20 Jahre Maschek: Ein Glücksfall für Österreich
Am Anfang war das Wort, und das Wort hatte Wolfgang Schüssel. Die Erde war wüst und wirr, Finsternis lag über Wien. Österreich hatte einen neuen Nationalrat gewählt.
Freiheitliche: plus fünf Prozentpunkte, zweitstärkste Partei.
Schüssel (minus 1,38 Prozentpunkte, Drittstärkster) überlegte im ORF, wie man Kärnten von Österreich abspalten könnte. Michael Häupl mahnte zur Besonnenheit und forderte eine Debatte über die Getränkebegleitung des weiteren Abends. Sonntag, der 3. Oktober 1999: Tag der ersten öffentlichen Erscheinung von Maschek (wie wir sie kennen).
Das Wort war Faschiertes geworden.
Denn in Wahrheit sprachen Schüssel, Häupl (und ihre Kollegen Klima, Haider, Van der Bellen, Schmidt) natürlich von ganz anderen, gewichtigeren Dingen, bedankten sich bei ihren Wählern, gelobten Demut oder Besserung sowie eine rasche Regierungsbildung. Im „Soft Egg Café“, damals Sonntagabendinstanz der Wiener Subkulturdiskothek Flex, war davon nichts zu hören. Drei Männer Ende 20 hatten sich spontan ans Mikrofon begeben und vertonten die trostlosen ORF-Bilder neu. Ein Spalt tat sich auf zwischen Wahrheit und Wirklichkeit. Und es ward lustig.
Die drei Männer nannten sich maschek. Klein und mit Punkt. Sie waren bis dahin mit absurden Diavorträgen, provokant langweiligen Lesungen und Heinz-Conrads-artigen Showeinlagen in Erscheinung getreten. Außerdem betrieb man eine Sendung auf Radio Orange sowie im Internet die „Maschekseite“. Dazu kam an jenem Sonntagabend im Herbst 1999 die improvisierte Live-Synchronisation von Fernsehbildern, das „Darüberreden“, vulgo maschek.caráoque. Ihre Methode hat sich seither nur dezent verändert, ihre Bedeutung vervielfacht. Heute darf man Peter Hörmanseder, Ulrich Salamun und Robert Stachel, die inzwischen auch die interpunktionslose Großschreibung durchgehen lassen, zu den eminenten politischen Satirikern des Landes zählen. Ohne Maschek würden sehr viele Österreicher die Welt mit anderen Augen sehen.
Demnächst feiern Maschek mit einer Best-of-Show und einer prächtigen Anthologie* ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum. Ihr erster gemeinsamer Auftritt fand im Dezember 1998 im Wiener Liebhabereienlokal Hobbythek statt, erste Veröffentlichungen sind schon von 1996 dokumentiert. Was seither geschah, in Zahlen: 7 Bundeskanzler, 3 Bundespräsidenten, 6 ÖVP-Chefs, 3 Päpste, 1 ÖSV-Chef.
Hörmanseder, Stachel und der seit 2014 nur noch sporadische Maschek Salamun machen eine andere Welt nicht nur möglich, sondern greifbar – eine, in der sich das Drama der täglichen TV-Nachrichten als nur eine von mehreren Möglichkeiten erweist. Andere Möglichkeiten wären, zum Beispiel: das Drama als Seifenoper zu verstehen, als Betriebs- ausflug, Puppentheater, Familientherapie. Oder eben: als den ganz banalen Alltag ganz normaler Menschen. Auch Nationalräte haben Gefühle und Handys, die zur falschen Zeit klingeln.
Was Maschek machen – in ihren Bühnenprogrammen, Jahresrückblickshows und Puppentheatervorstellungen, vor allem aber in den Videos, die sie seit 2005 im ORF synchronisieren (zunächst in „Dorfers Donnerstalk“, seit 2011 im Rahmen von „Willkommen Österreich“) –, hat nichts mit dem üblichen, ostentativ „bissigen“ Politkabarett zu tun.
