Die deutsche Künstlerin Svea Mausofl, im Internet als Sveamaus bekannt
Interview

Meme-Influencerin Sveamaus: „Der weiße Boomer ist ein Aggressor”

Mit ihren Memes gewinnt die deutsche Künstlerin Svea Mausolf alias Sveamaus (30) das Internet für sich. Im Interview erzählt sie von Witzen unter der Gürtellinie, ihrem Neid auf die Boomer-Generation und warum sie den Hype um Taylor Swift nicht ganz verstehen kann.

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In Ihren Postings verhandeln Sie Themen wie toxische Männlichkeit, Feminismus und Generationenkonflikte. Warum kann man mit Memes so gut die Gegenwart erklären?
Sveamaus
Memes sind ein großer Gleichmacher – und sie spiegeln den Wunsch, nicht allein zu sein. Deshalb werden die Bilder auf Instagram auch so gerne geteilt und man bekommt ein Gefühl, dass sich andere Menschen auch so fühlen. Vor allem, wenn es um um die Frage geht, wie Frauen behandelt werden, ist es wichtig, Verbündete zu finden.
In Ihren Postings geht es aber nicht nur um Gleichstellung, sondern auch um die Aggressionen, die sich Homosexuelle gefallen lassen müssen. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Sveamaus
Als homosexuelle Person muss ich mich mit homophoben Kommentaren rumschlagen, seit ich denken kann. Viele der Zitate, die ich verwende, habe ich oder schwule Freunde von mir genau so gehört. Für mich ist der weiße heterosexuelle Boomer immer noch ein Aggressor. Denn egal auf welcher sozialen Ebene er steht, er steht immer noch über mir. Einen Fingerzeig auf meinen Unterdrücker finde ich immer gerechtfertigt.

Ein typisches Sveamaus-Posting auf Instagram: „Viele der Zitate, die ich verwende, habe ich oder schwule Freunde von mir genau so gehört.”

Warum emotionalisiert gerade der Konflikt mit der Boomer-Generation so stark?
Sveamaus
Ich bin in gewisser Hinsicht neidisch auf unsere Elterngeneration, die sich wie die Maden im Speck ernährt haben. Wir können uns nicht um zehn Eier und einen Apfel ein Eigenheim kaufen und das Ganze für eine Million weiterverkaufen. Für meine Generation ist es viel schwerer, über die Runden zu kommen. Die ökonomische Schere ist mittlerweile so groß, dass es ein großes Unverständnis auf beiden Seiten gibt. Jede Generation ist mit ihren Problemen sehr für sich und man grenzt sich damit ab. Für viele ist das identitätsstiftend.

Ein klassischer Sveamaus-Witz funktioniert mit einer doppelten Irritation. Zum Beispiel so: Man sieht ein retuschiertes Foto der jungen Angela Merkel in einer Studenten-WG, dazu der Satz: „Ich war ja selber schonmal im Ausland… die sind da auch ganz schön rassistisch, also finde ich” (33.100 Likes). Oder man sieht das Bild eines grinsenden Mannes mit dem Spruch: „Ich habe gerade gelernt wie man Oberflächen abwischt und kann kaum erwarten, es einer Frau zu erklären” (22.000 Likes). 

Ist die Kritik an den Boomern nicht einseitig? Immerhin hat auch die ältere Generation Probleme.
Sveamaus
Ich bin nicht ganz herzlos. Die Probleme von Boomern überfordern mich aber. Welche Probleme könnten das sein? Vielleicht Alkoholsucht, Einsamkeit und allgemeine Verbitterung? Vor allem Männer dieser Generation haben Angst, nicht nur Rechte abzugeben, sondern anderen dieselben Rechte zuzugestehen. Dadurch entsteht eine Aggressivität anderen Menschen gegenüber.

Bei Taylor Swift bin ich auch Boomer. Ich finde es schwierig, dass unter dem Deckmantel des Feminismus jegliche Kritik an ihr abgeschmettert wird.

