Kubikov: Das Scheitern als Künstler
Wie alle mittelprächtig verkrachten Existenzen, die insgeheim auf bleibenden Nachruhm spekulieren, brütet Kubikov seit Jahren über einem monumentalen Romanwerk, was er zwar nie offen zugeben, aber auch nicht glattweg leugnen würde. Stillen Bewunderern zufolge handelt es sich um eine fulminante Paraphrase von Musils "Mann ohne Eigenschaften“ (nur deutlich länger).
Andere wiederum tippen auf einen nicht minder ambitionierten, wenn auch formal zeitgemäßeren Science-Fiction-Schocker, der hauptsächlich aus Tweets und obszönen Emojis besteht. Ich habe eine ganz andere Theorie: Kubikov ist über den ersten Satz bis heute nicht hinausgekommen. Er lautet: "Es reicht.“ Da damit nahezu alles und zugleich überhaupt nichts ausgedrückt wird, gestaltet sich jede Fortsetzung denkbar schwierig. Ich beschließe, der Sache endgültig auf den Grund zu gehen, und sage kurz vor dem dritten Wermut unvermittelt: Es reicht. - Kubikov zuckt zusammen: Woher hast du das gewusst? - Ich schaue ihn gespielt verdutzt, aber vielsagend an. - Woher hast du das gewusst?, wiederholt Kubikov mit erkennbarem Unbehagen: Ich habe noch nie mit irgendjemandem darüber gesprochen. - Wir sind offenbar gerade an einem höchst neuralgischen Punkt unserer Freundschaft angelangt.
Kubikov muss den Offenbarungseid leisten und sich entweder zu seinem virulenten Alkoholismus oder, viel einschneidender, seinem Scheitern als Künstler bekennen. Der existenzielle Leidensdruck steht ihm ins Gesicht geschrieben. Minuten vergehen. Es reicht, sagt Kubikov schließlich - und bestellt noch einen Wermut.