Langläufer Johannes Dürr: „Ich bin definitiv Täter von dem System, das mich nicht losgelassen hat.“
Doping: Langläufer Johannes Dürr als Whistleblower und Wiederholungstäter

Doping: Langläufer Johannes Dürr als Whistleblower und Wiederholungstäter

Der fortgesetzte Dopingskandal: Langläufer Johannes Dürr ist Whistleblower und Wiederholungstäter zugleich.

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„Würde ich abermals als Gedopter überführt werden, wäre ich als Sportler und Mensch erledigt. Ich wäre juristisch, menschlich, sportlich am Ende. Ich hätte jegliches Vertrauen, das in mich gesetzt wurde, verspielt. Meine Geschwister und meine Mutter würden jedes Zutrauen in mich verlieren.“ Es sind die einprägsamsten Sätze, die der Langläufer Johannes Dürr in einem Gespräch mit profil im Mai vergangenen Jahres sagte. Sie standen am Beginn seines Projekts „Der Weg zurück“.

Es sollte nach Dürrs Dopingsperre bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 ein sauberer Weg werden, ohne die Zwänge des Spitzensports und verbotene Hilfsmittel. Über eine Crowdfunding-Kampagne wurden rund 35.000 Euro für das Comeback gesammelt; gemeinsam mit dem Autor Martin Prinz veröffentlichte Dürr ein Buch über sein Leben nach dem Skandal von Sotschi. profil begleitete Dürr im vergangenen Jahr bei seinem – letztlich erfolglosen – Versuch, in den Spitzensport zurückzukehren.

Der eigene Ehrgeiz als Stolperstein

Im Zuge der Dopingrazzia in Seefeld hat sich nun herausgestellt: Dürrs Weg war tatsächlich eine Rückkehr – allerdings eine Rückkehr zu Doping und alten Verhaltensmustern. Auf Druck der Staatsanwaltschaft Innsbruck gestand der 31-Jährige vergangene Woche, weiterhin Blutdoping betrieben zu haben. Dreimal, zwischen September und Dezember 2018, bekam Dürr vom deutschen Dopingarzt Mark S. Blutbehandlungen verabreicht, also von jenem Mann, der hinter dem Dopingnetzwerk steht, das in Seefeld aufgeflogen war. Das Pikante daran: Es war Dürr selbst, der Anfang 2019 bei der Einvernahme zu seinen früheren Dopingvergehen den Namen des Arztes genannt hatte. Der Whistleblower Dürr stolperte am Ende über seinen eigenen Ehrgeiz.

„Ich habe dieses Leben als Spitzensportler gekannt, und sonst habe ich nichts gekannt. Plötzlich habe ich das nicht mehr machen dürfen. Das loszulassen, war ganz schwierig“, sagte Dürr gegenüber profil vor wenigen Wochen im profil-Podcast. Ganz loszulassen vermochte der ehemalige Olympiateilnehmer offenbar nicht. Am Ende wuchs dem ehemaligen Spitzensportler sein Doppelleben über den Kopf, und das Lügenkonstrukt brach in sich zusammen. „Als ich den Haftbefehl auf dem Tisch liegen sah, war ich tatsächlich froh“, erklärte er vergangene Woche in einem Interview mit der ARD. Er sei „ganz sicher nicht Opfer. Ich bin definitiv einfach Täter, von dem System, das mich nicht losgelassen hat.“

Blindheit und Vertrauen

Dürr versicherte, keine weiteren Dopinggeheimnisse zu haben. Die beiden in Seefeld überführten österreichischn Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf behaupten, Dürr habe ihnen den Kontakt zum Dopingarzt Mark S. vermittelt. Dürr bestreitet dies. Brisant ist auch die Frage nach der Verwendung des Geldes aus dem Crowdfunding-Projekt. Dürr gibt an, keinen Cent davon für das Eigenblutdoping verwendet und für die drei Eigenblutbehandlungen 2018 nichts bezahlt zu haben.

Autor Martin Prinz, der Dürr in den vergangenen vier Jahren begleitet hat, sieht Dürrs wiederholte Dopingvergehen als Beweis für die Zwänge, in die sich ein Mensch im Sport begibt, wenn er nach Spitzenleistungen strebt. „Dabei hat Johannes sich selbst und sein Umfeld betrogen. Das ist auch für mich persönlich eine große Enttäuschung. In diesem Fall kann man auch nicht mehr von einem Tunnelblick sprechen. Das ist Blindheit gegenüber zwischenmenschlichen Grundwerten wie Ehrlichkeit und Vertrauen.“

Prinz selbst war nach den Dopingenthüllungen von Seefeld skeptisch, dass die ÖSV-Betreuer nichts von den Aktivitäten ihrer Athleten mitbekommen haben sollen. Sieht er das nun anders, als jemand, der selbst betrogen wurde? „Da muss man differenzieren. Ich habe von den Leistungsdaten der gedopten Athleten gesprochen. Ich war und bin nach wie vor nicht der Meinung, dass Freunden oder Wegbegleitern auffallen muss, dass ein ihnen nahestehender Mensch dopt.“

Am Ende des Weges bleibt die Skepsis gegenüber allen Seiten.