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Muss man Arbeitslose durch Kürzungen stärker zur Jobsuche drängen? Nein, sagt Barbara Blaha

Eine Arbeitsmarktreform muss für arbeitslose Menschen und nicht gegen sie sein, fordert die Leiterin des Momentum Instituts.

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Braucht es eine Arbeitsmarktreform? Natürlich. Für arbeitslose Menschen und nicht gegen sie. Deswegen räumen wir zunächst mit der Unterstellung auf, Menschen würden sich vor der Arbeit drücken. Wir wissen dank einer großen SORA-Studie, dass acht von zehn Arbeitslosen so schnell wie möglich wieder arbeiten wollen. Das zeigt sich auch daran, dass die Arbeitslosigkeit stetig sinkt – erstmals seit 2012 liegt die Zahl der Betroffenen wieder unter 300.000.

Dazu kommt: Die Arbeitslosenquote ist massiv verzerrt. In Österreich ist es gängige Praxis, Arbeitslose nach Saisonende beim Arbeitsmarktservice (AMS) zwischenzuparken. Eines von vier Unternehmen bedient sich dieser Praxis, wie eine Auswertung der AMS-Daten zeigt. Ein Achtel der Arbeitslosigkeit geht allein darauf zurück, belegen diese Zahlen. Das kostet die Allgemeinheit über eine halbe Milliarde Euro, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut berechnet hat. Anders gesagt: Wir alle bezahlen die „Hire&Fire“-Praxis, die nebenbei bemerkt für das Personal einen hohen Grad an Unsicherheit bedeutet. Die Betriebe hingegen ersparen sich lästige Sozialabgaben und Steuern in der „toten Zeit“. Solche unsolidarischen Betriebe sollten künftig mehr in den Arbeitslosentopf einzahlen. Das wäre eine längst überfällige Reform. 

Ja, viele Betriebe suchen derzeit Personal. Dennoch ist der Katzenjammer aus Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung über den „Personalmangel“ eine Themenverfehlung. Es gibt nicht zu wenig Arbeitskräfte, sondern zu viele schlecht bezahlte Jobs mit prekären Arbeitsbedingungen. Jene Betriebe, die am lautesten über fehlendes Personal klagen, bieten oft Gehälter an der Unterkante der zulässigen Löhne laut Kollektivvertrag. Auf die naheliegende Idee, die Löhne zu erhöhen, um Mitarbeiter anzulocken, kommen nur wenige – insbesondere in der Gastronomie.

Im Zuge einer Arbeitsmarktreform für – nicht gegen – die Menschen müsste das AMS die Fähigkeiten und Wünsche der Arbeitssuchenden noch stärker berücksichtigen. Substandard-Jobs sollte das AMS erst gar nicht mehr vermitteln dürfen. Dabei helfen könnte ein staatlicher Mindestlohn von mindestens 1900 Euro, um Niedriglohnbranchen endlich aufzuwerten. Das würde den Beschäftigten auch gegen die Teuerung helfen. Denn bei Arbeitslosen schlägt die Teuerung besonders brutal zu, weil die Höhe sich ja vom Letztgehalt bemisst. So kann sich jemand, die oder der zu Beginn der Pandemie arbeitslos wurde, heute bereits um mindestens 14 Prozent weniger leisten, wie eine Berechnung des Momentum Instituts belegt. 

Was vom Arbeitsminister, im AMS, von Wirtschaftslobbyisten diskutiert wird, ist das Gegenteil von alldem: eine Bezugssperre zu Beginn der Arbeitslosigkeit, Einschränkungen des Zuverdiensts bei Langzeitarbeitslosen, ein „degressives“ Arbeitslosengeld, das nach einer Erhöhung zu Beginn rasch sinkt. Als würde die Arbeitslosenhilfe nicht schon jetzt nach sechs Monaten auf die geringere Notstandshilfe sinken. Dieses viel beschworene „degressive Arbeitslosengeld“ ist längst Realität, neue Jobs schafft es nicht. Und gegen den Arbeitskräftemangel hilft es schon gar nicht.

Anders als Barbara Blaha sieht es der liberale Ökonom Lukas Sustala. Seinen Text können Sie hier lesen:

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In "Cash & Clash" streitet die Gründerin des linken Momentum Instituts, Barbara Blaha, regelmäßig mit dem wirtschaftsliberalen Ökonomen, Lukas Sustala. Er leitet die Neos-Parteiakademie. Beide legen Wert darauf, parteiunabhängig zu argumentieren.

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.