Fußball-Kolumne: Der falsche Teamchef
Ein Pferd springt nur so hoch wie es muss. Mit dieser Weisheit wurden viele Siege der Österreicher erklärt. Auch das einfallslose 3:1 vergangenen Sonntag gegen die Färoer Inseln. Das springende Pferd wurde zum Mantra hoffnungsvoller Optimisten, die gestern enttäuscht wurden. Österreich unterlag in Wien dem starken Gegner aus Dänemark 0:4. Das Pferd sprang nicht höher. Auch nicht, als es musste.
Teamchef Franco Foda weist zwar die beste Punkteausbeute aller heimischen Teamchefs auf. Doch die vielen Siege sammelte er gegen Mannschaften, die seiner Truppe nicht das Wasser reichen konnten und in der Weltrangliste oft weit abgeschlagen rangierten. Der große Makel der Foda-Bilanz: Gegen bessere Teams ist er sieglos. Gegen Bosnien, Polen und Dänemark gelangen in fünf Spielen nur zwei Pünktchen.
Es ist mittlerweile eine alte, aber aktuell äußerst bedeutende Leier: Jene vom falschen Teamchef für die richtige Mannschaft. Auf der einen Seite der biedere Foda, der gerne Räume eng macht, auf Konter lauert und Ergebnisse verwaltet. Auf der anderen Seite Spieler wie Sabitzer, Alaba, X. Schlager, Lainer, Lazaro, Baumgartner, Kalajdzic – die bei ihren Klubs zum stürmen und pressen erzogen wurden. Gegen die Färoer Inseln wurde das Problem offensichtlich: Andreas Ulmer wollte am Strafraum des Gegners den Ball zurückerobern, als ihm der Teamchef zubrüllte: „Warum Andi, warum?“ Ulmer, der das in Salzburg immer so macht und dafür gelobt wird, drehte verwirrt ab. Fodas Männer wollen stürmen. Foda will verteidigen. Das ist eine Baustelle, die das Team seit Jahren mit sich herumschleppt. Gegen unterlegene Gegner waren es oft die Klassespieler, die das Gesicht des biederen Foda-Stils wahrten – zumindest ergebnistechnisch.
Es wird zunehmend zu einem großen Ärgernis, dass das kleine Österreich endlich über große Kicker verfügt – diese aber vom falschen Teamchef kleingehalten werden. Anfangs klangen kritische Stimmen durch: die Teamspieler Stefan Lainer und Konrad Laimer betonten etwas ratlos, dass im Team eben anders als bei ihren Klubs gespielt werde, man „den Laden dicht halten“ müsse. Doch damit beraubt Foda seine Spieler ihre Stärken. Viele von ihnen sind keine Ballartisten, sondern Pressingmonster. Ein Xaver Schlager, der nicht wie ein Terrier agieren darf, ist dadurch so limitiert wie ein Messi, dem man den Ball nicht zuspielt. Ein Kalajdzic, der vorne Bälle prallen lassen soll, ohne eine Traube an Mitspielern um sich zu haben, ist nicht mehr wertvoll, sondern hilflos. Sogar gegen die Inselkicker der Färoer verdonnerte Foda seine Truppe zum Ergebnisverwalten. Dabei kostet das Nachlaufen über den ganzen Platz mehr Kraft, als es ein hohes Bälle-Erkämpfen in der gegnerischen Hälfte tun würde.
Doch Foda weiß um seine Schwächen: Er ist kein Experte für Pressingfußball. Es würde nicht ausreichen, einen wilden, dominanten Spielstil anzuordnen – ohne einen exakten Plan dafür auszugeben. Das würde Löcher in die Abwehr reißen, die der Teamchef aufgrund seiner fehlenden Erfahrung mit dieser Spielweise wohl zu Recht fürchtet. Deshalb wartet er gerne ab und versucht auf Kontersituationen zu lauern.
Der Österreichische Fußballbund (ÖFB) hat einen markanten Fehler begangen. Für die vorhandenen Spieler wurde nicht der passende Trainer verpflichtet. Der föderalistisch organsierte Verband erwies sich als zu schwerfällig, um die goldene Generation perfekt in Szene zu setzen. In den ÖFB-Gremien war man mit Machtkämpfen beschäftigt, der Teamchef wurde im Schnellverfahren ausgewählt. Fodas Verpflichtung schob man das Kaufargument hinterher, „signifikant günstiger“ als sein Vorgänger gewesen zu sein. Verbandspräsident Leo Windtner deutete später in einem profil-Interview an, dass die Kompatibilität von Trainer und Spielern keine Rolle gespielt habe.
Nun reibt sich ein ganzes Land die Augen, wenn das Nationalteam wieder einmal nicht aufspielt. Stehen da tatsächlich die Klassekicker Alaba, Sabitzer, Baumgartner & Co. auf dem Feld? Fodas Spielweise hätte perfekt in ein anderes Jahrzehnt gepasst. Zum Beispiel in jenes, als Hans Krankl als Teamchef am Ruder war. Damals hätte eine biedere taktische Organisation der durchschnittlichen Auswahl entschieden weitergeholfen. Das aktuelle Ensemble limitiert Foda damit.
„Was hat sich der ÖFB bei der Trainerbestellung gedacht?, fragte ORF-Experte Roman Mählich vor dem Spiel gegen Dänemark. „Franco Foda steht für eine gewisse Philosophie, mit der er bei Sturm Graz sehr erfolgreich gewesen ist.“ Man könne unter diesem Teamchef kein Pressing wie vom LASK oder Salzburg erwarten, so Mählich. Nachsatz: „Obwohl die Spielertypen dafür vorhanden wären.“
Der Erfolg verdeckt das dahingärende Problem: Das österreichische Nationalteam nimmt im Juni an der Europameisterschaft teil (bei der mittlerweile aber fast die Hälfte aller Verbände mitmachen darf). Dort warten Holland, Ukraine und Nordmazedonien. Ein Sieg würde Fodas Truppe aufgrund des großzügigen Aufstiegsmodus wohl den Aufstieg sichern. Das wäre für den ÖFB ein großer Erfolg, den man aber erneut durch das bloße Erfüllen der Mindestanforderung erreichen könnte. Das Gefühl des unausgeschöpften Potentials begleitet Foda und seine Mannen.
Der ÖFB will nicht hören und sehen, dass hier eine Baustelle brachliegt. Aus den U21-Jahrgängen drängen weitere Top-Talente nach oben. Der ÖFB ist die nächsten Jahre mit einer internationalen Topmannschaft gesegnet, die noch dazu als Kollektiv ein Alleinstellungsmerkmal mitbringt. Bislang versuchte man sich mit dicken Scheuklappen und einer ausgelutschten Weisheit zu trösten: Das Pferd springe eben nur so hoch wie es muss. Welttrainer Jürgen Klopp sagte einst, das Pferd müsse „verdammt noch mal so hoch springen, wie es kann“. Das 0:4 der Foda-Truppe gegen Dänemark lieferte jedoch erneut den Beweis: Das limitierte Pferd schafft keine höheren Sprünge mehr.