Nachhaltig Leben – nun auch in Die Sims 4

Die Sims 4-Erweiterung „Nachhaltig Leben“: Etikettenschwindel oder ernsthafte Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit? Spielwiese #3.

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Seit zwei Dekaden begeistert das Videospiel „Die Sims“ mit seinen mittlerweile vier Teilen die Massen. Mastermind Will Wright erfand die Lebenssimulation in einem heißen Sommer, in dem zahlreiche Brände
wüteten. Er musste wie viele andere Menschen in Kalifornien sein Haus verlassen und ganz von vorne anfangen. Die Ursprungsidee wurde schließlich nach einigen Rückschlägen von der Spieleschmiede Electronic Arts finanziert, eine der erfolgreichsten Spieleserien war geboren.

Die Kernmechanik – Häuser bauen und Dekorieren, verschiedene Lebensstationen gemeinsam mit den ans Herz gewachsenen Sims zu meistern – all das blieb über die Jahre unverändert. Eine weitere Konstante im Sims-Universum sind die zahlreichen Erweiterungen, die von neuen Einrichtungsgegenständen, Haustieren bis hin zum Wetter Schritt für Schritt neue Elemente ins Spiel brachten. Nun wurde das neueste Add-on „Nachhaltig Leben“ veröffentlicht, dies ist angesichts der Tragweite des Titels Anlass genug, um erneut in das Sims-Leben einzutauchen. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit eigentlich? Wie kann das eigene Leben, aber auch das gemeinsame Leben auf unserem Planeten umweltfreundlich gestaltet werden?

Im Jahr 2015 einigten sich alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) für die nachhaltige Umgestaltung unserer Welt. Bei den Maßnahmen zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Ökosysteme unseres Planeten sollten globale Partnerschaften, weniger Ungleichheit und eine friedliche und integrative Gesellschaft zentrale Elemente sein.

Wird die Sims 4 – Nachhaltig Leben diesen Anforderungen gerecht? Welche neuen Features sind in der Erweiterung dazugekommen? Zu Beginn ziehen die Sims nach „Evergreen Harbor“ und können sich dort angekommen eine von drei Nachbarschaften mit jeweils einer Gemeinschaftsfläche aussuchen, die sich in ihrem ökologischen Fußabdruck unterscheiden: „Port Promise“ ist durch seinen industriellen Charakter geprägt, „Conifer Station“ ist weder besonders grün noch besonders industriell, „Grims Quarry“ kann als das naturnahe Rückzugsparadies bezeichnet werden. Durch die Wahl umweltfreundlicher Gegenstände beim Hausbau kann der ökologische Fußabdruck der eigenen Nachbarschaft schrittweise verbessert werden. Das geht beispielsweise durch den Kauf energieeffizienter Geräte oder durch das Pflanzen von Bäumen im Garten. Der größte Hebel sind allerdings die „Nachbarschaftlichen Aktionspläne – kurz NAPs“. Basierend auf Einflusspunkten, die die Sims sich durch bestimmte Verhaltensweisen verdienen, können die Pläne „Moderne Entwicklung“ und „Grüne Initiativen“ aktiviert werden, die mittelfristig zu einer positiven Transformation der ganzen Nachbarschaft führen.

Zu Beginn ist die Lernkurve steil: Spieler*innen werden ein wenig von der Optionsvielfalt erschlagen, es gibt zahlreiche neue Gegenstände im Kauf- und Baumodus, neue Looks & Kleidungsstücke im Sim-Erstellungsmodus, neue berufliche Bestreben wie „Öko-Innovator*in“ und „Meister-Fabrikant*in“ sowie neue Merkmale der Sims, auf die eingegangen werden muss. „Recycling Fans“ wollen beispielsweise regelmäßig Ressourcen wie Müll sammeln, damit sie zufrieden sind. Gleichzeitig gilt es, über die weitere Gestaltung der Gemeinschaftsareale abzustimmen, die eigenen Nachbarschaftspläne zu managen und natürlich auf den ökologischen Fußabdruck der eigenen Aktivitäten sowie auf die positive Entwicklung der Nachbarschaft zu achten. Nicht zu vergessen die sozialen Bedürfnisse der Sims, die zusätzlich erfüllt werden müssen. Und das Solarpanel sollte ja auch schon wieder gereinigt werden.

Auf der Habenseite dreht sich die Motivationsspirale aus ständigem Mikromanagement, dem Experimentieren mit Beziehungsstilen und Berufen garniert mit Verschönerungsaktionen des eigenen Heims. Es „simt“ sich auch in der aktuellen Iteration in wunderhübscher, detailverliebter Optik und in einem freudvollen – neuerdings grünem - Ambiente.  

Doch auch der Bezug zu den nachhaltigen Entwicklungszielen ist erstaunlich glaubwürdig hergestellt. Es werden Methoden der Basisdemokratie am Beispiel der nachbarschaftlichen Aktionspläne gezeigt, neue Praktiken in der Nahrungsmittelproduktion am Beispiel von Insektenfarmen oder vertikalen Gärten geübt, aber auch die Wasserknappheit samt technischer Lösung thematisiert – am Beispiel des Tausammlers. „Plus Energie“ Häuser, die unabhängig vom öffentlichen Versorgungsnetz funktionieren und selbst Strom, Wasser und Wärme erzeugen, die Brennstoffzelle als Energiespeicher, künstliche Fleischproduktion, Maker Spaces – all diese (Zukunfts-)Technologien werden im Spiel nicht nur thematisiert, sondern auch als Experimentierfeld angeboten. Das ist für ein kommerzielles Spiel durchaus beeindruckend. Steckt am Ende gar ein „Serious Game“, ein Spiel mit ernsthaftem Inhalt, hinter dem Öko-DLC „Nachhaltig Leben“?

Thomas Wernbacher ist Medienpsychologe und arbeitet als Senior Scientist am Zentrum für Angewandte Spieleforschung an der Donau-Universität Krems. Er ist Gründer der Picapipe GmbH und unterrichtet an der TU Wien. In seinen Arbeiten erforscht er den Einsatz sowie die Auswirkungen von spielerischen Ansätzen im Kontext von Mobilität, Bildung sowie von Gesundheit. Seine Expertise umfasst u. a. verhaltenstheoretische Konzepte in Form von Gamification und Nudging mit einem besonderen Fokus auf Incentivierungsmodellen. Der aktuelle Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit liegt auf der Kommunikation und Vermittlung nachhaltiger Entwicklungsziele im Kontext von Stadtentwicklung und Klimawandel.