"Ukrainerinnen willkommener als Afghanen, das ist rassistisch"

Die SPÖ-Landtagsabgeordnete Mireille Ngosso beklagt die Unterschiede, die zwischen Flüchtenden gemacht werden. Eine Streitschrift.

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von Mireille Ngosso

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine reißen die Schreckensmeldungen nicht ab. Unwahrscheinlich positiv und bewundernswert ist hingegen die Hilfsbereitschaft, die Flüchtenden aus der Ukraine entgegengebracht wird – auch in Österreich. Der Krieg hält uns dabei allerdings auch einen Spiegel vor. Und darin sehen wir nicht nur die selbstlosen Samariter:innen, die Flüchtenden aus der Ukraine helfen. Wir sehen darin auch einen Rassismus, den wir benennen müssen. Und dieser Rassismus unterteilt Menschen in gute und schlechte Menschen auf der Flucht. In hellhäutige und dunkelhäutige. "Es ist sehr emotional für mich, weil ich sehe, wie europäische Menschen mit blauen Augen und blondem Haar jeden Tag ermordet werden", antwortete der frühere ukrainische Generalstaatsanwalt David Sakvarelidze der BBC in einem Interview. Die BBC ließ die Aussage so stehen. An dieses Weltbild denke ich, wenn ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner dazu aufruft, zwischen Ukrainer:innen und unter Flüchtenden aus anderen Ländern zu unterscheiden. Nur unter Syrern und Afghanen "leide" Österreich. Doch: Der russische Präsident Wladimir Putin führt nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Syrien Krieg. An der Seite des Assad-Regimes ist er an grausamen Zerstörungen beteiligt. Menschen aus Syrien und der Ukraine fliehen also vor denselben Bomben. Die Genfer Konvention unterscheidet nicht zwischen Nationalitäten und Hautfarben. Die österreichische Willkommenskultur anscheinend schon. Ukrainerinnen willkommen, Afghanen nicht: Das ist rassistisch.

"Euer Pass ist euer Ticket" heißt bei der ÖBB, für ukrainische Kinder werden eigene Klassen eingerichtet. Ich freue mich darüber. Als Politikerin und Aktivistin, die sich seit über einem Jahrzehnt für Rechte von Geflüchteten einsetzt, ist das dennoch ein Schlag ins Gesicht. Denn mit jeder guten und richtigen Maßnahme schwingt dieses eurozentrische Desinteresse gegenüber Menschen mit, die von außerhalb Europas kommen. Die Willkommenskultur gegenüber Ukrainer:innen zeigt, was alles möglich wäre und was vielen anderen aus ferneren Weltgegenden bisher verwehrt blieb. Diese perfide Konstruktion von "wir" und "die anderen" ist schmerzhaft. Nehmen wir das Thema Mindestsicherung. Seit Kurzem haben auch ukrainische Staatsbürger:innen Anspruch darauf. Kein Problem für die ÖVP. Bei den anderen Flüchtlingen tat sie nach 2015 alles, um die Mindestsicherung zu kürzen. Für Ukrainer:innen gab es von Beginn an eine Express-Arbeitserlaubnis. Die "anderen" hingen in jahrelangen Asylverfahren fest und waren zur Untätigkeit verdammt.

Wenn wir uns all diese Unterschiede vor Augen führen, gibt es keine rechtlichen oder faktischen Gründe dafür. Der einzige Grund, den ich sehe, heißt Rassismus. Ein Rassismus, der es möglich macht, für einen weißen Menschen Empathie zu empfinden und für eine Person of Colour nicht. Ein Rassismus, den wir benennen müssen, weil er auch für Schwarze Menschen und People of Colour hier in Österreich gefährlich ist.

Wen werden wir in Zukunft willkommen heißen? Wir müssen uns diese immer drängendere Frage stellen. Wir müssen aufhören, über Migration zu sprechen, als könne man sie eindämmen oder gar stoppen. Es wird Zeit, uns damit abzufinden, dass Machtgier sowie postkoloniale Ungleichgewichte weiterhin dazu führen werden, dass Menschen aus ihrem Heimatland fliehen müssen. Sie haben unsere Solidarität verdient. Die letzten Monate haben gezeigt, was alles möglich ist im Bereich Fluchthilfe. Deswegen zum Mitschreiben: Krieg ist Krieg. Hunger ist Hunger. Menschen sind Menschen. Und Asyl ist Menschenrecht.

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