Maschek kippen, auch wenn ihre kritische Haltung etwa zu Kanzler Kurz kein großes Geheimnis darstellt, nie in aggressiven, denunziatorischen Spott. Maschek mögen die Menschen: die, die ihre Programme sehen, aber auch die, die in ihnen zu sehen sind. Peter Hörmanseder, Strache-Sprecher: „Ich höre von vielen Leuten, dass sie meinen Strache total lieben, auch wenn oder gerade weil man ihn mittlerweile kaum noch versteht. Und ich muss gestehen: Auch für mich ist Strache eine Lieblingsfigur. Weil ich das Tragische an ihm so gern mag, das im Moment leider das Tragische für uns alle ist. Worüber man sich sonst ärgert, wovor man teilweise auch Angst hat, daraus zeugen wir teils durch völlige Vertrottelung, teils durch hanebüchene Fortschreibung des für unmöglich Gehaltenen einen bitteren Humor. Die Wut und die Sorge bleibt impliziert, aber das Angebot ist ein Peter-Alexander-mäßiges ‚Komm, lach doch deine Sorgen weg!‘“ Ulrich Salamun, ehemaliger Strache-Sprecher: „Das Fehlen von Zynismus ist ein wichtiger Faktor. Die Kunst besteht darin, die Wut ohne Zynismus zum Ausdruck zu bringen. Dann wird es heilsam.“
Maschek machen, auch wenn es deppert klingt, politische Kunst. Sie schöpfen dabei aus anderen Quellen als die Kommentarkabarettisten, die mit giftigen Pointen aus der Distanz schießen, oder jene Komödianten, die sich als Sprachrohre des kleinen Mannes gerieren. Maschek unterstellen „denen da oben“ zwar auch immer wieder gewisse Fehlleistungen, gehen mit ihrem Material aber auf Tuchfühlung. Es ist ein Anschmiegen, kein Auslachen der Figuren, die da durch die große, weite Welt oder den Parlamentsklub der Liste Pilz tapsen und oft selbst nicht fassen können, was das Leben ihnen serviert. Dabei entstehen Risse im Gewebe, durch die ein erhellendes Licht dringen kann. Und falls gerade keine Sonne scheint, bleibt immer noch Bubenhumor. Frauen: hysterische Stimmen. Männer: rauschig.
Pointe: sicher. Zwischen Poststrukturalismus und Zote passt bei Maschek manchmal kein Freud’scher Versprecher. Das ist bisweilen herrlich gaga, manchmal einfach nur herrlich, etwa wenn Talkmaster Helmut Zilk selig die Kessler-Zwillinge einlädt, sich aber vor lauter Tabletten eine doppelte Dagi deliriert, oder wenn „Barbara Karlich“ (eigtl.: Frauke Ludowig) in L.A. über Arnold Schwarzeneggers mutmaßlich vorbildhaftes Frauenbild recherchiert und dabei erfahren muss, warum der Boden unter dessen Schreibtischsessel so gut gepolstert ist: „Damit’s beim Knian ned so drougt.“
Maschek entlarven die Welt als Potpourri aus Kunstfiguren. Jeder spielt eine Rolle, mal mehr, mal weniger selbstbewusst. Woher weiß George Bush eigentlich, dass er sich beim G8-Treffen in Heiligendamm befindet und nicht etwa in der Kulisse einer Realityshow mit Vera Russwurm? Die Entrücktheit vieler Maschek-Konstruktionen verstellt aber nie den Blick aufs Wichtige und Wesentliche. Wenn sie in „Die Abschiebung von Fu Long“ die Geschichte der Arigona Zogaj mit jener eines bekannten Schönbrunner Pandabären kurzschließen, tut das nicht nur vom Lachen weh. Und wenn sie in ihrem Programm „Bye Bye Österreich“ im Jahr 2014 den damaligen Außenminister und dessen Kollegen aus dem Verteidigungsressort von der Gründung eines „Klug-Kurz-Klans“ träumen lassen, kann man das ruhig als politische Hellsichtigkeit bezeichnen.
Dass Maschek die Entwicklungen der vergangenen drei, vier Jahre, in denen die Welt den Kontakt zu einer allgemein verbindlichen Wahrheit verloren hat, um mehr als ein Jahrzehnt vorweggenommen haben, darf man ihnen nicht anlasten. Die Welt nähert sich Maschek an, aber sicher nicht Maschek zuliebe. Hörmanseder: „Das ist das Schlimme: Dass einen gewisse Dinge, wenn man sich nur lange genug mit ihnen beschäftigt, zwangsläufig einholen. George Orwells ‚1984‘ muss eintreten. Es wird exakt so sein. Deshalb funktioniert unsere Satire auch – weil man zurecht Angst vor dem erfundenen Irrsinn hat.“ Stachel: „Die Satire ist, verkürzt definiert, das Gegenteil von Wahrheit. Aber sie hat doch auch eine eingebaute Wahrheit. Deshalb müssen wir sehr genau arbeiten. Ich muss sehr präzise eine Spur legen hin zu meiner intendierten Aussage. Ich will, dass du über das und genau das nachdenkst – nachdem du gelacht hast.“
Der Filmtheoretiker (und als Soft-Egg-Cafétier auch Gastgeber der ersten Maschek-Soiréen) Drehli Robnik hat die Maschek-Methode einmal als „Mimesis ans Verblödete“ bezeichnet. Wenn man die Realität so zerdehnt, wie Maschek das tun, wird sie irgendwann durchsichtig. Dann sieht man den Schleim, die Verklemmtheit und das Ressentiment, aus denen sie gebaut ist. Aber wenn Maschek ganz böse sind, verändern sie gar nichts, dann redet Sebastian Kurz wie Sebastian Kurz und Peter Pilz wie Peter Pilz. Die Welt, die wir im Fernsehen erleben, mag flach wirken, aber sie funktioniert immer noch wie ein Kaugummi: Man kann sie aufblasen, bis sie platzt, und meistens bleibt dann irgendwo irgendwas picken.
