Klirr royal: "The Crown" sorgt für Unmut
„Zwei menopausale Frauen an der Spitze des Staates, das kann ja heiter werden“, unkt der TV-Denis-Thatcher, der 1979 für die nächsten elf Jahre ein ähnliches Schicksal wie Prinz Philip erdulden wird müssen. Am Tiefpunkt seines Selbstwertgefühls soll der echte Prinzgemahl (kürzlich beging man den 73. Hochzeitstag) einmal lamentiert haben: „Ich bin nichts als eine Amöbe, eine verdammte Amöbe.“
Neben der Achterbahn der jungen Ehe zwischen Charles und Diana ist sicherlich die Beziehung zwischen der Queen und Margaret Thatcher, der ersten Premierministerin Großbritanniens, das Herzstück der vierten Staffel von „The Crown“. Tatsächlich entwickelte sich zwischen der Königin und der Tochter eines Lebensmittelhändlers ein durchaus von frostigen „Catfight“-Momenten geprägtes Klima, das durch Gillian Andersons dick aufgetragene und deswegen parodistische Darstellungsweise der „Iron Lady“ auch satirisch rüberkommt.
„Warum spricht Anderson wie ein Schaf, das von einer Hexe durch einen Fluch mit einer menschlichen Stimme ausgestattet wurde?“, fragte sich der liberale „The Guardian“ zu Recht und kritisiert an anderer Stelle, dass in „The Crown“ eine „zerstörerische Form von Geschichtsverfälschung“ betrieben werde. Die, so der „Guardian“-Kolumnist Simon Jenkins, sei genauso gefährlich wie „falsche Nachrichten“: „Shakespeare hat Richard III. auch nur als Vorlage benutzt, aber da liegen Jahrhunderte dazwischen. Viele spätgeborene Zuschauer halten die TV-Serie für die historische Wahrheit, was ein feiger Umgang mit der künstlerischen Freiheit ist.“ Man muss Anderson zugutehalten, dass ein mimisches Match gegen eine Könnerin wie Olivia Colman, die die Queen spielt, eine Schlacht ist, die man kaum gewinnen kann.
Eine tatsächliche Fantasie ist zum Beispiel die Folge „Balmoral-Test“, in der die neue Premierministerin mit ihrem Mann einer königlichen Wochenendeinladung nach Schottland auf Schloss Balmoral nachkommt. Die Windsors, allen voran der in Arroganz gestählte Prinz Philip, die kettenrauchende Zynikerin Margaret (die Schwester der Königin) und die humorbegabte Queen Mum, machen den mittelständischen Parvenus das Leben durch falsche Bekleidungsvorschriften und Protokolltricks so zur Hölle, dass Margaret Thatcher unter dem Vorwand von Regierungsgeschäften verfrüht abreist.
Tatsächlich fand ein solcher Besuch auch statt, doch ohne den protokollarischen Fettnäpfchen-Parcours und den vorzeitigen Abbruch. Das hätte selbst die Eiserne Lady nicht gewagt. Aber natürlich ist es von hohem Unterhaltungswert, wenn Produzent und Drehbuchautor Peter Morgan die königliche Sippschaft hinter den Kulissen der öffentlichen Wahrnehmung im Ferienmodus als selbstherrliche, viertelgebildete Truppe vorführt, die ihre Zeit mit Pirschgängen, infantilen Gesellschaftsspielen und Whiskykonsum totschlägt.
Thatcher selbst empfand, laut ihren Biografen, die Monarchie als „labbrige Institution“; sie verurteilte, dass die „Royals“ Normalität simulieren wollten, wo keine war. Die Queen selbst soll über die von ihrer eigenen Partei verratene Regierungschefin am Ende von deren Amtszeit im vertrauten Kreis angemerkt haben: „Sie blieb immer zu lang, redete zu viel, wahrscheinlich weil sie sich selbst nur unter Männern bewegte.“
Dass die verfassungsrechtlich zur politischen Neutralität verdonnerte Queen tatsächlich insofern ihre legendäre Kontenance verlor, als dass sie sich bisweilen in Thatchers sozial gnadenlose Regierungsgeschäfte einmischte, entspricht nicht den historischen Tatsachen.
Dass die Wellen der Empörung erst jetzt in der vierten Saison in dieser Form hochschlagen, ist wohl damit zu erklären, dass die Ereignisse der britischen Gegenwart gefährlich nahe kommen. Vor allem Prinz Charles, heute 72 und damit der älteste König in der Warteschleife, wird ins Fadenkreuz genommen und als verklemmter Playboy und Schwächling gezeigt, der außer Cabrio-Fahrten zu seiner gar nicht so
heimlich geliebten Camilla und Vollbädern in seinen Minderwertigkeitskomplexen wenig um die Ohren hat. Schuld ist eine Mutter, deren Emotionen am Gefrierpunkt schrammten und „die ihre Hunde besser behandelte als ihre Kinder“, wie eine Hofdame einmal über die ehemalige Arbeitgeberin anzumerken wusste.
