Linzer Herrschaftsansprüche im Alleingang
Von Gerald Gossmann
In der Theorie liest sich der neue Weg des LASK wunderbar. Kurz aber roch es nach einem Super-GAU. Als die Entlassung des Erfolgstrainers Valerien Ismael in Journalistenkreisen kursierte und der Abgang des Kreativchefs Jürgen Werner aus dem Ismael-Umfeld lanciert wurde (was sich kurz darauf als haltlos herausstellte), schien der Verein nach den verbotenen Trainingseinheiten, den erhaltenen Strafpunkten, dem öffentlichen Hickhack und dem Absturz auf Platz vier endgültig zu kollabieren. Der LASK, das Erfolgsteam des Jahres, war schnurstracks auf Selbstzerstörungstrip.
Der neue Weg aber klingt nicht nach einer Kurzschlusshandlung aufgrund von Männer-Zickereien und testosterongeladenen Machtspielchen. Er wirkt durchdacht und macht die Linzer Herrschaftsansprüche nach dem zuletzt selbstverschuldeten Absturz deutlich. Der Hintergrund: Schon kurz nach Ismaels Amtsantritt war aus Spielerkreisen zu hören, dass der neue Trainer kein Taktik-Genie sei. Es wird gemunkelt: Ein Gros der strategischen Trainingsarbeit soll der Co-Trainer erledigt haben. In diese Richtung argumentierte nun auch Jürgen Werner. Man habe Spieler und Vereinsmitarbeiter um deren Meinung gebeten. Das Fazit: Ismael muss gehen. Mit Dominik Thalhammer kommt ein Trainer und Sportdirektor, der bewiesen hat, dass er zu schlauen Gedanken fähig ist und diese auch umsetzen kann. Thalhammer war der Erfolgstrainer hinter dem Aufschwung des österreichischen Frauenfußballs, das taktisch oft ausgereifter auftrat als die mit Stars gespickten Männerteams. Thalhammer beherrscht die LASK-DNA – Tempofußball, wildes attackieren, den Gegner übers Feld jagen. Er weiß aber auch um die Bedeutung von systemrelevanten Adaptierungen einer erfolgreichen Philosophie.
Thalhammer, so der LASK-Plan, soll künftig als Cheftrainer und Sportdirektor agieren, unter ihm jeweilige Spartencoaches für Offensive und Defensive. Der Plan ist für österreichische Verhältnisse beachtlich. Jedenfalls in der Theorie. Thalhammer muss freilich erst beweisen, dass er seine flotten Ideen auch bei Männerteams und bei einem Bundesliga-Spitzenteam implementieren kann.
Wer mit Jürgen Werner spricht bemerkt, dass den Mann Visionen umtreiben. Der LASK bezieht seine Stärke nicht aus der Qualität der Einzelspieler, sondern aus einem Konzept, das erst dann funktioniert, wenn es jeder verinnerlicht hat. Deshalb reagierte der Verein auch panisch als die Corona-Maßnahmen Mannschaftstrainingseinheiten untersagten. Der LASK lebt von einem klaren Plan in Trainingssteuerung, medizinischer Betreuung, taktischer Herangehensweise. Dieser Klub-DNA wird alles unterworfen. Sogar unerlaubt abgehaltene Trainingseinheiten. Sogar der Rauswurf des Erfolgstrainers. Thalhammer soll nun gemeinsam mit Werner das Konzept des LASK schärfen – in zwei Jahren will man bereits in einer tollen, neuen Arena groß aufspielen.
Dem LASK bleiben aber auch große Probleme. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass die Alleinherrschaft von Präsident Siegmund Gruber und seinem Vize Jürgen Werner schnell zu apokalyptischen Szenarien führen kann. Die Außendarstellung des polternden Steuerberaters Gruber gepaart mit unsportlichen Delikten im Trainingsbetrieb führte in Windeseile zu einem gewaltigen Imageverlust des Vereins. Selbst Sympathisanten schüttelten ob des selbstherrlichen Treibens und der bewusst gesetzten Regelverstöße den Kopf. Gruber und Werner sahen ihre Alleinherrschaft als Erfolgsmerkmal. Gerne wurden die Wiener Vereine als Antithese bezeichnet, die mit ihren aufgeblähten Strukturen, Aufsichtsräten, Präsidien und Verwaltungsräten nur schwer schnelle Entscheidungen treffen könnten. Gruber und Werner inszenieren sich gerne als Macher, die sie auch sind. Die beiden führten den Verein innerhalb weniger Jahre aus der Regional- in die Bundesliga. Vergessen darf dabei nicht werden: Die Überinterpretation ihrer Rolle gepaart aus Ambition und Arroganz führte zuletzt zu gewaltigem Ungemach.
Alleinherrschaften im Fußballgeschäft sind nichts Ungewöhnliches. Hannes Kartnig mag das wohl plakativste Beispiel der jüngeren Vergangenheit sein. Der als „Zar Hannes“ bezeichnete Polterer führte Sturm Graz zu den größten Erfolgen der Vereinsgeschichte, zerstörte sein Werk aber wenig später im Selbstherrlichkeitswahn. Heute werden vor allem kleine Bundesligavereine von Dorfkaisern regiert. Wolfsberg, Mattersburg, Grödig – die Liste war und ist lang.
Aktuell zeigt das Beispiel des SV Mattersburg und dem dortigen Großherrn Martin Pucher wo die Gefahren liegen. Der Bundesligist Mattersburg war das Werk und Spielzeug von Pucher, dessen Commerzialbank Bilanzen frisiert haben soll, geschlossen wurde und nun auch den Fußballverein ins Chaos stürzt. Abseits aller strafrechtlichen Delikte zeigt das Beispiel Mattersburg, dass Alleinherrscher zwar Erfolge bringen, aber diese auch allzu oft wieder nehmen: Wenn Fußballvereine sich auf eine Person reduzieren, ist das Risiko der ansatzlosen Apokalypse naturgemäß höher.
Auch dem LASK hätten zuletzt Kontrollinstanzen und mehr Einbindung zusätzlicher (qualifizierter) Entscheidungsträger gut getan. Denn: So schnell wie der (in der Theorie jedenfalls sinnvolle) Trainerwechsel zuletzt durchgepeitscht werden konnte, so schnell wurde der Verein vor wenigen Wochen widerspruchslos und im Alleingang gegen die Wand gefahren.