Maschek haben die Welt in Österreich verändert. Sie haben vorausgesehen, was nicht abzusehen war (zum Beispiel die „Regierung der Publikumslieblinge“, die der selbst ernannte „Großwesir“ Thomas Klestil einst installierte). Sie haben Wolfgang Schüssel über sich selbst lachen lassen (und die Einladung, zu seinem 70. Geburtstag aufzutreten, natürlich ausgeschlagen). Sie haben dem ORF ein neues Selbstverständnis verliehen (das etwa in der politischen Berichterstattung des „Report“ oder den Moderationen von Roman Rafreider deutlich sichtbar wird). Sie haben Werner Faymann erst zu Werner Faymann gemacht und die öffentliche Wahrnehmung von Heinz Fischer definiert.
Maschek machen aber, und das ist vielleicht ihre überragende Leistung, nicht nur das individuelle oder mediale, sondern auch das historische Unbewusste sichtbar. Es schleicht sich in ihren Videos über visuelle Assoziationen oder sprachliche Fehlleistungen an, kommt eben von der Maschekseite. Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten ist seit Sigmund Freud bekannt, bei Maschek heißt einer dieser Witze „Der graue Star“ und geht so: Verschiedene wackelige Siebzigerjahre-Familienfilme, die wohl aus Flohmarktrestbeständen stammen und etwa Geburtstagsfeste, neue Wandverbauten oder Opa beim Baden zeigen, werden von drei älteren Herren in dramatisch steirischem Akzent kommentiert.
Was in der ersten Folge noch eins zu eins dem Bildinhalt folgt („Jou schau, dei Nouchbarin!“), lässt einem ab Folge zwei („Die Wehrmacht“) das Blut gefrieren. Darin erzählen die Kommentatoren zu Bildern vom fröhlichem Zähneputzen, Frühstücken und Biertrinken von früher, von der guten alten Zeit, von Kameradschaft und vom Dienst an der Heimat; Urlaubsbilder werden zu Dokumenten aus dem argentinischen Exil; schließlich („Die Heimkehr“) kehrt man zurück in die österreichische Normalität und fährt mit der FPÖ zum Maiaufmarsch. „Jou mai, schein woars.“ Zu schön, um wahr zu sein – und leider trotzdem wahr.
Das Buch Christopher Wurmdobler, Maschek (Hg.): Maschek. Satire darf al. Czernin Verlag, 304 S., 25 EUR. erscheint am 25. September
Die Show Maschek XX – Zwanzig Jahre Drüberreden. ab 21. September, verschiedene Spielstätten in ganz Österreich, alle Termine unter maschek.org
Infobox
Neun größte Hits aus 20 Jahren – ein völlig subjektives Maschek-Best-of (in chronologischer Reihenfolge).
