dass wir versuchen, die sozialen Normen der realen Welt nachzubauen, indem wir die menschliche Facette der Konversation betonen. (Julie Zhuo)
Aller Kritik zum Trotz hat Facebook in der Vergangenheit sehr viel richtig gemacht, was den Umgang im Netz betrifft. Seit jeher war das Team von Mark Zuckerberg bestrebt, „tools“ und ein Design anzubieten, die ein freundliches Miteinander fördern. „Unser Zugang ist der, dass wir versuchen, die sozialen Normen der realen Welt nachzubauen, indem wir die menschliche Facette der Konversation betonen. Das Gesicht einer Person, ihr richtiger Name, eine kurze Biografie sind gleich neben ihren öffentlichen Kommentaren platziert, um ein Mindestmaß an Verantwortlichkeit herzustellen“, sagte einst die Facebook-Produktdesignerin Julie Zhuo in der „New York Times“.
Hier kommt nun der „Dislike“-Button ins Spiel, den Mark Zuckerberg ankündigte. Auch wenn Zuckerberg dezidiert von einem „Dislike“-Knopf sprach, wird es wohl eher eine Art „Mitgefühl“-Symbol sein – ein „Empathie“-Knopf, den User klicken können, wenn die Katze der besten Freundin gestorben ist oder ein guter Kumpel den Job verlor.
Technik allein reicht nicht aus, wenn man ein angenehmes Miteinander fördern will.
Auf technischer Ebene arbeitet Facebook ständig an neuen Features für mehr Freundlichkeit. So bleibt die Plattform weiter populär und kassiert Werbegelder. Nur eines müssen die Programmierer und Manager des „sozialen“ Netzwerks noch lernen: Technik allein reicht nicht aus, wenn man ein angenehmes Miteinander fördern will. Man muss auch bereit sein, manchen Usern die Tür zu weisen – dazu zählen mit Sicherheit jene, die andere Menschen anzünden wollen.