Take it easy: Unsere Neujahrsvorsätze
Take it easy
Was war das für ein Jahr: Kriege, Hass, Terror und Krisen. Und dann auch noch Trump, eine Reihe toter Popstars und eine postfaktische Faktenlage. Die Welt ist schlecht. Oder vielleicht doch nicht? 2017 ist eine gute Möglichkeit, mit 2016 abzuschließen und sich den Silvesterkater mit ambitionierten Vorsätzen schönzureden. Aber nicht so schnell. Wer glaubt, dass Neujahrsvorsätze auch nur die erste Woche, geschweige den ersten Monat überleben, glaubt wahrscheinlich auch an eine Insel, auf der all die unsterblichen Popgötter ihren Ruhestand genießen. Daher ist man gut beraten, sich das junge Jahr nicht gleich zu Beginn schlecht zu reden und heuer einfach auf Neujahrsvorsätze (Top 3: weniger Hochprozentiges, mehr frische Luft, weniger Rauch) zu verzichten. 2017 ist das neue take it easy. Da kommen nicht nur die gute Laune und der gute Glaube zurück, sondern auch die Erkenntnis, dass auch ein Trump in spätestens vier Jahren Geschichte ist. Aber weil die Sache nun mal kompliziert ist, gibt es dann doch einen oder zwei Vorsätze für 2017: Die spärliche Freizeit mehr mit Kunst und Kultur zu füllen. Auf ins Theater, zu Konzerten und ins Kino! Und mehr Zeit für die liebe Familie.
Weniger planen
Es mag ein wenig widersprüchlich sein, zu planen, weniger zu planen. Und trotzdem nehme ich mir vor, mir 2017 weniger vorzunehmen. Besonders wenn man viel zu tun hat - und das war bei mir in den vergangenen zwei Jahren mit Studium und Arbeit übermäßig oft der Fall - neigt man dazu, die verbleibende freie Zeit mit Aktivitäten zu verplanen, für die man sonst keine Zeit findet: Die Wohnung sauber halten, Sport machen, so viele Freunde wie möglich treffen. Schließlich findet man sich völlig geschlaucht von den vielen Dingen wieder, die man sich verpflichtet fühlt zu tun. Die Krux: Je mehr man plant, desto mehr verliert man das Gefühl dafür, was man in einem Moment wirklich will. Lieber drei Stunden Netflix schauen, als auf die Party zu gehen? Geht klar! Lieber eine halbe Stunde Yoga machen, als vor der Arbeit noch den Geschirrspüler auszuräumen? Bitte. Lieber wegfahren, als für die Masterprüfung zu lernen? Unbedingt. Denn ein erfülltes Leben ergibt sich nicht daraus, To-do-Listen abzuhaken, außer man hat gerade Lust dazu.
Einmischen
Stephan Wabl
Ich bin vor über einem Jahr in meine neue Wohnung gezogen. Von meinen drei Nachbarn kenne ich die junge Frau neben mir mit Namen (Marta), die Frau mit ihrer Teenagertochter eine Tür weiter vom Grüßen und die ältere Dame gegenüber habe ich kennenglernt, als ich ein paar Monate nach meinem Einzug ein Paket bei ihr abgeholt habe.
Am 24. Dezember habe ich Koffer und Fahrrad gepackt und mich zum Zug in Richtung Steiermark aufgemacht. Vorbei an der Wohnungstür meiner älteren Nachbarin hat sich diese gerade am Telefon verabschiedet. Ich zögerte kurz, ob ich ihr frohe Weihnachten wünschen soll. Sei’s drum, angeläutet. Drei Sekunden später sah ich ihren Blick durch das Guckloch "Und wer sind Sie?" "Ihr Nachbar". Ritsch, ratsch, und die Tür war offen. "Alles Gute zu Weihnachten. Ihnen geht es gut?", fragte ich sie. "Die Beine sind schwach, aber solange der Geist noch funktioniert, geht es", meinte sie. "Aber Sie fahren nicht mit dem Fahrrad etappenweise nach Hause?" "Nein, ich nehme den Zug nach Fürstenfeld. Aber das Fahrrad kommt mit", erklärte ich ihr. "I wü ham nach Fürstenfeld", scherzte sie bevor wir uns verabschiedeten. "Easy", dachte ich mir am Weg zum Zug, "nicht lange zögern und man lernt die Menschen kennen." Sollte ich öfters machen, auch wenn es im ersten Moment unangenehm sein könnte. Das wäre ein guter Vorsatz für das kommende Jahr. Doch das wäre dann doch zu einfach.
Eine Stunde später saß ich am Bahnhof in Wiener Neustadt und wartete auf meinen Anschlusszug. Früher Nachmittag, wenig Betrieb, ein paar Leute im Supermarkt, einige junge Flüchtlinge, die sich die Zeit vertrieben. Ich wartete auf einer Bank und las ein Buch. Die jungen Burschen kamen und gingen, setzten sich neben mich, aßen was, rauchten. Nach ein paar Minuten kamen zwei Securities. Nachdem einer der beiden Männer drei jugendliche Flüchtlinge am Bahnsteig trotz Verbotes - und wahrscheinlich zum wiederholten Male - rauchen gesehen hatte, eilte er aufgebracht hinaus. Die drei Burschen verzogen sich, noch bevor der Security etwas gesagt hatte. "Unser Land und unsere Gesetze, und an die hat man sich zu halten", fuhr es laustärker aus ihm heraus. Ich habe kurz darüber nachgedacht, etwas zu sagen, sollte aus einer unsanften Zurechtweisung eine ausländerfeindliche Beschimpfung werden.
"Ihr könnt auch gerne wieder nachhause gehen, braucht euch eh keiner und es hat euch auch niemand gerufen", schimpfte der Mann weiter. Ich habe nichts gesagt, obwohl seine Worte mit einer Zurechtweisung nichts mehr zu tun hatten. Dem Zögern, dem bei meiner älteren Nachbarin dann doch ein Klingeln an ihrer Tür und ein Gespräch wichen, folgten beim schimpfenden Security nur Stille. Dabei wären die richtigen Worte auf der Hand gelegen. Es ist nachvollziehbar, ein paar Jugendlichen mit Nachdruck klar zu machen, dass Rauchverbot heißt, dass hier nicht geraucht wird. Nachvollziehbar auch deswegen, weil es mir und dem Security in unserer Jugend sicherlich oftmals selbst so ergangen ist – am Schulhof, am Skikurs, im Zug. Es ist allerdings nicht okay, sie deshalb fremdenfeindlich zu beschimpfen und sie in die Länder ihrer Flucht zurückwünschen zu wollen. Gerade am 24. Dezember, wenn fast alle, die zu dieser Uhrzeit noch auf einen Zug warten, am Weg nachhause sind zu ihren Familien und Freunden, um Weihnachten zu feiern. Genauso wie wohl der lautstarke Security.
"Nicht so easy", habe ich mir im Zug gedacht. Aber ein guter Vorsatz für 2017: mein Unbehagen zu überwinden und sich einzumischen. Nicht nur, um der älteren Nachbarin gegenüber eine Freude zu machen, sondern vor allem dann, wenn es wirklich unangenehm werden könnte. Am Bahnhof, in der U-Bahn, in der Bar.