„Unser schönes Kärnten/Nasa lepa Koroska“ (1998)
Wegweisendes Frühwerk: Diavortrag, dessen Rohmaterial vom Flohmarkt stammt und das in der Nachvertonung zu einem Monument des Bild-Text-Scherenschnitts avanciert: Aus unschuldigen Urlaubs- und Freizeitbildern wird da die offizielle Bewerbung des Landes Kärnten zu den Olympischen Winterspielen 2006. „Warum Kärnten? In keinem Land der Welt vereinen sich Berg und Tal, Alt und Jung, Tier und Mensch so harmonisch und friedlich wie in unserem schönen Kärnten.“
„maschek.in.ruhe: Kanzleirat Dworschak kauft ein“ (1998)
Vom Einbruch der Wirklichkeit in den Alltag: In der ersten Folge der zwölfteiligen „Pensionistensoap“ maschek.in.ruhe erkundet Kanzleirat Ferdinand Dworschak, Jahrgang 1907, das nach dem EU-Beitritt Österreichs deutlich vergrößerte Nahrungsmittelsortiment: „Jedoch hat die versprochene große Markenvielfalt in den Supermärkten Dworschaks Zielsicherheit beim Einkauf von Lebensmitteln dermaßen erschüttert, dass er sich bei der täglichen Wahl eines leicht zuzubereitenden Fertiggerichtes kaum noch zurechtfindet. Zwar prüft er, wie eh und je, Nährinhaltsstoffe und Ablaufdaten der Produkte, doch passieren ihm in letzter Zeit immer wieder kleine Missgeschicke beim Griff nach Konservenfabrikaten mit wohlklingenden Beschriftungen: ‚Herzhafte Stücke mit Huhn und Wild in Gelee‘.“
„Der graue Star II – Die Wehrmacht“ (2000)
Das Grauen: Found Footage von einem Polizeibetriebsausflug sowie diverse private Urlaubsvideos werden zu Erinnerungsbildern einer guten alten Zeit: „Do schau her:‚Lehrobteulung für Wouffenwesen‘“ – „Mein Gott, do siecht ma di jetzt scho, mei, des bist du, göll“ – „Jo, Tagwache wor do.“ – „So ein junger Spund.“ – „Jo, bei der Wehrmoucht.“
„Die 3. Republik“ (2003)
Aus „Dorfers Donnerstalk“: Bundespräsident Thomas Klestil entdeckt durch Zufall, dass „Naschkatze“ Hans Kelsen zwei Seiten der Bundesverfassung mit Marmelade zusammengeklebt hat. Er, Klestil, könne sich laut der verschollenen Passage zum Großwesir aufschwingen und eine „Regierung der Publikumslieblinge“ bilden. Voilà: Hannes Kartnig, stilecht am Roulette-Tisch interviewt, übernimmt trotz seiner Vergangenheit in Karlau („wegen bewaffneter Krida“) das Innen- und Finanzressort, aber „als Unternehmer bist in Österreich sowieso mit einem Fuß im Kriminal“. Andere wichtige Ressorts gehen an Richard Lugner (Außen), DJ Ötzi (Bildung) und, aufgrund einer Scheidungsvereinbarung, den Bridgeklub von Edith Klestil (eigtl.: Elisabeth Gürtler).
„Keine Macht den Drogen“ (2005)
Eine Folge des Fernsehzirkus Habakuk mutiert in der Überredung durch Maschek zum Drogen-Aufklärungsvideo: Clown Habakuk soll, im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleichs, sein junges Publikum vor den Gefahren verschiedener Drogen warnen, was nur zum Teil gelingt, vor allem, weil der Kasperl versehentlich das eigentlich für den Zirkusdirektor bestimmte Kokain erwischt: Krawuzikapuzikrawuzikapuzikrawuzikapuzi! Großer Maschek-Klassiker und erster Millionenhit auf YouTube.
„Politikerwetten“ (2005)
Die neue deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird ihren Vorgänger nicht recht los, bis es ihr gelingt, ihn (auf einem Rat von Maria Rauch-Kallat hin) per Wette nach Österreich abzuschieben (als dessen neuen Kanzler nämlich): „Jetzt heißt es malochen und ran an die Buletten.“ Wolfgang Schüssel gewinnt derweil im Skifahren die Ministerpräsidentschaft von Bayern und stellt sich als waschechter Süddeutscher heraus: „Am Abend setze ich mich genauso gern wie Sie mit einem Glaserl Wein zum Fußballspiel und halte die Daumen für Bayern Leberkusen.“
„Papst Benedikt XVI. in Österreich“ (2007)
Ein früher Höhepunkt der für Maschek so fruchtbaren Faymann-Jahre. Der SPÖ-Vorsitzende führt, an der Hand von Gabi Burgstaller, seine Partei nach deren Verbot durch Wolfgang Schüssel in einen geheimen Stollen, in dem die Genossen die neu installierte Schüssel-Habsburg-Monarchie überdauern sollen. Der spätere Kanzler erweist sich dabei als etwas kindliches, aber umso freundlicheres Gemüt: Grüß Gott!
„Die Präsidentinnen“ (2017)
Aus „Willkommen Österreich“: Maschek auf dem Höhepunkt ihrer Kunst: präzisestes Timing, geschliffenste Übergänge, härteste Gags. Doris Bures übergibt das Amt der Nationalratspräsidentin an Elisabeth Köstlinger, Andreas Khol wird langsam nervös („Man muss ihr sagen, dass sie die Sitzung eröffnen muss!“), HC Strache ist – noch – guter Dinge, und alle spielen ihre Rollen wie wirklich gute Schauspieler.