NBA-Profi Jakob Pöltl spielt für die Toronto Raptors
Basketball

NBA-Profi Jakob Pöltl: „Die Trump-Jahre waren extreme Zeiten“

Mit neuem Vertrag und neuem Selbstvertrauen startet der Wiener Basketball-Profi Jakob Pöltl in seine achte NBA-Saison. Hier erzählt er von neuen Herausforderungen in Toronto, den Trump-Jahren und wie man nicht die Lust am Spiel verliert.

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Jakob Pöltl hat sich verändert. Der zwei Meter und 13 Zentimeter große Center der Toronto Raptors sitzt in seiner kanadischen Küche und trägt Vollbart. Wenig erinnert noch an den Rookie, der sich als erster (und bisher einziger) österreichischer NBA-Spieler von Spiel zu Spiel beweisen musste. Das Online-Gespräch zwischen Toronto und Wien findet zwei Wochen vor dem Saisonstart der NBA statt - und Pöltl ist im absoluten Vorbereitungsmodus für die neue Saison; gerade ist er von einem Trainingscamp an der US-Westküste nach Kanada zurückgekehrt.

 

Seit 2016 spielen Sie in der besten Basketball-Liga der Welt. Wird es mit den Jahren einfacher oder schwerer, in eine neue Saison zu starten?
Jakob Pöltl
In den ersten Jahren war mehr Nervosität da - auch der Stress, genug dazuzulernen. Heute liegt die Herausforderung darin, sich wieder an den Vollgas-Modus in der Liga zu gewöhnen. 
Sie wurden im Frühjahr zurück nach Toronto getradet. Wie gehen Sie mit der Ungewissheit um, dass man als Spieler plötzlich für ein anderes Team auflaufen muss? 
Pöltl
Von Anfang an wurde mir geraten, alle möglichen Trade-Gerüchte oder -Gespräche so gut wie möglich auszublenden und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Mittlerweile weiß ich, was auf mich zukommt, sollte es zu einem Teamwechsel kommen. 
Jakob Pöltl
In Toronto spielen Sie jetzt mit einem 80 Millionen schweren Vierjahresvertrag. Wie hat sich das auf Ihr Spiel ausgewirkt?
Pöltl
Mit einer größeren Rolle im Team kommen auch andere Erwartungen. Das ist aber nichts, dass sich über Nacht geändert hat, sondern ein Prozess, der sich über die Jahre verändert hat. 
Während der Corona-Pandemie meinten Sie in einem Gespräch mit profil, dass Sie mehr zur Gefahr, auch aggressiver, werden müssten. Heißt in Ihrem Fall: Öfter zum Korb ziehen und den Ball nicht so oft abspielen. Konnten Sie dieses Vorhaben schon umsetzen?
Pöltl
Jein. Vom Spielertyp werde ich immer ein Spieler bleiben, der auf seine Teamkollegen schaut, der den Ball im Fluss hält. Es wird nie so aussehen, als würde ich versuchen, das komplette Spiel an mich zu reißen und das Scoring in meine Hände zu nehmen. Natürlich gilt es, Situationen zu erkennen, in denen genau diese Aggressivität wichtig ist und ich das Scoring suche. Da bin ich in den letzten Jahren besser geworden. Für mich heißt das, dass nicht jede Entscheidung perfekt ist, ich in die eine oder andere Richtung Fehler machen kann. Das gilt es so gut wie möglich in den Griff zu bekommen. 

Politischen Themen weiche ich nicht aus. Ich beschäftige mich mit Entwicklungen, muss aber nicht zu jeder Causa meine Meinung abgeben.