Der Generationenkonflikt zeigt sich auch bei Popstar Taylor Swift, einem Sprachrohr der jungen Generation, an der sich viele Ältere abarbeiten …
Sveamaus
Bei Taylor Swift bin ich auch Boomer. Ich finde es schwierig, dass unter dem Deckmantel des Feminismus jegliche Kritik an ihr abgeschmettert wird. Sie repräsentiert einen sehr weißen Feminismus, der viele Minderheiten vergisst. Am Ende ist sie immer noch Milliardärin, die einen enormen Carbon-Fußabdruck hinterlässt. Außerdem mag ich ihre Musik einfach nicht.
Welche Antworten finden Sie als Künstlerin auf den erstarkenden Rechtsextremismus, der sich in Europa, aber vor allem auch in Deutschland und Österreich ausbreitet?
Sveamaus
Humor ist eine Waffe – auch wenn es nur dazu dient, Menschen zusammenzuschweißen und in der eigenen Bubble zu bestärken. Dass ich bei jeder Gelegenheit erwähne, dass ich homosexuell bin, dass ich laut bin und noch exkistieren kann und darf, ist meine Form von Aktivismus. Sollten die Faschisten an die Macht kommen, wäre ich von einem Rechtsruck sehr betroffen und es würde mir wohl an den Kragen gehen. Da wird mir angst und bange.
Können Interventionsversuche in rechten Bubbles Sinn machen?
Sveamaus
Durch Algorithmen passiert es eher, dass man Menschen aus rechten Bubbles wieder herausholen muss, weil sie mit Hass überzogen werden. Oft passiert das mit feministischen Accounts, die auf antifeministische Videos reagieren. Ich habe riesigen Respekt vor diesen Menschen, die ihre Arbeit weiterführen. Auf meiner Seite blockiere ich viel und schnell, weil hier noch immer meine Regeln gelten. Mein Account soll ein Safe Space sein.

Studiert hat Svea Mausolf Fotografie (nicht abgeschlossen) an der Kunstuniversität in Essen. Heute lebt die 30-Jährige, die in Frankfurt an der Oder aufgewachsen ist, in Köln. Neben ihren Bühnenprogrammen und Lesungen schreibt sie aktuell als Autorin für die ARD-Comedy-Sendung „Kroymann”. Am 8. und 9. März tritt Sveamaus gemeinsam mit der Wiener Autorin Stefanie Sargnagel und der Comic-Zeichnerin Lina Ehrentraut im Wiener Stadtsaal auf.

Ihre Memes sind auch immer wieder mal unter der Gürtellinie. Wie subversiv muss die Internetkunst sein, um Aufmerksamkeit zu generieren?
Sveamaus
Ich mag es derbe, ich mag es eklig – und mit Schmutz sind wir in unserer Welt ohnehin konfrontiert. Reinwaschen muss ich nichts. Meine Arbeit ist für mich auch eine Gratwanderung, was möglich ist. Der Filmemacher John Waters – der Prince of Puke – ist für mich ein großes Vorbild. In seinen Filmen geht es um Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und Mord, und trotzdem kann das lustig sein. Das ist ein großer Kunstgriff, die Probleme dieser Welt so zu verpacken, dass man darüber lachen kann.
Künstlerin Svea Mausolf alias Sveamaus
Sie verwenden nicht nur Fotos von Politiker:innen wie Angela Merkel oder Markus Söder, sondern auch unvorteilhafte Aufnahmen und Selfies von Durchschnittsmenschen. Bekommen Sie da keine Probleme?
Sveamaus
Ich versuche niemanden zu mobben. Mir macht es unglaublich viel Spaß, auf Pinterest authentische Selfies zu finden, die auch zeigen, dass gute Medienkompetenz noch nicht weit verbreitet ist. Außerdem verwende ich keine Bilder von Menschen aus dem deutschsprachigen Raum. Sollte sich jemand auf den Fotos erkennen, lösche ich das sofort. Für mich sind die Fotos ein Vehikel für den Witz, ein leeres Gefäß, in dem sich viele wiedererkennen können. Ich versuche nicht, die Birgit von nebenan an den Pranger zu stellen.
Ist das eine Form von Sozialporno?
Sveamaus
Für mich sind das kleine soziale Studien. Ich bin die Letzte, die sagt, dass diese Person hässlich ist. Mir geht es um ein authentisches Abbild der Gesellschaft. Ich liebe die Personen, die ich herzeige und bin ihnen unfassbar dankbar, dass sie mir einen Einblick in ihr Leben geben. Entlarvend ist es eher, was die Rezipienten in diese Bilder hineinlesen.

Das Medium Meme auf die Bühne zu bringen, ist für Sweamaus derweil noch eine Herausforderung. Bei ihren Lesungen, die sie am 18. Mai gemeinsam mit ihrem Kollegen Julius Vapiano nach Wien führen wird, geht es vor allem um ihre Jobs abseits der brotlosen Kunst. Programmatischer Titel: „Ja Chef, bin dran!“. Es geht um Candy-Crush-spielen auf der Bürotoilette, ums Beklauen des Arbeitgebers und ob es sich lohnt, jeden Tag aufzustehen. Ihre Meme-Bilder werden Teil davon sein.

Ein anderes beliebtes Sujet sind verstaubte und biedere Interiors. Machen Sie sich darüber lustig?
Sveamaus
Für mich ist das ein Blick in die Mitte der Gesellschaft. Über Armut will ich mich nicht lustig machen. Ich bekomme immer wieder zu hören, ich würde mit meiner Arbeit nach unten treten. Ganz verstehen kann ich diese Anschuldigung nicht. Ich bin selbst so aufgewachsen und diese Einrichtungen sind in meinen Augen auch nicht billig gewesen. Meine Bilder kommen so gut an, weil sich viele Menschen darin wiedererkennen.
Mit Ihren Memes arbeiten Sie sich auch am Kunstbetrieb ab.
Sveamaus
Der konventionelle Kunstbetrieb, vor allem in der bildenden Kunst, ist ziemlich elitär und klassistisch – das hat mich irgendwann nur noch genervt. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen den Künstler:innen, die nebenbei arbeiten müssen und denen, die sich rein auf die Kunst konzentrieren können. Ich bin immer hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, reich aufgewachsen zu sein oder doch lieber die Rolle des Underdogs zu spielen.
Auch Ihre Wiener Kollegin Stefanie Sargnagel hat im Callcenter zu schreiben begonnen. Sie selbst haben als Kassiererin gearbeitet und bearbeiten heute in Ihrem Brotjob Fotos nach.
Sveamaus
Während meines Kunststudiums wurde ich gefragt, warum ich arbeiten gehe – oder ob ich es nur wegen der Struktur mache? Natürlich macht es etwas mit Kreativität, wenn man sich nicht zu 100 Prozent auf die Kunst konzentrieren kann. Ich merke aber gerade einen Shift, dass ich langsam Jobs bekomme, die ich auch machen will.
Heute folgen Ihnen auf Instagram über 185.000 Follower:innen. Wie kalkuliert gehen Sie bei der Themenauswahl vor?
Sveamaus
Einen Posting-Plan hab ich nicht. Ich gehe nicht nach Kalkül, sondern nach Gefühl vor. Die Memes sind auch immer frisch und ich versuche auch Männern hin und wieder eine Verschnaufpause zu geben oder poste nicht zu oft Bilder von Angela Merkel.
Sind Sie mit steigender Bekanntheit auch milder geworden?
Sveamaus
Um nochmal auf Taylor Swift zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass ich die nächste Bundestagswahl beeinflussen könnte. Dennoch bin ich mir meiner Verantwortung als Influencerin durchaus bewusst. Außerdem habe ich ständig Angst, dass ich meinen Account verliere, weil ich etwas poste, dass dem Meta-Konzern nicht passt. Dann habe ich nichts mehr. Für mich ist das ein sehr flüchtiges Glück.
Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.