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Der Anti-Baby-Wille: Warum immer weniger Menschen Kinder bekommen wollen

Weltweit sinken die Geburtenraten, in Österreich besonders dramatisch. Kinderlosigkeit wird zur Normalität. Warum verzichten immer mehr aufs Kinderkriegen?

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„Es war immer ein Thema, und es war immer irgendwie ein Problem.“ Nicht für sie selbst, klar. Aber für die anderen. Magda W.* ist 40, hat keine eigenen Kinder – und wollte nie welche. Kein Problem. Eigentlich. „Die Empfindung, die viele Menschen haben, wenn sie ein Baby sehen, dieses ‚Moi, so süß, ich will auch!‘, das habe ich einfach nicht. Kein Interesse. Aber sobald ich das erzähle, kommen sofort die Kommentare: Warte mal ab, kommt schon noch, weil irgendwann taucht der richtige Mann auf.“

Magda W. wuchs in einer ländlichen Gemeinde in Niederösterreich auf, „da hat sich die Frage gar nicht gestellt, ob man am üblichen Programm teilnehmen will: früh heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen.“ Für sie selbst war diese Frage trotzdem bald negativ beantwortet, „die Vorstellung, ein Kind zu bekommen, wurde mir im Lauf der Jahre immer unmöglicher.“ Sie selbst hat dafür keinen singulären Grund – auch wenn ihr viele einfallen würden: die ökonomischen Schwierigkeiten, die Elternschaft mit sich bringen kann; die beharrlich ungerechte Verteilung der Sorgearbeit samt negativer Partnerschaftsdynamik; das immer noch lückenhafte Betreuungsangebot; die ständig wachsenden Zukunftssorgen.

Die Gründe summieren sich, und sie wirken sich aus. Keine Kinder zu bekommen, wird zunehmend zum Normalfall. Der Kinderwunsch schwindet, kollektiv und weltweit. Im Jahr 2023 kamen in Österreich nur mehr rund 77.000 Babys auf die Welt – zehn Prozent unter dem Zehn-Jahres-Schnitt, minus 6,5 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Österreich ist damit kein Einzelfall. In ganz Europa werden immer weniger Kinder geboren. Im Vorjahr sind die Geburtenraten besonders drastisch gesunken – in Deutschland um sechs Prozent, in Frankreich um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Im Grunde signalisiert eine niedrige Geburtenrate einen Riesenerfolg. Sie ist ein Zeichen von Wohlstand. Ein Sozialstaat sichert die Pension, die Altersversorgung bleibt nicht mehr an den eigenen Kindern hängen. Frauen können über ihre Körper entscheiden, haben Zugang zu Verhütungsmitteln, Sexualität wird von Reproduktion entkoppelt. Auch angesichts der Klimakrise und mehr als neun Milliarden Menschen auf dem Planeten erscheint das keine schlechte Idee. Sich mit Geburtenzahlen auseinanderzusetzen, hat auch einen reaktionären Beigeschmack. Kontrolle über Frauenkörper auszuüben, ist ein Paradebeispiel patriarchalen Verhaltens. Aber wieso bekommen Frauen heute immer weniger Kinder? Was heißt das auch wirtschaftlich?

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.