Krach im ÖFB: „Es gibt die Möglichkeit, dass wir uns die Schädel einhauen“
Der ÖFB soll modernisiert werden – doch nun eskaliert der Streit im Präsidium. Gegenüber profil attackiert der Vizepräsident den eigenen Präsidenten und wirft ihm Verschleppung eines Missstandes vor. Ist der größte Sportverband des Landes noch zu retten?
„Ich habe monatelang geschwiegen“, erklärt ÖFB-Vizepräsident Gerhard Götschhofer im profil-Gespräch. Doch damit ist jetzt Schluss. Götschhofer, 66, pensionierter Rechtsanwalt, ist „verärgert“, wie er betont. Der Grund: „Dem Präsidenten fehlt der Mut, um die Dinge entsprechend anzugehen.“
Den Ärger ausgelöst hat ein brisantes Schreiben, das ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer im Oktober 2023 verfasst hat – und das vor wenigen Tagen an die „Krone“ und wenig später an den „Kurier“ gespielt wurde. Auch profil liegt das Schriftstück vor. Mitterdorfer beschreibt darin in deutlichen Worten den jahrelangen Konflikt der zwei ÖFB-Geschäftsführer – und fällt ein vernichtendes Urteil über einen der beiden.
Mitterdorfer selbst hat Götschhofer das Schreiben bereits im Oktober 2023 geschickt, während die Mehrheit im ÖFB-Präsidium nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Götschhofer erzählt profil, dass er Mitterdorfer immer wieder „gedrängt“ habe, den Bericht im dreizehnköpfigen Präsidium zu thematisieren und eine Entscheidung zu treffen. Doch nichts passierte.
Was ist da los im größten Sportverband des Landes mit seinen über 60 Millionen Jahresumsatz und knapp hundert Mitarbeitern? Eigentlich steht Präsident Mitterdorfer, 58, ein jugendlicher Typ in T-Shirt und Sneakern, gerade als Reformer im Mittelpunkt. Mitte Oktober will er die große ÖFB-Modernisierung finalisieren, für die er seit Wochen wirbt. Statt der ständigen Machtkämpfe und persönlichen Befindlichkeiten sollen dann rasche Entscheidungen im Sinne des Sports getroffen werden. Doch nun wirft ihm sein Vizepräsident im profil vor, einen für den Verband lähmenden Konflikt zu verschleppen. Was ist da dran? Wie immer im ÖFB ist die Sache etwas verworren. Die Causa handelt nämlich nicht nur von Untätigkeit, sondern auch von Macht, Feindschaft und Rache – und sie könnte nun gar die groß geplante ÖFB-Reform gefährden.
ÖFB-Geschäftsführer im Fokus: „Zusammenarbeit der beiden nicht möglich“
Fakt ist: Präsident Mitterdorfer hat im Oktober 2023, fünf Monate nach seinem Amtsantritt, jenes Schreiben aufgesetzt, das profil vorliegt. Darin schreibt Mitterdorfer „vom schon lange bestehenden Problem des Nichtverstehens und der nicht entsprechenden Kommunikation“ zwischen den beiden Geschäftsführern. „Viele halten eine weitere Zusammenarbeit der beiden für nicht möglich“, hält er fest. Sogar Sponsoren würden „eine weitere Partnerschaft mit dem ÖFB von der Lösung dieses Konflikts abhängig machen“.
Konkret geht es um die beiden Geschäftsführer Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold. Beide sollen einander blockieren und nur das Nötigste miteinander sprechen, obwohl sie in der Führung des ÖFB abhängig voneinander sind. Hollerer ist im Verband für Finanzierung und Personal zuständig, Neuhold für die Gestaltung des Profi-Betriebs. Mitterdorfer schreibt, dass von Hollerer Projekte jedoch „erst nach Wochen bearbeitet und freigegeben“ würden, „weil sie aus den Zuständigkeitsbereichen“ von Neuhold kämen. Während Neuhold „gestalten“ will, schreibt Mitterdorfer, werde Hollerer im ÖFB als „Verwalter“ gesehen. Neuhold habe Mitterdorfer deshalb mehrfach erklärt, „dass es für ihn nicht mehr möglich ist, mit Thomas in Zukunft gemeinsam zu arbeiten“. Drei Seiten lang argumentiert Mitterdorfer in diese Stoßrichtung. Ein eindeutiger Befund.
„Wer ist dafür verantwortlich, dass zehn Monate eine derartige Beschreibung verheimlicht wird?“, fragt Götschhofer nun im profil-Gespräch.
Dazu muss erwähnt werden: Der Konflikt ist allen Entscheidungsträgern seit Jahren bekannt. Auch profil hat immer wieder darüber berichtet. Was neu ist: Der ÖFB-Präsident bezieht in dem Schreiben gegen einen der beiden klar Stellung. Einige Präsidiumsmitglieder werfen aber auch Neuhold „ein falsches Spiel“ vor, indem er Hollerer in vielen Fragen leichtfertig den schwarzen Peter zuschiebe. „Eigentlich musst du beide entlassen“, sagt einer aus dem ÖFB zu profil. Doch das ist nicht so einfach. Das Präsidium, das darüber entscheidet, ist in zwei Lager gespalten. Der Ost-Flügel stützt Hollerer, der Westen Neuhold.
Ziemlich beste Feinde
Für die Patt-Situation gibt es eine brisante Vorgeschichte. 2023 trafen Vizepräsident Götschhofer (aus dem West-Flügel) und der damalige Präsident Gerhard Milletich (Ost-Flügel) vor Gericht aufeinander. Milletich, im Hauptberuf Verlagsmanager, war vorgeworfen worden, bei Verbandssponsoren Inserate für seine eigenen Publikationen gekeilt zu haben. Götschhofer sammelte Beweismittel und überführte den Präsidenten. Auch die beiden Geschäftsführer verfingen sich in dem Konflikt. Hollerer verärgerte Götschhofer und seinen West-Flügel, weil er von ihnen eine eidesstattliche Erklärung erbat, dass die Männer nicht gegen Milletich intrigiert haben. Neuhold dagegen soll Götschhofer ein Dokument zukommen haben lassen, das Milletich schlussendlich überführte. Brisant: Im ÖFB erzählt man sich das Gerücht, dass Neuhold in Aussicht gestellt worden sein soll, in Folge seinen Kontrahenten Hollerer loszubekommen.
Fakt ist: Als der ÖFB im Frühjahr 2023 einen neuen Präsidenten benötigte, brachte der Westen überraschend den Kärntner Landespräsidenten Mitterdorfer ins Spiel. Im Ost-Flügel hielt man ihn deshalb anfangs auch für einen „Erfüllungsgehilfen“ von Götschhofers Westen. Götschhofer selbst erzählt, dass er Mitterdorfer immer wieder „gedrängt“ habe, im Präsidium von seinem vernichtenden Schreiben über Hollerer zu berichten und eine Entscheidung zu fällen. Der aber habe ihn vertröstet und auf die anstehende EM verwiesen, die er durch Tumulte im ÖFB nicht gefährden wolle. Das alles bestätigt auch Mitterdorfer gegenüber profil. Als Götschhofer aber zusehends „festgestellt habe, dass der Klaus Mitterdorfer sich nicht traut, diesen Bericht im Präsidium zu thematisieren, habe ich ihm vorgeschlagen, dass er einen externen Unternehmensberater hinzuzieht – damit ein Dritter darüber berichtet.“ Mitterdorfer engagierte diesen und weihte ihn auch in sein Schriftstück ein. Ende August referierte der Externe dann im Präsidium – aber Götschhofer zeigte sich enttäuscht. Es wäre zwar die Geschäftsführer-Problematik benannt worden. Aber Mitterdorfers Befund über Hollerer? Kein Thema.
„Das ist meines Erachtens pures Mobbing, wenn der wichtigste Mann des ÖFB einfach ausgeladen wird“
ÖFB-Vizepräsident Gerhard Götschhofer im profil-Gespräch
Mitterdorfer sagt, dass sich seine Sichtweise auf den Konflikt im letzten Jahr geändert habe. In seinem Bericht stehe zwar nichts Falsches. Es sei aber, so erklärte er der „Krone“, „eine völlig einseitige, unvollständige und in der Zwischenzeit längst überholte Darstellung aus dem Präsidium an die Öffentlichkeit gespielt worden“.
Götschhofer ist nun noch verärgerter. „Er tut den Bericht jetzt damit ab, als hätte sich in wenigen Monaten alles geändert.“ Dabei habe Götschhofer erst zuletzt davon erfahren, dass Hollerer seinen Kollegen Neuhold Anfang des Jahres nicht auf die Passagierliste für den Flug zur Nations-League-Auslosung in Paris gesetzt haben soll. „Das ist meines Erachtens pures Mobbing, wenn der wichtigste Mann des ÖFB einfach ausgeladen wird“, zürnt er. Zudem könne er nicht verstehen, dass der ÖFB-Präsident nun „seine eigenen Worte als völlig einseitig und unvollständig“ bezeichne. „Will er damit sagen, dass er sich selbst eine einseitige Darstellung angefertigt hat?“.
