Kabinenpredigt: Rapids Dorfsterben
Rapid hat Großes vor. Der schillernde Rekordmeister will nicht nur von seiner prächtigen Vergangenheit schwärmen, sondern die Geschichte in fetten Lettern weiterschreiben. Das neue Stadion wird gerade fertigpoliert, das Budget für nächste Saison soll auf 30 Millionen Euro hochgeschraubt werden, der Präsident will in die Top 50 Europas und in der Liga will man Ligakrösus Salzburg nicht nur ärgern, sondern endlich wieder einmal bezwingen.
Während der Verein die großen Ambitionen in geschwungene Worthülsen packt, stolpert die Mannschaft aber Jahr für Jahr nicht über Favorit Salzburg sondern über die Dorfklubs der Liga. Der Verein, der hoch hinaus will, scheitert in den Niederungen der heimischen Liga.
Niederlagen in der Provinz sind zum Alltag des Wiener Großklubs geworden.
Zuletzt verspielte Rapid die letzte Titelchance am Grödiger Dorfplatz gegen den Ligaabsteiger. Niederlagen in der Provinz sind zum Alltag des Wiener Großklubs geworden. Im Zeitraffer: In den letzten drei Spielzeiten konnte Rapid einmal 14 Spiele (!) gegen die Kleinen der Liga (alle außer Salzburg, Austria und Sturm) nicht gewinnen, darauf 9 Spiele und heuer 11 (!). Damit konnten pro Saison etwa die Hälfte aller Spiele gegen Underdogs nicht gewonnen werden.
Während Rapid auf den Dorfplätzen regelmäßig stolpert, versuchte der Verein titellose Spielzeiten trotzdem am Red Bull-finanzierten Salzburg festzumachen. Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten könne nur Salzburg „leicht Meister werden“, betonte Trainer Zoran Barisic zuletzt. Dabei wankte der Ligakrösus heuer so stark wie nie in den letzten Jahren. Salzburg verlor viele Leistungsträger, verbrauchte drei Trainer und schwächelte über einen Teil der Saison so stark wie lange nicht. Rapid dagegen konnte die Mannschaft mit vielen Leistungsträgern halten, zunehmend traute man ihr den Meistertitel zu. Aber als Rapid vor wenigen Wochen der Sprung an die Tabellenspitze gelang, spielte die Mannschaft in Altach nur Unentschieden und verlor darauf die beiden Spiele gegen Admira Wacker und Ried. Den vermeintlich übermächtigen Salzburgern trotzte Rapid dagegen in dieser Saison einen Sieg und ein Unentschieden ab, in der Vorsaison waren es sogar zwei Siege und ein Unentschieden. Und auch gegen die Austria und Sturm gelangen jeweils drei Siege in vier Spielen. Rapid scheitert nicht am Großen, sondern an den Kleinen.
Trotzdem wird die unbezwingbare Hürde Salzburg wie eine selbsterfüllende Prophezeiung vor sich hergetragen.
Die Trainer der legitimen Salzburg-Jäger reden sich dagegen dauerhaft auf einen unbezwingbaren Favoriten aus und versuchen damit ihre Machtlosigkeit zu erklären und entledigen sich in vorauseilendem Gehorsam frühzeitig aller Meisterschaftsansprüche, aufgrund eines Konkurrenten, gegen den sie im Grunde nur viermal pro Saison antreten. Wie es gehen kann Meister zu werden, zeigte zuletzt vor vier Spielzeiten die Wiener Austria. Der Verein war der letzte David, der Goliath Salzburg in die Knie zwang. Bemerkenswert: Die Austria konnte dabei kein einziges Spiel gegen Salzburg gewinnen. Den Meisterteller erspielte sich der Verein auf den Dorfplätzen. Nur das Spiel in Wolfsberg wurde damals verloren. Bis auf drei Spiele punkteten die Violetten immer voll. Bis heute ist das die Blaupause, wie es doch funktionieren kann, die Salzburger zu entthronen.
Und trotzdem wird die unbezwingbare Hürde Salzburg wie eine selbsterfüllende Prophezeiung vor sich hergetragen. „Es gibt Salzburg und dann gibt es lange nichts. Wir anderen sind alle auf einem Niveau“, sagte Trainer Barisic einst. Er sagt derlei Sätze, obwohl Rapid budgetmäßig von Grödig weiter entfernt ist, als Salzburg von Rapid. Als Rapid heuer im Europacup in Valencia antrat, hob Barisic die Größenverhältnisse hervor: Valencia da oben, Rapid da unten. Vor den Spielen in Grödig, Altach oder Wolfsberg kehrt er den Unterschied unter den Teppich.
Während die Mannschaft gegen offensivere Teams spielerisch brilliert, tut sich der Rekordmeister schwer, wenn das gegnerische Team seinen ohnehin engen Dorfplatz noch engmaschiger verteidigt.
Oft wird das regelmäßige Scheitern auf Dorfplätzen damit erklärt, dass die Spieler sich zwar gegen Salzburg und die Austria zerreißen, aber in der Provinz der Motivationsschub fehlt. Vielmehr fehlt Rapid aber seit Jahren ein Konzept gegen defensiv ausgerichtete Mannschaften. Während die Mannschaft gegen offensivere Teams spielerisch brilliert, tut sich der Rekordmeister schwer, wenn das gegnerische Team seinen ohnehin engen Dorfplatz noch engmaschiger verteidigt. Dann läuft die Mannschaft ein ums andere Mal wieder an dichtstehenden Abwehrmauern an. Eine Änderung der Herangehensweise gab es von Mal zu Mal nicht. Ideenreichtum gab es vor allem bei den Ausreden, wenn Rapid in der Provinz strauchelte. War es zuerst die Doppelbelastung im Europacup, sprach der Trainer nach dem dortigen Ausscheiden von einer jungen Mannschaft, fehlender Kaltschnäuzigkeit oder zuletzt nach der Niederlage in Grödig von einem „schlechtem Boden“, unter dem wohl eine „Wasserader“ liegen müsse.
Rapid wurde heuer erneut Vizemeister und trotzdem wissen alle im Verein, dass mehr möglich gewesen wäre, hätte man auf den Dorfplätzen öfter seinen Mann gestanden. Jetzt verweisen Vereinsvertreter auf eine schonungslose Analyse und auf das neue Stadion, in das Rapid in wenigen Wochen einziehen wird. Neue Saison, neue Chance, lautet das Motto. Salzburg und Rapid wollen dafür neue Spieler holen. Und Trainer Barisic sprach nach dem letzten Stolperer sogar die Problemstelle Nummer eins an: die Flexibilität im Rapid-Spiel. „Wir müssen uns, was die Spielanlage und das Spielsystem betrifft, etwas einfallen lassen.“ Dabei stellt sich die Frage, warum der Trainer erst jetzt und nicht schon längst den Missstand offensiv behandelt, wo er doch seit drei Saisonen wie eine offene Wunde im Rapid-Spiel klafft. Viel zu oft ist noch von unmotivierten Spielern oder fehlender Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor die Rede. In Wahrheit wird Rapid einen Plan gegen die vielen Davids der Liga benötigen, will man den Ligakrösus entthronen.