Politik

Drexler, Schröder und andere schlechte Verlierer

Stilvoll Verlieren ist eine schwierige Übung, wie der steirische Noch-Landeshauptmann Christopher Drexler nach seiner Wahlschlappe demonstrierte. Und eine Männerdomäne, wie Angela Merkel überzeugt ist.

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Mit großem Getöse wurden vergangene Woche die Memoiren der 16 Jahre amtierenden deutschen Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Öffentlichkeit gehoben. Wenigen Highbrow-Medien war dazu begleitend ein Interview mit jener Frau vergönnt, die in ihrer Selbstinszenierung ihre Emotionen stets auf konstanter Bluttemperatur zu halten vermochte und das Adjektiv „besonnen“ wieder zu einer politischen Tugend machte.Sowohl in der „New York Times“ als auch im deutschen „Spiegel“ kommentierte Merkel den Kollaps der deutschen Ampel-Regierung mit dem für sie ungewöhnlich emotional hochtourigen Ausruf: „Männer!“ Daran musste man zwangsweise denken, als der große Wahlverlierer des vergangenen Sonntags in der Steiermark vor die Mikrofone trat und nicht nur die Pfui-Wörter politischer Beschwichtigungs- oder Rechtfertigungskosmetik wie „Niederlage“, „Fehler bei uns suchen“, „Mitschuld“ oder „auf die eigene Kappe nehmen“ tunlichst vermied, nein, viel mehr noch: Der steirische Noch-Landeshauptmann Christopher Drexler nutzte die Gelegenheit für ein Vollbad im Selbstmitleid, indem er die Ursachen für das Stimmendesaster kurzum nach Wien verlagerte. Er sei „ein Bauernopfer der Republik“, erklärte er im Brustton der Überzeugung, denn „die Bundespolitik“ habe sich bei dieser Wahl „durchgeschlagen wie noch nie“. 

Ironisch-weinerlich fügte er hinzu: „Insofern ein großes Danke an Wien“, denn durch die Entscheidung von Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, nicht Wahlsieger Herbert Kickl mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen, sondern Kanzler Karl Nehammer, habe sich großer Unmut in der Bevölkerung breitgemacht, für dessen Auswirkungen er, Drexler, jetzt herhalten müsse. Dass diese Rechtfertigung auch als Rüge an seinen Parteichef interpretiert werden könnte, ging in den Rezeptionswellen bezüglich des Opfer-Narrativs eigentlich unter. Denn später führte Drexler nicht nur den Bundespräsidenten ins Treffen für den Erdrutsch in die falsche Richtung, sondern: Auch „die Art, wie diese Regierungsverhandlungen begonnen haben, war für uns definitiv kein Rückenwind“.

Es ist ein anerkanntes wissenschaftliches Faktum,dass Menschen mit narzisstischen Anteilen (und natürlich finden sich solche gehäuft in den unterschiedlichsten Dosierungen auf den Bühnender Öffentlichkeit) besonders schlecht mit Kränkungen, Zurückweisungen und Kritik umgehen können und sich gerne als Opfer äußerer Umstände gerieren, anstelle mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Diese Verhaltensmodi sind natürlich nicht nur auf die Arbeitswelt, sondern auch im Umgang im privaten Beziehungsleben zu beobachten. In besonders radikalen Auswüchsen kann das zu insistierenden Formen der Realitätsverweigerung führen. 

Ihre Begegnung mit dem SPD-Wahlverlierer Gerhard Schröder nach Merkels hauchdünnem, aber dennoch unleugbarem Sieg in der klassischen TV-Elefantenrunde am Abend der Bundestagswahl im Dezember 2005 dürfte bis heute auf die deutsche Alt-Kanzlerin eine traumatisierende Wirkung haben. Damals negierte Schröder Merkels mögliche Kanzlerschaft in selbstherrlicher Dreistigkeit mit dem legendären Satz, da „müsse man die Kirche doch erst mal im Dorf lassen“. Und erklärte, ohne den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen, dass er „Verhandlungen führen werde“.In ihren Memoiren „Freiheit“ beschreibt sie die Begegnung mit Schröder, die die deutsche Paradefeministin Alice Schwarzer in einem damaligen profil-Interview als „wildes Macho-Gegröhle“ bezeichnet hatte, nahezu 20 Jahre später so: „Ich selbst saß da, als wäre ich nicht Teil des Ganzen, sondern als schaute ich mir zu Hause vor dem Fernseher die Szene an. Immer wieder sagte ich mir, begib dich nicht mit den anderen in den Clinch, sonst fängst du auch noch an, dich im Ton zu vergreifen. (…) Ich zweifle sehr, ob Gerhard Schröder einem Mann gegenüber auch so aufgetreten wäre.“

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort