#MeToo: Und jetzt?

Unter dem Hashtag #MeToo machten in den vergangenen Wochen Tausende Frauen in den sozialen Medien auf ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Gewalt aufmerksam. Die Aktion schockiert und rüttelt auf. Was sich jetzt unbedingt ändern muss. Vier Stimmen.

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"Die Geschlechter sollten sich frei von Stereotypen entfalten können"

Ursula Kussyk, Diplomierte Sozialarbeiterin beim Verein "Notruf. Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen":

"Ich habe die Aktion #MeToo als sehr positiv erlebt. Es ist wichtig, dass Opfer sexueller Gewalt damit nicht allein bleiben und sich dafür schämen, sondern den Mut finden, sich zusammenzutun. Trotzdem birgt so ein 'Outing' auch Risiken. Nennt man den Täter, kann man mit Anzeigen wegen Verleumdung konfrontiert werden und das ist heikel. Man sollte sich vorher gut beraten lassen.

Allen Tätern sollte klar werden, dass sexuelle Übergriffe ein Zeichen von Schwäche sind

In Zukunft sollten wir als Gesellschaft noch mehr jene Initiativen unterstützen, die dafür eintreten, dass die Geschlechter sich frei von den Stereotypen und Klischees entwickeln können, mit denen wir trotz der Erfolge der Frauenbewegung immer noch konfrontiert sind. Denn der Sexismus, der daraus entsteht, ist meiner Meinung nach die Ursache für solche Übergriffe. Allen Tätern sollte klar werden, dass sexuelle Übergriffe immer ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke sind."

"Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln"

Paul Scheibelhofer, Sozialwissenschaftler und Geschlechterforscher am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck, publiziert unter anderem zu den Themen kritische Männlichkeitsforschung und Sexualpädagogik:

"Ich war betroffen, als meine Facebook-Timeline von den #MeToo-Berichten gefüllt wurde. Obwohl man weiß, dass es diese Realität gibt, hat diese Aktion sie noch einmal anders sichtbar gemacht. Was mir dabei durch den Kopf ging: Wieder einmal müssen Frauen Missbrauch thematisieren, obwohl es als Betroffene nicht ihr Job wäre. Denn Missbrauch an Frauen ist kein 'Frauenproblem', sondern ein 'Männerproblem'. Das führt mich zur Frage, was jetzt getan werden kann: Man sollte aufhören Jungs ein Bild von Sexualität zu vermitteln, in dem sie diejenigen sind, die sich 'holen, was ihnen zusteht' und es dabei ihre Rolle ist, Mädchen zu überreden, auszutricksen oder gar zu nötigen. Hier ist es wichtig auch kritisch mit ihnen über jene weitverbreiteten Vorstellungen und medialen Darstellungen zu reden, in denen solche Bilder von Männlichkeit verbreitet werden. Schulen können hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie einerseits lehren, dass es bei Sexualität um Lust und Konsens geht und nicht um Macht und Gewalt. Andererseits sollen Schulen diese Inhalte nicht nur vermitteln, sondern auch sicherstellen, dass sie tatsächlich Orte sind, wo solchen Übergriffen klar entgegengetreten wird.

Es passiert überall dort, wo Macht und Abhängigkeit groß sind

Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln, eine klare öffentliche Haltung. Denn das was da passiert, passiert nicht am Rande der Gesellschaft. Es passiert überall dort, wo Macht und Abhängigkeit groß sind. Männer haben hier eine wichtige Rolle, um Wegschauen unmöglich zu machen: Sich zu Wort zu melden, gegen solche Handlungen im Umfeld, denn das kann nicht der Job der Betroffenen sein. Ob am Schulhof oder in der Firma, auch wenn man dadurch vielleicht Verluste erleidet und nicht mehr 'one of the boys' ist. Frauen haben wiederholt Mut bewiesen, Gewaltrealitäten öffentlich zu thematisieren. Diesen Mut braucht es auch vonseiten der Männer."

#MeToo: Frauen brechen ihr Schweigen

"JuristInnen und RichterInnen müssen sensibilisiert werden"

Maria Sagmeister, Juristin und Universitätsassistentin am Institut für Rechtsphilosophie der Universität Wien, forscht unter anderem im Bereich Legal Gender Studies und zu sexualisierter Gewalt:

"Ich halte die Aktion #MeToo für gut und wichtig. Auch wenn es nichts Neues ist, dass es diese Übergriffe gibt, wird dadurch noch einmal sehr klar gemacht, dass es sich nicht Einzelfälle handelt, sondern eine Struktur dahintersteckt, die auch vor Hollywood nicht haltmacht, die aber auch veränderbar ist.

