Teamchef Franco Foda
Nationalteam: Kleinspuriges Österreich

Fußball-Nationalteam: Kleinspuriges Österreich

Österreichs Fußballteam spielte lange wie ein Großer. Nun soll es wie ein Kleiner auftreten.

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Das Nationalteam hat ein neues Gesicht. Ein blasses. Während man unter Marcel Koller oft forsch, selbstbewusst und mutig auftrat, wird unter Franco Foda vorsichtig, abwartend und zögerlich gespielt. Die Ausbeute aus den ersten drei Pflichtspielen unter dem neuen Teamchef: ein Treffer, ein Gegentreffer, viele Leerläufe, vier Punkte. Erst im vierten Spiel, gestern in Nordirland, gelangen zwei Tore. Eines davon kurz vor Schluss. Teamchef Franco Foda jubelte ausgelassen und sprach von einem „guten Entwicklungsprozess“. Sieben Punkte aus vier Spielen sind in Ordnung, auch wenn sie sehr glücklich und beschwerlich gesammelt wurden.

Was auffälliger war als die müden Darbietungen auf dem Feld: Das Aushängeschild des österreichischen Fußballs wirkt wie verwandelt. Der neue Regisseur Franco Foda legt viel Wert auf die Defensive, das Offensivspiel ist kaum vorhanden. Das ist neu. In den letzten Jahren wollte Österreichs Fußballteam mehr angreifen als verteidigen. Nun wird Fußball gespielt, als hätte es Marcel Koller nie gegeben. Kurz erklärt: Die Ära Koller war untypisch für den österreichischen Fußball. Davor trat Österreich ängstlich und vorsichtig auf. Plötzlich aber spielte das kleine Land mit breiter Brust, erzielte in Schweden vier Tore, gewann in Russland, war in den Top 10 der Weltrangliste und gar bei der 2:3-Niederlage in Serbien trat Österreich weltmännisch auf – so als wäre man selbstverständlich überall auf der Welt der Favorit. Nicht immer gelangen auch genügend Tore. Österreich presste, agierte und versuchte den Gegner so schnell an die Wand zu spielen, sodass der gar nicht erst auf blöde Ideen kommen konnte.

"Das Spiel gestaltet neuerdings der Gegner"

Jetzt will man abwarten, defensiv sicher stehen und kontern. Das Spiel gestaltet neuerdings der Gegner Österreichs und nicht Österreich selbst. Zusammengefasst heißt das: Die Spielphilosophie wurde gewechselt. Von mutig auf vorsichtig. Was gegen Bosnien schon destruktiv war, wollte Foda gegen Nordirland noch verfeinern. „Wir wollen mal etwas tiefer stehen und den Gegner kommen lassen“, betonte der Teamchef. Die Reaktion auf defensiven Fußball war noch defensiverer Fußball.

Willi Ruttensteiner, der geschasste Sportdirektor, erklärte vor zwei Jahren, als Österreich Zehnter der Weltrangliste war: „Ich habe immer gesehen, dass man international mit einer abwartenden Spielweise nichts gewinnen kann. Heute agieren wir und sind erfolgreich.“ Ruttensteiner erzählte hinter vorgehaltener Hand oft, wie er an übervorsichtigen Teamchefs beinahe verzweifelte. Bei der Heim-Europameisterschaft vor zehn Jahren stellte Teamchef Josef Hickersberger im Eröffnungsspiel sieben Defensive in die Startformation.

Österreichs Kickern flogen im Abwehrgefecht schnell die Bälle um die Ohren. Der Rückschluss Ruttensteiners war: Wer erfolgreich sein will, muss mutig auftreten. Jetzt folgt die Kehrtwende. Mit Ansage. Foda betonte vor wenigen Monaten, dass ihn bei der Weltmeisterschaft die Mannschaft der Franzosen beeindruckt habe. Die Begründung: Frankreichs Team habe viele gute Einzelspieler, die trotzdem kein spielerisches Feuerwerk abbrennen, sondern defensiver spielen als es ihren Qualitäten entspräche. Frankreich wurde damit Weltmeister und für Foda zum Vorbild.

Österreich hat für ein kleines Land einen großen, hochkarätig besetzten Kader. Die meisten Spieler verdienen ihr Geld im Ausland. Bei Bayern München, West Ham United, Leverkusen, Schalke04, Leipzig oder Bremen. Die Ära Koller zeigte: Man kann mit dieser Auswahl an Klasseleuten durchaus offensiv spielen. Wollte man vor kurzem noch Favorit sein und die eigene Spielweise überall durchsetzen, soll das ÖFB-Team nun ein Außenseiter sein, der abwartet und im Idealfall schnell zuschlägt. Die Ergebnisse lesen sich durchschnittlich passabel: 0:1 in Bosnien, 1:0 gegen Nordirland, 0:0 gegen Bosnien, 2:1 in Nordirland. Was auch deutlich war: Die Leistungen waren schlechter als die Ergebnisse.

Foda wirkte nach den letzten beiden Spielen zufrieden, während Beobachtern aufgrund des zerfahrenen Spiels bloß der Mund offenstand. Alessandro Schöpf meinte nach dem 0:0 gegen Bosnien: „Oft sind wir vorne angelaufen, der Rest dahinter ist aber nicht wirklich nachgeschoben. Dann waren große Räume für den Gegner da, die sie gut bespielt haben.“ Foda forderte vor dem Spiel aber genau das. Man wolle vorne draufgehen, aber hinten absichern. Die logische Folge: ein Riesenloch im Mittelfeld, das zum Spielplatz für den Gegner wird.

