Kanye West: Der geniale Patient

Scheidungskrieg, Paranoia, Größenwahn und absurde Inszenierungen: Innerhalb der Musikbranche gilt West, der an einer bipolaren Störung leidet, dennoch als Genie. [E-Paper]

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Er habe das Wort „Gangsterleben“ (thug life) über seinem Nabel tätowiert, gelte als „Mister Narcissist“, habe aber die Nase von „Beratung“ gestrichen voll: „Ich verhandle nicht mit Therapeuten.“ Jetzt habe „Ye“, so sein Künstlername seit 2018,  „vier Kids“, die ihr Leben vor der Kamera verbracht haben und die er für begrenzte fünf Stunden beobachten dürfe, sei aber „ein Vater ohne Sorgerecht“. Deswegen habe er das Haus nebenan gekauft. Aber was bedeute es überhaupt, reich zu sein?

„When you give them every-thing, they want more.“ Der Songtext von „Eazy“, jener Single in Kollaboration mit dem Rapper The Game, die im Jänner nach der bei West üblichen Ankündigungs- und Verschiebungschoreografie erschien, ist eine von Selbstmitleid und Größenwahn durchdrungene Zustandsbeschreibung, in der auch der neue Mann im Leben seiner Noch-Ehefrau Kim Kardashian, der Komiker Pete Davidson („Who?“), als vernachlässigbare Figur beschrieben wird. Auch die inzwischen nicht mehr ganz so neue Neue, Julia Fox, bekommt eine Erwähnung als „my new b**h bad, illuminati-mad“.  Das begleitende symbolstarke Foto zu „Eazy“ auf Wests Instagram-Profil: ein gehäuteter Affe, ein Sujet, wie es die Tierrechtsorganisation PETA benutzt, um Tierversuche anzuklagen. Dass „Donda 2“, der zweite Teil des im August veröffentlichten zehnten Studio-Albums „Donda“  (der Vorname seiner 2007 verstorbenen Mutter, pechschwarzes Cover) am 22. Februar  publiziert wird, will man noch nicht so recht glauben.

Verschobene Erscheinungsdaten gehören zum West-Vibe. Die dreiteilige Netflix-Doku „Jeen-yuhys“ (ein Wortspiel mit dem  englischen Wort genius) sollte  eigentlich nächste Woche auf Netflix Streaming-Premiere feiern, doch bei West weiß man das nie.  Die Bedeutung seines Künstlernamen  „Ye“ erklärte West in einem Radiointerview als jenes Wort, das in der Bibel am häufigsten vorkomme und gleichbedeutend mit „Du“ sei: „Denn ihr seid ich, und ich bin wir.“ Ende Jänner ließ er seine elf Millionen Follower wissen, dass sich der Streaming-Dienst Netflix schon einmal warm anziehen könne: „Ich sage das ein allerletztes Mal höflich: Ich muss das letzte Wort beim Schnitt dieser Doku haben, ehe sie auf Netflix geht. Öffnet sofort den Schneideraum, damit ich Kontrolle über mein eigenes Image habe.“  Als Erscheinungsdatum  ist der 16. Februar noch immer geplant.

In dem bereits erschienenen Trailer sieht man den jungen Kanye West, der im Gegensatz zu vielen Hiphop-Künstlern nicht in tristen Zimmer-Küche-Kabinett-Verhältnissen bei brennenden  Ölfässern groß geworden ist, sondern von einer hoch reputierten Professorin von Anglistik allein erzogen wurde, anlässlich der Frage eines Freundes „Wer glaubst du, wer du bist, dass du dich ein Genie nennen kannst?“ noch schüchtern lächeln. Wenig später wird er im Off den Satz über seine Genie-Initiation sagen:  „Es war, als ob Gott sagen würde: Ich bin dabei, dir die Welt zu reichen, aber sei dir bewusst, dass ich sie dir auch jeden Moment wieder wegnehmen kann.“  

Alert-Wahnsinn mit Kayne

Gibt man Kanye West als Google Alert ein, wird man dieser Tage keine ruhige Minute verbringen. Durch die erratischen Verhaltenstrips des Noch-Ehemanns der öffentlichsten Frau der Welt Kim Kardashian (67 Millionen Follower auf Instagram) schnellen die Klicks auf allen Glamour-&-Drama-Medien in unermessliche Höhen. Eben noch mit der Neuen, Paula Fox, einer Ex-Domina und B-Schauspielerin, in Kriegerkostümierung in den selbst designeten „Yeezy-Boots“ (West brilliert auch als Modevisionär) und Ganzkopf-Ledermaske auf den Pariser Modeschauen im iPhone- und Kameragewitter gestanden, scheint Ye „die Celebrity, die wir alle verdient haben“ (so „Vanity Fair“ über Fox), schon wieder auf der Nebenspur geparkt zu haben. Dabei hatte er ihr doch schon beim zweiten Date einen „Cinderella“-Moment der Extraklasse beschert, indem er ihr eine ganze Hotelsuite mit Designerkleidern vollstopfte. Und bei der Party zum 32. Geburtstag  bekamen alle von Paula-„Ich habe schon mehrere Milliardäre gedatet“-Foxs Freundinnen eine Birkin Bag von Hermès (Minimum  8000 Euro das Stück) als Damenspende.

Aufruhr auf allen Klatschportalen, denn West wurde wenige Tage nach diesem Posting in Malibu bei einem Dinnerdate mit einer um 20 Jahre jüngeren Raubkopie von Kim Kardashian gesichtet. Die Lebensbestimmung dieser Chaney Jones scheint ähnlich ihrer Vorgängerin das Posieren in oft identischen Outfits auf Instagram zu sein, sogar die obligate schwarze Sonnenbrille ist dasselbe Modell, wie es Kim Kardashian zu tragen pflegt. Parallel zu dem EKG-gleichen  Liebesleben eskaliert  der Sorgerechtsstreit um die vier gemeinsamen  Kinder North, 8, Saint, 6, Chicago, 3,  und Psalm, 2, der vor allem von West auf Twitter und Instagram ausgetragen wird. „Da dies meine erste Scheidung ist“, so West auf Instagram, „muss ich wissen, was ich dagegen tun kann, dass meine Tochter (North) gegen meinen Willen auf TikTok ist.“

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Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort