Natascha Strobl: So funktioniert Rechtskonservatismus
Am Ende steigt Natascha Strobl aus der U-Bahn, vor ihr am Bahnsteig liegt ein verlorener Strickpullover. Sie hebt ihn auf, sieht sich um, sieht niemanden, dem das Kleidungsstück gehören könnte. Sie geht weiter, dreht sich noch einmal um, den Pullover in der ausgestreckten Hand; Hilfsbereitschaft, die ins Leere läuft. Gut möglich, dass diese Szene etwas bedeutet, auch wenn man diese Bedeutung gerade nicht fassen kann. Die Möglichkeit liegt jedenfalls in der Luft und wohl deshalb so nahe, weil Natascha Strobl, Politikwissenschafterin und Autorin aus Wien, 36 Jahre alt, zwei Kinder, ein Bestseller, in den zwei Stunden vor dieser zufälligen Szene sehr eindringlich über Politik geredet hat, über ihr Leben, und wie diese beiden Bereiche zusammenhängen.
Kurzfassung: untrennbar.
Vor allem aber hat Natascha Strobl – schnell und selbstbewusst, mit einem leisen Hang zur Selbstironie – über das Buch gesprochen, das ihr Leben gerade dominiert. Es heißt „Radikaler Konservatismus“, ist in der Edition Suhrkamp erschienen und wenige Wochen nach Erscheinen bereits in der dritten Auflage. In der österreichischen Sachbuch-Bestsellerliste (Taschenbuch) steht es aktuell auf Rang 3, zwei Plätze vor Daniel Kahnemanns Langzeit-Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“. Strobl beherrscht beide Disziplinen, erstere ist für Twitter reserviert. Dort hat die Autorin fast 140.000 Follower, die sie in bis dato etwas mehr als 66.000 Tweets mit Einschätzungen politischen Tagessituation, zu Diskursanalyse und Parteienstrategie versorgt hat. Sie beherrscht dieses Medium tatsächlich mit punktgenauer Eloquenz und – wenn es darauf ankommt – hochtouriger Meinungsfreude.
Natascha Strobl schießt gern mit schwerem Geschütz und manchmal auch übers Ziel hinaus. Sie selbst sieht das nicht weiter tragisch. Dass auf Twitter auch einmal etwas verkürzt wird, aus Platz- und Argumentationsgründen, ficht Natascha Strobl nicht an. Sie veröffentlicht ja nicht nur im sozialen Medium; sie betreibt auch einen Blog (Natsanalysen), schreibt Gastbeiträge in Zeitungen und Magazinen, spricht in Podcasts und in TV-Sendungen – und schließlich hat sie nun auch dieses Buch geschrieben.
Darin beschreibt sie, wie staatstragende, konservative Parteien in Europa und Nordamerika den gesellschaftlichen Ausgleich hinter sich lassen und andere Wege beschreiten. Wie sie sich, von konservativem Grund aus kommend, eine neue politische Ordnung erschaffen, in der die demokratische Gewaltenteilung angezweifelt und Fakten flüssig werden. Wie ein Bulldozer hat diesen Weg der US-Präsident Donald Trump befahren, fast zeitgleich folgte ihm, deutlicher leiser und spritsparender, aber kaum weniger rasant, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz (der britische Premierminister Boris Johnson wäre in diesem Bild wohl eine Art SUV).
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Die ganze Geschichte finden Sie in der profil-Ausgabe 41/2021 - hier als E-Paper.
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