Es gibt viele Trainer, die wie Foda denken. Nach dem Motto: Hinten dicht machen und kontern bedeutet weniger Risiko als vorne draufgehen und ausgekontert werden. Es gibt aber auch viele Trainer, die eine Gegenthese vertreten: Angriff ist die beste Verteidigung. Vor dem eigenen Tor warten ist riskanter als das gegnerische Tor unter Beschuss zu nehmen. Es ist beinahe eine philosophische Frage, wie Österreich künftig Fußball spielen soll. Und eine marketingtechnisch relevante. Viele Experten lobten das Spiel unter Koller, diese unösterreichische Herangehensweise.

Die mutigen Österreicher als Marke und Aushängeschild. Foda hat sich festgelegt: Er will in Hässlichkeit gewinnen anstatt in Schönheit sterben. Man könnte entgegnen: Warum soll schöner Fußball automatisch schlechte Ergebnisse bringen und hässlicher Grottenkick die Wunschresultate? Gegen Bosnien hätte Österreich zur Pause bereits mit zwei oder drei Toren zurückliegen können. Immer öfter ist zu hören, dass man nicht kopflos stürmen wolle. Viele erfolgreiche Teams stürmen mit Köpfchen und einem aufwändig kreiertem Offensivspiel. Österreich nicht. Still und heimlich wurde aus dem Draufgänger ein Duckmäuser.

"Für Foda ist sein jetziger Spielstil das Erfolgsrezept"

Für Foda ist sein jetziger Spielstil das Erfolgsrezept. Das hat er in den letzten vier Spielen unmissverständlich deutlich gemacht. Eigentlich war angekündigt, dass Österreich künftig flexibler spielen werde als unter Koller. Doch jetzt gibt es einen bloßen Tausch der Spielidee von offensiv auf defensiv, der stur abgespult wird. Anstatt das Offensivspiel weniger ausrechenbar zu machen, wird es abgeschafft. Es gibt heimische Teams, die von der Papierform her auch Kleine wären. RB Salzburg beispielsweise in Europa. Doch der Verein will kein Kleiner sein, sondern wie ein Großer spielen. In Dortmund, Rom oder Leipzig hat das schon blendend funktioniert. Gut, Marco Rose hat mehr Zeit um seine Spielidee einzuüben.

Ein anderes Beispiel: Die Schweiz, regelmäßiger Gast bei Großereignissen, hat zuletzt Belgien 5:2 besiegt. Das österreichische Nationalteam hat sich zuletzt mit offensivem und dominantem Fußball für die Europameisterschaft qualifiziert. Mit einem 4:1 in Schweden. Willi Ruttensteiner meinte später im profil-Interview: „Bei der Taktik auswärts gegen Schweden oder Russland war ich mir bei der Spielerbesprechung nicht sicher, ob ein so offensives und druckvolles Spiel gutgehen kann. Aber Marcel Koller hat dort vermittelt, dass das funktioniert.“

Der 2:1-Sieg in Nordirland wiegt Franco Foda in Sicherheit. Der neue Teamchef wähnt sich auf dem richtigen Weg. Taktikanalysten bezeichnen das neue Spiel der Österreicher dagegen als langsam und altbacken. Sturm Graz-Kenner behaupten: Ihr ehemaliger Trainer Foda wird diesen wenig attraktiven Fußball stur durchziehen. Das Taktikanalyse-Portal „Ballverliebt“ schrieb dazu: „Die Zahlen sind okay. Aber es war keine einzige ordentliche Leistung dabei. Das wird in der EM-Qualifikation so nicht gutgehen. Nicht gutgehen können. Wenn der Teamchef sagt, man dürfe nicht alles schlechtreden, so kann man Franco Foda nur entgegnen: Viel gefährlicher ist es, diesen Katastrophen-Herbst schönzureden.“

Sportdirektor Peter Schöttel erklärte zuletzt, sehr ähnlich über den Fußball zu denken wie Teamchef Foda. Für Schöttel galt als Trainer immer: Die Null muss stehen, erzielte Tore waren Nebensache. Auch unter Foda konnte Österreich gegen Bosnien und Nordirland nur wenige Chancen herausspielen. Unter Sportdirektor Ruttensteiner war die Abkehr vom Duckmäusertum das Erfolgsrezept. Nun versucht man es mit den Mitteln, die lange nicht zu Erfolg führten und als Grund allen Übels galten. Dabei stehen dem ÖFB so viele Klassekicker wie selten zuvor zur Verfügung.

Die Spieler erklärten nach den Spielen unisono, dass vieles verbessert werden müsse, während Foda zufrieden von einer guten Entwicklung sprach. Zuletzt wirkten Österreichs Fußballer recht bieder. Die neue Strategie verlangt es so. Der ÖFB hat die Qualifikation für die Europameisterschaft als Ziel ausgegeben. Neu ist dabei: Österreich wird künftig nicht mehr wie ein Großer spielen wollen, sondern wie ein Kleiner auftreten.