Islands Ex-Legionär Kolvidsson Scout für sein Heimatland
Kolvidsson hat als Verteidiger 110 Bundesliga-Spiele für Austria Lustenau und den FC Kärnten absolvierte und war anschließend Trainer bei Austria Lustenau, Wr. Neustadt und zuletzt SV Ried, wo er am 16. August des Vorjahres entlassen wurde. Der 44-Jährige ist aufgrund von Ausfällen von Spiele-Beobachtern kontaktiert worden und war in erster Linie als Scout für Ungarn vorgesehen, hat aber auch seine Eindrücke von der Koller-Truppe weitergegeben. Mit der APA - Austria Presse Agentur sprach er im isländischen Teamcamp in Annecy über seine Eindrücke vom österreichischen Team und seine Erwartungen für das Spiel am Mittwoch.
APA: Sind Sie in erster Linie für Ungarn zuständig, aber sind Sie auch der Österreich-Experte des isländischen Verbands?
Kolvidsson: "Wir haben einen anderen Scout, der Österreich wirklich beobachtet hat. Ich war aber am Samstag mit ihm beim Spiel (gegen Portugal). Wir haben dann über meine Ansichten gesprochen, was ich kenne, wie wir das gesehen haben. Man sitzt zusammen wie ein Team, dann gibt es eine Meinung, wie man das angehen könnten."
APA: Ihre Eindrücke von Österreich?
Kolvidsson: "Die Entwicklung war natürlich hervorragend, sie haben eine super Qualifikation gespielt. Wenn du so stark spielst, über so viele Spiele, und das wirklich dominiert hast, dann sind die Erwartungen natürlich riesig. Und wenn die einmal nicht erfüllt werden, orientiert man sich wieder am Ergebnis und dann dreht sich das Positive schnell ins Negative. Das ist ja nichts Neues im Fußball. Das sieht man der Mannschaft an, das spürt jeder, auch wenn es Profis sind."
APA: Glauben Sie, dass sich die Österreicher selbst zu viel Druck gemacht haben?
Kolvidsson: "Sie haben sich den Druck selber gemacht, weil sie so gut gespielt haben. Wie sie das in der Qualifikation umgesetzt haben, war Top-Level. Nicht umsonst sind sie in der Weltrangliste so hoch gekommen. Wenn sie das Selbstvertrauen wieder finden, ist wieder alles möglich."
APA: Glauben Sie, dass einige Österreicher nicht in Form sind?
Kolvidsson: "Du hast mit Fußballspielern zu tun, die hatten unterschiedliche Saisonen, die Saison ist unterschiedlich zu Ende gegangen. Aber wenn Alaba nach 30 Sekunden (Anm.: Stangenschuss im ersten Spiel gegen Ungarn) das Tor macht, geht vielleicht alles in eine andere Richtung. Dass Ungarn eine unbequeme Mannschaft ist, habe ich mehrmals beobachtet. Die haben kaum Gegentore bekommen, sie sind ganz schwer zu spielen. Dazu sind sie auch Nachbar von Österreich. Österreich war super unterwegs. Die Erwartung war: Ungarn schlagen und dann wird es ein Zweikampf mit Portugal um Platz eins in der Gruppe. Aber wenn es so einfach wäre, wäre es langweilig. Das kann man nicht programmieren, das sind Menschen, da spielt vieles eine Rolle."
APA: Österreich hat gegen Portugal viele Umstellungen vorgenommen, personell und auch vom Stil. Welches Spiel erwarten Sie am Mittwoch?
Kolvidsson: "Koller wird grundsätzlich seinen Stil durchziehen, aber die Situation gegen Portugal war anders. Ich glaube, Österreich wird so spielen wie auch in der Qualifikation. Ich gehe davon aus, dass sie uns sehr früh unter Druck setzen werden. Da gilt es, dagegen zu halten."
APA: Wo sehen sie die Stärken bei den beiden Mannschaften?
Kolvidsson: "Österreich hat Top-Spieler in seinen Reihen, es spielen 15 in Deutschland, die sind auf einem ähnlichen Niveau. Bei uns ist das weiter gestreut, sie spielen in mehreren Ländern. Trotzdem, das klare Konzept, das uns hierher gebracht hat, sieht man sofort. Es sind zwei Philosophien und zwei klare Linien, wie die Mannschaften zu spielen haben, das wird interessant."
APA: Island hat bisher zweimal unentschieden gespielt. Wie ist die Stimmung im Land, ist man zufrieden oder auch ein bisschen enttäuscht, dass es nicht noch mehr geworden ist?
Kolvidsson: "Nach dem ersten Spiel gegen Portugal gab es eine riesige Euphorie, weil wir da einen Punkt gewonnen haben. Gegen Ungarn war es ein verlorener - nicht wegen der spielerischen Leistung, aber wenn du in der 88. Minute das Gegentor bekommst, ist es immer ein Schlag. Aber da gilt einfach die 24-Stunden-Regel: Man kann feiern oder sich ärgern, aber dann geht es wieder an die nächste Aufgabe. Die Stimmung, man sieht es an den Fans, ist einfach einmalig. Das ist es, was den Fußball ausmacht. Das Verhalten der Fans und der Leuten rundherum ist etwas Besonderes."
APA: Man hat schon gelesen, dass 30.000 Isländer nach St. Denis kommen sollen, stimmt das?
Kolvidsson: "Es sind angeblich 30.000 in Frankreich unterwegs. Man wird sehen."
(Das Gespräch führte Stefan Grüneis/APA in Annecy)