Tatsächlich gilt Charles innerhalb der Royals als mit Abstand Intellektuellster, der Windsor-Biograf Tom Levine bezeichnete ihn in einem profil-Interview als „Öko-Tory, der seiner Zeit in vielen Dingen weit voraus war, aber sich immer sehr schlecht zu verkaufen wusste“.
Der Brite Peter Morgan, der für sein Drehbuch für den Spielfilm „The Queen“ (2006) eine von insgesamt fünf Oscar-Nominierungen bekam, hat für die Anwürfe der Verfälschung einen Standardsatz parat: „Man muss mitunter zwar die Genauigkeit opfern, aber niemals die Wahrheit.“
Dass Morgan definitiv zum Team Diana gehört und deswegen möglicherweise die Wahrheit zugunsten seiner Sympathiewerte zurechtmodelliert, zeigte sich schon in „The Queen“, wo die Geschichte um den Unfalltod der nach ihrer Scheidung ihres Titels als „Königliche Hoheit“ beraubten Lady Diana kreist. Dort zelebriert Morgan, der ein Meister des Dialogs irgendwo zwischen Shakespeare, Machiavelli und dem vitriolgeladenen Sprachwitz von Oscar Wilde und Noël Coward ist, die Figur der toten Diana als Opfer in Abwesenheit. Ihre Erscheinungsform in der aktuellen Staffel hält sich durchwegs an dieses Opfer-Genre: Die nicht sehr nuancenreiche, aber extrem putzige Darstellerin Emma Corrin kultiviert das Blickmodul „Angeschossenes Bambi“, das man von der meistfotografierten Frau der 1980er-Jahre noch im Gedächtnis hat, in Perfektion.
Diana wird als durch den frühen Verlust der Mutter traumatisiertes Wesen gezeigt, das sich das Jobprofil „hingebungsvolle Ehefrau“ und Produzentin eines Erben in der „Firma“ zu Herzen nimmt und grausam an einer dysfunktionalen Familie scheitert, in der Liebe und Zuwendung bestenfalls in der Rubrik Zimmermädchen-Gefühle rangieren. Dass die Prinzessin von Wales an schweren seelischen Störungen litt, die in Selbstverletzungen und hysterischen Weinausbrüchen gipfelten, und alles andere als eine verlässliche „Teamplayerin“ war, ist inzwischen eine bekannte Tatsache. In der Dokumentation „Diana In Her Own Words“ (ebenfalls auf Netflix) kann man Teile der Interviews, die Diana dem Journalisten Andrew Morton Anfang der 1990er-Jahre gegeben hatte, im Off nachhören.
Immer wieder erzählt die Prinzessin, dass sie sich „als Lamm, das zur Schlachtbank geführt werden sollte“, gefühlt habe und schon ganz am Anfang der Verlobung unter Bulimie litt. „I felt so sick“, „I felt terrible“ und „I cried my heart out“ sind Phrasen, die in diesem Filmdokument immer wieder von ihr zu hören sind. Dort erzählt Diana auch von jenem absichtlichen Sturz von der Treppe am Beginn ihrer Schwangerschaft mit William, der „als mein Hilfeschrei“ zu werten war. Insgesamt habe sie vier Mal versucht, sich das Leben zu nehmen.
Diese von einer schweren Persönlichkeitsstörung zeugenden Vorfälle sparte Morgan aus; tatsächlich sieht man Emma Corrin häufig als Reaktion für Charles’ Desinteresse über die Klomuschel gebeugt, im Vorspann scheint auch die Warnung auf, dass in dieser Serie Essstörungen thematisiert werden, die gesundheitsgefährdend sind. „Unglückliche Leute machen seltsame Sachen“, sagt ein Mitglied der Königsfamilie an einer Stelle. Die Ursache von Dianas Unglück ist auch die Frau, die von allen Charakteren am besten wegkommt: Camilla Parker Bowles wird als erdverbundene Kumpel-Maitresse gezeigt, die Charles eindringlich zu seiner Verantwortung mahnt, einen Erben zu stellen, und als selbstlose Stütze eines Supersensibelchens von einem Kronprinzen agiert.
Auch wurde der echten Herzogin von Cornwall erspart, dass Charles’ telefonisches Liebesgeflüster – er möchte als ihr Tampon wiedergeboren werden – ausgebreitet wurde. Die TV-Camilla seufzt an einer Stelle: „Solche wie ich haben keinen Platz in einem Märchen.“ Die Realität hat das Gegenteil bewiesen. Niemand kann sich mehr an ihre hässlichen Presse-Spitznamen wie „Rottweiler“, „Kuhmilla“ oder „Gräfin Dracula“ erinnern. Camilla soll sich dem Vernehmen nach auch als einzige durchaus positiv über das Opus magnum geäußert haben: „Ich werde es mir einmal bei einem Glas Wein gemütlich ansehen.“
Im Kreuzfeuer der britischen Presse steht gerade wieder der im freiwilligen US-Exil befindliche Prinz Harry, der mit seiner Frau Meghan vor Kurzem einen Millionendeal mit Netflix unterzeichnete. „Wie konnte er nur“, klagt das Hochglanzmagazin „Vanity Fair“, „nach all dem, was seiner Familie dort angetan wurde!