Legendäre Kriminalfälle: Jack The Ripper
Fakten
Londoner East End, Herbst des Jahres 1888. Innerhalb weniger Wochen werden im Bezirk Whitechapel fünf Prostituierte (in Insider-Kreisen „Kanonische Fünf“ genannt) tot aufgefunden. Die Körper der Opfer (Mary Anne Nichols, Annie Chapman, Elizabeth Stride, Catharine Eddowes und Mary Jane Kelly) wurden allesamt auf brutalste Art und Weise verstümmelt und ausgeweidet – bei den Meisten fehlten innere Organe wie die Gebärmutter.
Aufgrund des Zustandes der Leichen legten die Ermittler zunächst das Hauptaugenmerk auf das Verhör und die Überprüfung der Alibis von Schlachtern, Chirurgen und Ärzten, da sie beim Täter anatomische bzw. chirurgische Fähigkeiten vermuteten. Zudem ging man zur Zeit der Morde davon aus, dass der Täter einen Schnurrbart trage und wahrscheinlich jüdischer oder ausländischer Herkunft sei.
Während des Verlaufs der Ripper-Morde erhielten Polizei und Zeitungen hunderte von Bekenner-Briefen, von denen heute drei als möglicherweise „echte“ Schriftstücke des Täters angesehen werden: Im ersten, dem sogenannten „Dear Boss“-Brief, kündigte der Absender das Abschneiden eines Ohres des nächsten Opfers an. Catharine Eddowes wurde wenige Tage darauf tatsächlich ohne Ohr aufgefunden. Der zweite Brief („Saucy Jack“), der mit „Jack The Ripper“ unterzeichnet war, nahm wiederum vorweg, dass zwei Opfer (Eddowes und Elizabeth Stride) im Laufe einer Nacht ermordet werden würden, während dem dritten („From Hell“) eine halbe menschliche Niere beigefügt worden war, die mutmaßlich von Eddowes stammte.
Mythos
Der Mythos um „Jack The Ripper“ ist vor allem darin begründet, dass bis heute nur gemutmaßt werden kann, wer hinter den brutalen Morden steckte. Im Laufe von fast 130 Jahren ergab sich somit allerlei Spielraum für Spekulationen. Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Verdächtigen, die im Laufe der Jahrzehnte mit den Verbrechen in Verbindung gebracht wurden:
- Montague John Druitt galt lange Zeit als Hauptverdächtiger in dem Fall. Aufgrund seiner Homosexualität gilt es jedoch als sehr unwahrscheinlich, dass er für die Morde verantwortlich war.
- Der polnische Einwanderer Aaron Kosminski gilt ebenfalls bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts als einer der Hauptverdächtigen für die Ripper-Morde. Für Aufsehen sorgte im Jahr 2014 ein Gutachten, demzufolge ein Halstuch, das an einem der Tatorte gefunden wurde, Sperma- und Blutspuren von Kosminski enthalten soll. Als Methode sei ein DNA-Abgleich mit Nachfahren des Verdächtigen erfolgt. Das Ergebnis der Analyse ist unter Experten jedoch sehr umstritten.
- Michael Ostrog war ein russischer Arzt und Sträfling, der aufgrund seiner anatomischen Kenntnisse und gewalttätigen Ausbrüche verdächtigt wurde. Er wurde mehrere Male wegen versuchten Totschlags in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.
- Der irische Quacksalber Francis Tumblety gilt in Insider-Kreisen als einer der „most likely suspects“. Verdächtig macht ihn vor allem, dass er sich fast ausschließlich zur Zeit der Ripper-Morde in London aufhielt und im November 1888 nach einer kurzen Gefängnisstrafe wegen obszönen Verhaltens in die USA floh. Tumblety wurde auch vom leitenden Inspektor John George Littlechild als Täter „favorisiert“.
- Auf der umfangreichsten Jack The Ripper-Seite im Internet (www.casebook.org) gilt wiederum James Maybrick aus Liverpool als wahrscheinlichster Täter. Sein Name tauchte erstmals im Jahr 1993 mit einem vermeintlichen Tagebuch-Geständnis auf. Mittlerweile gehen Experten allerdings davon aus, dass das Schriftstück eine moderne Fälschung ist.
- Eine andere populäre These, die erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufgestellt wurde, ist, dass es sich bei dem Täter um den deutschsprachigen Maler Walter Sickert gehandelt habe. Im Jahr 2002 veröffentlichte die bekannte US-amerikanische Krimiautorin Patricia Cornwell ein umfangreiches Buch, in dem sie anhand von Sickerts Bildern nachzuweisen versucht, dass er Jack The Ripper gewesen sei.
- Außerdem wurden immer wieder Spekulationen laut, der australische Serienmörder Frederick Bailey Deeming sei für die Whitechapel-Morde verantwortlich. Fakt ist, dass er in seiner Heimat insgesamt sechs Menschen (darunter vier Kinder) ermordet hat und sich offensichtlich im Herbst 1888 tatsächlich in London aufhielt.
Auch über die Anzahl der Opfer herrscht keine Einigkeit. Während viele Experten von fünf Opfern (die „kanonischen Fünf“) ausgehen, gehen andere Theorien von bis zu elf Morden aus.
Vermächtnis
Die Einflüsse der Jack The Ripper-Morde auf die Populärkultur sind so zahlreich, dass eine vollständige Auflistung nahezu unmöglich ist. Im cineastischen Bereich sind wohl vor allem die Filme „Sherlock Holmes‘ größter Fall“ (1965), „Mord an der Themse“ (1979) oder „From Hell“ (2001) mit Johnny Depp zu nennen. Hinzu kommen mehrere äußerst populäre TV-Serien wie „Jack The Ripper – Das Ungeheuer von London“ (Golden Globe-Gerwinner 1988), „Whitechapel“ (seit 2009 ausgestrahlt) und „Ripper Street“ (seit 2012 ausgestrahlt).
Bekannte Bands wie Die Ärzte, Motörhead oder Judas Priest griffen die Thematik in Songs auf.
Außerdem gilt die sogenannte „Ripperologie“ mittlerweile als eigener Zweig in der Kriminalforschung.