Viele wissen nicht, was strafbar ist

Rechtlich hat sich zum Thema der sexuellen Belästigung in Österreich in den letzten Jahren viel getan. 2015 gab es eine Reform des Strafrechts, Stichwort 'Pograpsch-Paragraf'. Die Diskussion darüber hat zwar wiedermal gezeigt, dass es bei diesem Thema wenig Unrechtsbewusstsein gibt, der Paragraf kam aber trotzdem und nun fallen auch Körperteile wie Oberschenkel und Po unter den Tatbestand. In der Arbeitswelt ist der Schutz noch besser, hier können auch verbale Übergriffe eine Belästigung darstellen. Die Durchsetzung ist aber immer noch eine Herausforderung. Es ist oft schwierig für Betroffene, Klage zu erheben. Viele wissen auch einfach nicht, was strafbar ist und sind unsicher, ob das Verhalten, das ihnen widerfährt, eine sexuelle Belästigung ist. Oft steht es vor Gericht dann Aussage gegen Aussage. JuristInnen und RichterInnen müssen hier sensibilisiert werden, leider kommt das Thema in der Ausbildung noch zu wenig vor."

"Frauen müssen Anlaufstellen haben"

Sandra Konstatzky, Gleichbehandlungsanwältin der Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich:

"Es ist sehr wichtig, dass die Medien sich jetzt dem Thema widmen – nicht populistisch, sondern adäquat – damit Frauen sich vermehrt trauen, aufzustehen. Die Strafrechtsnovelle 2015 und die Diskussion darüber waren wichtig, auch für die Aufmerksamkeit dem Thema gegenüber. Nun sollten wir die Anwendung des Gesetzes evaluieren. Wird tatsächlich verurteilt? Wie viele Anzeigen werden zurückgezogen?

Unser Klientinnen werden immer öfter eingeschüchtert

Uns als Beratungsstelle ist es natürlich auch wichtig, dass Beratungseinrichtungen für Schutz gegen (sexuelle) Gewalt und Frauenhäuser abgesichert sind. Frauen müssen Anlaufstellen haben, um sich über gesetzliche Rahmenbedingungen zu informieren, und um für die Rechtsdurchsetzung Unterstützung zu haben. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kann Frauen beraten und unterstützen, wenn sie sexuelle Belästigung im Arbeitsleben oder beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen erfahren, sei es zum Beispiel von einem Fahrlehrer oder einem Zugbegleiter. Wenn es nicht strafrechtlich relevant ist, sondern es sich zum Beispiel um verbale Übergriffe handelt, zieht das einen Anspruch auf Schadenersatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz nach sich. Wir verhandeln diese Fälle vor der Gleichberechtigungskommission und versuchen vergleichsweise Lösungen zustande zu bringen. Wir haben keine Möglichkeit, dies vor Gericht durchzusetzen. Unsere Klientinnen werden leider auch immer öfter eingeschüchtert und mit Gegenklagen bedroht (z.B. wegen Verleumdung oder übler Nachrede). Darum wäre für unsere Arbeit ein Klagfonds wichtig, um sie bei der Durchsetzung ihres Rechts zu unterstützen. Ein weiterer positiver Schritt wäre die rechtliche Kompetenz der GAW, die Betroffenen vor Gericht zu vertreten."

Wie kann ich mich wehren ...

... bei sexueller Belästigung oder Gewalt?

Sind Sie von sexualisierter, körperlicher, psychischer Gewalt oder sexueller Belästigung betroffen?

Wenden Sie sich an: eine Vertrauensperson Frauenhäuser, Kinderschutzzentren, Männerberatungsstellen die Frauennotrufe, in Wien 0171719 eine psychotherapeutische Einrichtung einen Arzt oder ein Krankenhaus die Polizei unter 133

Neben geschlechtlichen Handlungen an oder vor einer Person, ist mittlerweile auch die "intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle" als sexuelle Belästigung nach §218 des Strafgesetzbuchs strafbar.

... bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Werden Sie am Arbeitsplatz belästigt, haben Sie Anspruch auf einen angemessenen Schadenersatz in der Mindesthöhe von 1.000 Euro. Der Anspruch besteht gegenüber dem Täter aber auch gegenüber dem Arbeitgeber, wenn dieser es schuldhaft unterlässt, angemessene Abhilfe zu schaffen. Sexuelle Belästigung kann außerdem strafrechtliche Folgen für den Täter haben.

Wenden Sie sich an: Ihren Betriebsrat oder Betriebsarzt Ihre Gewerkschaft oder an die Arbeiterkammer das Arbeits- und Sozialgericht (Beschäftigte in der Privatwirtschaft und Vertragsbedienstete) die zuständige Dienstbehörde (Beamtinnen/Beamte) die Gleichbehandlungsanwaltschaft

... bei sexueller Belästigung während Inanspruchnahme einer Dienstleistung?

Sexuelle Belästigung, während man eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, sei es durch einen Arzt, einen Kellner, einen Handwerker oder einen Fitnesstrainer, zieht – wenn sie nicht strafrechtlich relevant ist – einen Anspruch auf Schadenersatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz nach sich.