Klaus Kamolz: Verbrannte Pfoten
Noch nie war sie so aktuell wie heute-die alte Redewendung: "für jemanden die Kastanien aus dem Feuer holen". Sie bedeutet, um es mit einem ganzen Bündel anderer Redewendungen zu erklären: Man wirft sich in die Schlacht, um jemandem den Arsch zu retten, verbrennt sich die Finger und geht letztlich dabei leer aus. Sehr gut kann man das in letzter Zeit beobachten, wenn wieder einmal Chat-Protokolle erscheinen. Dann rücken Armeen von Parteisoldaten zur Schönrederei aus, und ob sie beim Verteidigen ihrer Chefitäten immer gute Figur machen, ist zweitrangig.
Aber warum holt man ausgerechnet Kastanien aus dem Feuer? Die Formulierung stammt aus einer Fabel des französischen Dichters Jean de La Fontaine (1621-1695).In der Geschichte überredet der Affe Bertrand die Katze Raton, ihm geröstete Kastanien aus der Glut zu fischen. Doch er isst die Nussfrüchte alle selbst; Raton hingegen schaut durch die Finger und verbrennt sich auch noch die Pfoten.
Nach dieser Orgie an Redewendungen will ich der geneigten Leserschaft aber ein ganz besonderes Maronirezept ans Herz legen; schon wieder so eine Formulierung Mitten in der Wildsaison und mit Weihnachten vor der Tür empfehle ich als Beilage zu Hirsch oder Gans meine aromatisch etwas aufgemöbelten, leicht scharfen Maroniknödel. Ich verwende dafür gekochte und geschälte Kastanien, denn die sind leichter zu verarbeiten als geröstete. Für 10 Knödel weiche ich zunächst 20 g getrocknete Steinpilze für 1 Stunde in lauwarmem Wasser ein. Dann koche ich 200 g der bereits vorgekochten Maroni in je 1/8 Liter Rotwein und Wasser und 1 Zweig Rosmarin noch mürber, als sie ohnehin schon sind, was etwa 15 Minuten dauert, und drücke sie noch nass durch die Kartoffelpresse in eine Schüssel. Die getrockneten Steinpilze hacke ich sehr fein und gebe sie zu den Maroni. Den Steinpilzsud nutze ich löffelweise zum Regulieren der Konsistenz; es soll am Ende eine weiche, aber knetbare Masse entstehen. Gewürzt wird mit 1 TL Ras el Hanout, 1 Prise Chiliflocken, Salz, Pfeffer und 1 bis 2 EL gut gebräunter Nussbutter. Dann knete ich Kugeln zu je 20 g und stelle sie 1/2 Stunde kalt. Derweil koche ich 1 kg mehlige Kartoffeln weich, schäle sie und drücke sie ebenfalls durch die Kartoffelpresse. Nun knete ich 200 g Kartoffelstärke ein, würze mit 1 Prise Muskatnuss und Salz. Den Teig zupfe ich in etwa 90 g schwere Stücke, drücke sie flach, setze je 1 Kugel Maronifülle in die Mitte und schleife den Teig zwischen den Handflächen zu Knödeln. Die lasse ich gute 30 Minuten in schwach wallendem Wasser köcheln.
And now for something completely different. Auch ich habe mir neulich die Pfoten verbrannt. Oder, um noch ein Idiom ins Spiel zu bringen: Ich habe in meiner Kolumne über Spinat einen kapitalen Bock geschossen. Als ich den Mythos vom eisenhaltigen Spinat aufklären wollte, der auf einer falschen Mengenangabe beruht, habe ich mich selbst um einige Dezimalstellen geirrt und noch dazu nassforsch gespöttelt, das würde nur Finanzministern passieren. In meinen handschriftlichen Rechercheunterlagen war alles noch richtig: Spinat enthält in Wahrheit etwa 3,5 Milligramm Eisen pro 100 Gramm, und nicht-wie der Chemiker Gustav von Bunge 1890 meinte-35 Milligramm. Erschienen ist dann allerdings die absurde Menge 3,5 Gramm Eisen pro 100 Gramm Spinat. Ich bin, um Buße zu tun und den Aberwitz dieses Fauxpas zu untermauern, in den Baumarkt am Stadtrand von Canossa gefahren, habe mir klassische 100er-Nägel besorgt und sie daheim auf der Feinwaage abgewogen, als Nagelprobe sozusagen. Demnach enthielten 300 Gramm Spinat-in gekochtem Zustand ungefähr die Menge für eine Person-Eisen vom Gewicht eines ganzen 100er-Nagels.
Asche auf mein Haupt dafür, dass ich Ihnen einen Nagel im Blätterhaufen servieren wollte. Nicht auszudenken, ich hätte mich beim Lieblingsgewürz von Spinacia oleracea geirrt, der in größeren Mengen giftigen Muskatnuss. Das ist nämlich 2008 dem schwedischen Kochmagazin "Matmagasinet" passiert. Dort wurden in der gedruckten Ausgabe aus 2 Prisen Muskatnuss plötzlich 20 Muskatnüsse für einen Apfelkuchen. Vier Menschen landeten im Krankenhaus. Da bin ich noch glimpflich davongekommen.
Ab jetzt mache ich wieder Nägel mit Köpfen, äh, Knödel in Töpfen. Versprochen.