Nach vier Jahren bei den San Antonio Spurs in Texas spielen Sie seit heuer wieder in Toronto, wo Sie Ihre NBA-Karriere begonnen haben. Wie hat sich die Stadt und das Team seitdem verändert?
Pöltl
Ich habe mich mehr verändert als die Stadt. In meinen ersten Jahren war ich noch mehr unterwegs, heute verbringe ich die meiste Zeit zu Hause, gehe vielleicht mal in ein Restaurant. Das Stadtleben spielt nicht mehr so eine große Rolle. Das Team hat sich stark verändert, es gibt viele neue Spieler und mit Darko Rajaković einen neuen Headcoach.
Bei Toronto spielen Sie auch mit Dennis Schröder, der Deutschland heuer zum Weltmeistertitel geführt hat. Was sind Ihre Erwartungen an die neue Saison?
Pöltl
Dennis kann als Point Guard und Leader einen positiven Einfluss haben. Als Mannschaft haben wir das Talent, heuer wieder in den Playoffs mitzuspielen und vielleicht in die zweite Runde zu kommen. Mit dem neuen Coaching-Team und den vielen neuen Spielern wird es aber definitiv ein Lernjahr werden.
Ihre Zeit in Texas war von Corona, Isolation und den Trump-Jahren geprägt. Hat sich die politische Situation seitdem entspannt?
Pöltl
Ich kann schwer sagen, wie sehr das Politische damit zu tun hat, aber der Alltag ist, seit wir aus der Corona-Phase herausgewachsen sind, doch um einiges leichter geworden. Die letzten Jahre hatten einen enormen Einfluss auf die sozialen Beziehungen. Ich bin gerade dabei, viele davon wieder aufzubauen.

 

Jakob Pöltl vergangenen Sommer auf Heimaturlaub in Wien: „Selbst an einem schlechten Tag ist der Spaß am Spiel wieder da, wenn ich dann auf dem Court stehe.“

Mit den Raptors spielen Sie im einzigen kanadischen Team der NBA. Wie ist Ihr heutiger Blick auf die gespaltenen USA?
Pöltl
Die Trump-Jahre waren extreme Zeiten. Jeden Tag hat man von Konflikten gehört. Es ist auch egal, wer in den USA oder Kanada regiert, man merkt, dass wir in polarisierenden Zeiten leben. Vor allem durch Social Media ist man so nahe an Debatten dran und das beeinflusst den Alltag direkt. Ausgesetzt bin ich den Themen aber in meiner NBA-Welt kaum. 
Selbst nutzen Sie Social Media kaum. Schirmen Sie sich bewusst vor Ablenkungen ab? 
Pöltl
Politischen Themen weiche ich nicht aus. Ich beschäftige mich mit Entwicklungen, muss aber nicht zu jeder Causa meine Meinung abgeben. Durch meine Familie und Freunde bekomme ich auch mit, was in Österreich so vor sich geht, welche politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen es gibt - auch wenn mein Lebensmittelpunkt in Nordamerika ist. Abzuschirmen versuche ich mich nur vor Themen, die direkt mit Basketball zu tun haben. Da muss ich mich speziell auf mein Spiel, mein Team und die Coaches konzentrieren. 

 

Jakob Pöltl 2019 in Wien: „Vom Spielertyp werde ich immer ein Spieler bleiben, der auf seine Teamkollegen schaut, der den Ball im Fluss hält.“

Eine normale NBA-Saison umfasst 82 Spiele. Dazu kommen die Playoffs, die Trainingseinheiten, die Zeit im Flieger und in Hotels. Wie schafft man es als Profi-Sportler, nicht die Freude am Spiel zu verlieren?
Pöltl
Natürlich gibt es Tage, an denen es mich in der Früh nicht freut, in die Arbeit zu fahren. Auch wenn Basketball meine Leidenschaft ist, ist es für mich auch ein Job, den ich jeden Tag machen muss. Selbst an einem schlechten Tag ist der Spaß am Spiel wieder da, wenn ich dann auf dem Court stehe. 
Machen Sie sich als Profi-Sportler schon Gedanken über Ihre Zeit nach der aktiven Karriere?
Pöltl
Nachgedacht habe ich darüber schon. Nachdem ich zumindest nicht freiwillig mit dem Basketballspielen aufhören möchte, spielt das bei mir aber noch keine Rolle.

Jakob Pöltl, 28

Der gebürtige Wiener Pöltl begann seine Profikarriere bei den Traiskirchen Lions, bevor er 2014 an das College von Salt Lake City wechselte. 2016 bekam er seinen ersten NBA-Vertrag bei den Toronto Raptors. Zwei Jahre später wurde er zu den renommierten San Antonio Spurs getauscht. Seit 2023 spielt er wieder für Toronto. 

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.