Johannes Dürr: Ohne Zielstrich

Ein neues Buch und profil.at dokumentieren das gewagte Comeback.

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Auf dem Weg zurück könnte Johannes Dürr auf den letzten Metern die Luft fehlen. "Kein tiefer Atemzug ging mehr. Er stieg kurz an den Loipenrand, probierte es mit Durchatmen, lief noch einmal weiter. Doch die Lunge blieb zu, jedes Weiterlaufen würde die Saison ganz kaputtmachen", notierte der Wiener Schriftsteller Martin Prinz in seinem jüngsten, seit Mai 2018 regelmäßig aktualisierten Blog auf profil.at über ein Rennen des Langläufers Anfang dieses Jahres.

Prinz, 46, beobachtet und unterstützt Dürr, 31, seit dem tiefen Fall des Athleten bei den Olympischen Spielen 2014 im russischen Sotschi, bei denen Österreichs einst größtes Langlauftalent positiv auf die verbotene Substanz EPO getestet und mit einer zweijährigen Sperre belegt wurde. Dürr hat es sich seitdem zum Ziel gesetzt, bei der Nordischen Ski-WM im tirolerischen Seefeld, die Mitte Februar starten wird, als Staffelmitglied im Kader des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) aufzulaufen. "Vielleicht kann ich anderen Mut machen. Man kann auch einmal hinfallen, Blödsinn machen – und sich wieder aufrappeln", resümierte Dürr Ende Mai vergangenen Jahres in profil (Ausgabe 22/18).

Unser Traum wäre es, dass am Ende eine realistische Auseinandersetzung mit dem Hochleistungssport stattfindet

Das soeben publizierte Buch "Der Weg zurück", ein Gemeinschaftsprojekt von Prinz und Dürr, schlüsselt die vielen Stationen des Athleten von Sotschi bis Seefeld minutiös auf: eine Sport-Erzählung, die Blicke hinter die aufgekratzten "Doping! Doping!"-Schlagzeilen von 2014 wirft und den Betrug des damaligen Pharma-Junkies an seinem Sport nicht bagatellisiert. Es ist keine Heroengeschichte, die in "Der Weg zurück" erzählt wird. "Unser Traum wäre es, dass am Ende eine realistische Auseinandersetzung mit dem Hochleistungssport stattfindet", sagt Prinz. "Eine, die dem Sport und der Lust daran gerecht wird, die aber auch in den Blick fasst, dass Profi-Hochleistungssport nicht nur Gratwanderung ist, sondern Grenzüberschreitung schlechthin. Weil nur solch eine Diskussion würde etwas an der Doppelbödigkeit ändern, die in jeglichem Hochleistungssport vorherrscht."

Die Beziehung zwischen Dürr und ÖSV ist, vorsichtig formuliert, von gegenseitigem Misstrauen geprägt. "Wir sehen uns in keiner Front zum ÖSV", beruhigt Prinz. "Unser Versuch, vom Sport abseits aller Schuldzuweisungen zu erzählen, sucht nicht die Konfrontation mit dem Verband. Wenn beide Seiten offen sind, könnte hier ganz Erstaunliches gelingen."

Seit vergangenem Donnerstag dürfte sich die erstrebte Harmonie kaum mehr einstellen. In der an diesem Tag ausgestrahlten ARD-TV-Dokumentation "Die Gier nach Gold" gestand Dürr, nicht nur Eigenblutdoping betrieben zu haben, sondern er bekannte auch, dass der entscheidende Anstoß, zu verbotenen Mitteln zu greifen, von ÖSV-Betreuern gekommen sei. "Die Antwort ist ein klares Nein. Mir sind solche Fälle nicht bekannt. Einzeltäter wird es immer geben, die entziehen sich aber meiner Kenntnis", sagt der Anti-Doping Beauftragte des ÖSV in der Dokumentation.

"Der Weg zurück braucht kein Stadion, keine Scheinwerfer und keine Live-Übertragung", schreiben Prinz und Dürr in "Der Weg zurück": "Er kommt ohne Zielstrich aus." Sportlich steht das Comeback auf der Kippe. Mit seinen Leistungen auf der Loipe konnte Dürr bislang nicht überzeugen. Die letzten Meter vor dem Ziel könnten lang werden.

Martin Prinz, Johannes Dürr: Der Weg zurück. Insel, 350 S., EUR 22,70

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.