Zu profil sagt Mitterdorfer, dass er nach wenigen Monaten im Amt „andere Erfahrungen als jetzt“ hatte. „Nun würde eine Entscheidung auf einer anderen Grundlage fußen. Thomas Hollerer ist in vielen Bereichen wertvoll für den ÖFB.“
Der pensionierte Rechtsanwalt Götschhofer vermutet ein Motiv hinter dem Meinungsschwenk. „Ich werfe ihm vor“, sagt Götschhofer, „dass er den Inhalt seines Berichtes nicht thematisieren will, weil er der Mehrheit des Präsidiums nicht gefällt.“ Heißt konkret: Mitterdorfer würde mehr auf seine Wiederwahl schielen, als auf eine ordentliche Reform zu drängen. Laut profil-Informationen steht tatsächlich eine klare Mehrheit hinter Hollerer. Mitterdorfer bestreitet gegenüber profil ein solches Kalkül. „Es geht mir nicht in erster Linie darum, ob ich wiedergewählt werde. Wir haben laufend bei Präsidiumssitzungen über die Geschäftsführer gesprochen. Es geht nicht um mich. Ich will eine Veränderung bewirken und die Geschäftsführer-Problematik bestmöglich lösen.“
„Dem Präsidenten fehlt der Mut, um die Dinge entsprechend anzugehen. Er ist zwar bemüht und engagiert. Aber manche Jobs kann man lieb und nett nicht zufriedenstellend erledigen.“
ÖFB-Vizepräsident Gerhard Götschhofer gegenüber profil
Einfach ist die Situation für den Präsidenten nicht. Von Mitterdorfer wird nun von zwei Seiten erwartet, dass er den jeweiligen Kandidaten schützt und den anderen „wegputzt“, wie ein Funktionär erzählt. Und beide machen ordentlich Druck. Mitterdorfer sei zwar „bemüht und engagiert“, sagt Götschhofer. „Aber manche Jobs kann man lieb und nett nicht zufriedenstellend erledigen.“
Einige aus dem Präsidium betonen gegenüber profil zwar, dass eine Entlassung beider Geschäftsführer „aus unternehmerischer Sicht die einzig vernünftige Lösung wäre“. Doch fragt man beispielweise Götschhofer, ob er dafür stimmen würde, beide abzuberufen, sagt er: „Schauen Sie, ich werde Ihnen das nicht offenlegen“.
Schon mehrere Ex-Präsidenten haben sich am Geschäftsführer-Konflikt die Zähne ausgebissen. Etwa Johann Gartner, 72, der 2023 wenige Monate interimistisch den ÖFB-Boss gab und weiterhin im Präsidium sitzt. Der Konflikt sei „nicht neu“, sagt er zu profil, „den zahen wir schon länger herum“. Als Interims-Chef versuchte er ihn zu lösen und verdonnerte die beiden Geschäftsführer zu wöchentlichen Meetings. „Sie können nicht miteinander – das ist unbestritten“, sagt Gartner. Deshalb habe er mit ihnen „To-do-Listen“ erarbeitet und auf ein „ordentliches Miteinander“ geachtet. „Ich dachte, die müssen ja nicht auf Urlaub miteinander fahren, aber wenigstens zusammenarbeiten“. Wöchentlich habe er kontrolliert „was sie weitergebracht haben“. Seine Conclusio aus dieser Zeit: „Es gehört etwas geändert“. Gartner hätte das gerne selbst übernommen, sagt er. „Aber dann haben die Herren im Präsidium gesagt: Das soll der Neue machen.“
Doch auch der tut sich schwer. „Eine Mehrheit dafür, dass beide entlassen werden, findet er in hundert Jahren nicht“, sagt ein Funktionär zu profil. Mitterdorfer will deshalb zuerst die geplante Strukturreform durchboxen. Laut profil-Informationen sollen im ÖFB künftig ein Wirtschafts-Vorstand, ein Sport-Vorstand und ein Vorstandsvorsitzender das Tagesgeschäft erledigen – und das bislang allmächtige Präsidium zu einem Aufsichtsrat zurechtgestutzt werden. Die Posten für den Vorstand könnten dann neu ausgeschrieben werden – und sich so die Geschäftsführer-Problematik ganz von alleine lösen. Götschhofer ist nicht überzeugt von der Idee: „Ob ich jetzt zwei oder drei Geschäftsführer habe und ob ich die jetzt Geschäftsführer oder Vorstände nenne, ist so wurscht wie nur was“, sagt er. Was Götschhofer ärgert: Mitterdorfer will Personalfragen erst besprechen, wenn die neue Struktur steht. „Es kommt mir vor, das Haus brennt und man überlegt, wie die neue Einrichtung aussehen soll“, moniert Götschhofer.
Am 18. Oktober findet die nächste Präsidiumssitzung statt. Dort sollen alle Themen erneut auf den Tisch. Mitterdorfer wandelt dabei auf einem schmalen Grat. Schon im Frühjahr nächsten Jahres steht die Präsidentenwahl an – er könnte also auch schnell entmachtet werden. Der West-Flügel wolle nun in letzter Sekunde die Reform verhindern, glauben manche im ÖFB, um dann einen neuen Präsidenten zu installieren, „der ihnen den Hollerer wegputzt“. Götschhofer wiederum erklärt: Der Präsident müsse nun Mut beweisen. Und fügt an: „Es gibt auch die Möglichkeit, dass wir uns so lange die Schädeln einhauen, bis weißer Rauch aufsteigt“.