In dem Mail an die ÖFB-Bosse heißt es: Neuhold sei „in allen organisatorischen und finanziellen“ Belangen „unverzichtbar“. Und: „Lassen Sie uns bitte den Weg, den wir als Mannschaft gemeinsam eingeschlagen haben, erfolgreich weitergehen.“ Gezeichnet ist das Schreiben von Rangnick, seinem Trainerteam und dem Mannschaftsrat, bestehend aus David Alaba von Real Madrid, Marko Arnautović von Inter Mailand, Konrad Laimer vom FC Bayern München und Marcel Sabitzer von Borussia Dortmund.
Im Präsidium poltern die Männer. Man rede Rangnick doch auch nicht in seine Aufstellung drein. Und: Die Kicker sollten sich lieber aufs Fußballspielen konzentrieren. Justament wird Neuholds Ablöse beschlossen.
Noch am selben Abend, um 22.05 Uhr, verschickt Vizepräsident Gartner dann ein Mail an Rangnick, in dem er sich zu erklären versucht. Gartner, 73, Ex-Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Ziersdorf, ist ein mächtiger Funktionär, der Anfang 2023 kurzzeitig ÖFB-Präsident war und nun als Vizepräsident wortgewaltiger Teil des Präsidiums ist.
Sein Antwort-Mail an Rangnick wurde vor wenigen Tagen öffentlich. Gartner selbst hat es an die „Niederösterreichischen Nachrichten“ weitergeleitet. Warum er das getan hat, obwohl in der Causa Stillschweigen vereinbart war? Er habe sich geärgert, erklärt Gartner auf profil-Nachfrage. Im Mannschaftskreis sei die Behauptung kursiert, die eitlen Funktionäre fänden es nicht einmal wert, auf den Brief von Rangnick und seinen Spielern zu antworten. Gartner wollte beweisen, dass diese Annahme nicht stimmt.
„Sorry.“
Vergangenen Montag wurde Gartners Schreiben in voller Länge von den „NÖN“ veröffentlicht. Spannend ist vor allem der erste Satz. Dort schreibt Gartner. „Lieber Ralf! Ich habe dieses E-Mail erst nach dem ÖFB-Präsidium zum ersten Mal selbst gelesen (vorgelesen hat es Präsident Klaus Mitterdorfer bereits im Präsidium) und gesehen, dass ich auch am Verteiler stehe. Sorry.“
Und nun wird es spannend. Laut profil-Informationen ist das nicht der Wortlaut, den Gartner am 18.10. tatsächlich an Rangnick versandt hat. profil liegt das Original-Mail vor. Dort heißt es: „Lieber Ralf! Ich habe dieses E-Mail erst nach dem ÖFB Präsidium zum1.x gelesen. Sorry.“
Im Mail an Rangnick wirkt es so, als habe Gartner während der Sitzung nichts von dessen Schreiben und der Bitte, von Neuholds Ablöse abzusehen, gewusst. Während in der Version, die in der „NÖN“ öffentlich wurde, klar wird, dass Gartner der Brief sogar vorgelesen wurde, ehe die Ablöse Neuholds beschlossen wurde.
An die Spieler erging derweil keine Antwort aus dem Präsidium. Nationalteam-Kapitän David Alaba verfasst deshalb (im Namen des Spielerrats) ein weiteres Mail an die Funktionäre, das profil ebenfalls vorliegt. Am 24.10. um 16.59 Uhr versendet er ein Schreiben an Präsident Mitterdorfer und seine vier Vizepräsidenten, darunter auch Gartner. „Leider haben wir von Ihnen bis dato keine Antwort auf unser Schreiben im Vorfeld der Präsidiumssitzung am 18. Oktober erhalten“, schreibt Alaba. „Wie wir der medialen Berichterstattung entnehmen konnten, haben Sie unserer Bitte, eine Ablösung von Bernhard Neuhold als Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH zu überdenken, nicht entsprochen. Angesichts der Entwicklungen der vergangenen Tage machen wir uns darüber Sorgen, wie sich die zukünftigen Rahmenbedingungen für uns Spieler im ÖFB gestalten.“
In der Vergangenheit kam es im ÖFB aufgrund von machtpolitischen Entscheidungen der Funktionäre immer wieder zu Nachteilen für die Nationalmannschaft – durch unpassende Trainer oder Führungskräfte. Die Spieler sind deshalb auf der Hut.
Vizepräsident Gartner antwortet auf Alabas Schreiben eine knappe Stunde später, um 18.03 Uhr.
„Lieber David!“, schreibt er: „Nur der guten Ordnung halber (es werden ohnehin schon genug fake news und Halbwahrheiten in den Medien kommuniziert). Ich habe am Fr. 18.10.2024/22:05 Uhr (habe mich entschuldigt, dass ich es erst nach der Präsidiumssitzung Euer E-Mail vom Fr., 18. Okt. 2024, 11:01 Uhr gelesen habe) eine Antwort/meine Sicht an den Teamchef Ralf Rangnick (cc.: an den Präsident Klaus Mitterdorfer) geschickt. Ich überlasse es den Teamchef wie und ob er diese Meinung/Sicht an die Team-Betreuer u./o. Teamspieler weitergibt. LG Hans“
Gartner erweckte also auch David Alaba gegenüber – trotz seines eigenen Hinweises, dass „schon genug fake news und Halbwahrheiten“ im Umlauf seien – den Eindruck, dass er den Inhalt des Mails zum Zeitpunkt der Sitzung nicht gekannt habe. Tags darauf, um 8.30 Uhr, mischt sich ein weiterer ÖFB-Vizepräsident, Philip Thonhauser, in die Debatte ein. „Lieber Hans“, formuliert er. „Das Schreiben des Spieler-Rats/Cheftrainers wurde aber schon in der Sitzung von Klaus (Präsident Mitterdorfer, Anm.) vorgelesen ;) … Ansonsten könnte durch Deine Rückmeldung der Eindruck entstehen, dass Du von dem Schreiben erst nach der Sitzung erfahren hast. Beste Grüße, Philip“
Gartner antwortet um 10.31 Uhr: „Lieber Philip! Das stimmt, dass ihn der Präsident beim Präsidium vorgelesen hat (habe ja auch nicht geschrieben, dass ich den Briefinhalt vorher noch nicht gehört habe“. Nachsatz: „Danke für die (aus Deiner Sicht notwendige) Klarstellung. LG Hans“.
„Zur Klarstellung ergänzt“
Auf profil-Nachfrage sagt Gartner: „Ich habe ja nichts Falsches geschrieben. Ich habe nur geschrieben, dass ich es erst danach gelesen habe – und das stimmt.“ Dann ergänzt Gartner: „Wahr ist aber auch, dass ich den Inhalt davor gehört habe.“
Bleibt noch die Frage: Weshalb wurde Gartners E-Mail in veränderter Form veröffentlicht?
„Den ersten Satz habe ich zur Klarstellung ergänzt“, sagt Gartner zu profil. Ob er kein Problem darin erkannt hat, das an Rangnick versendete Original-Mail inhaltlich zu verändern, ehe er es an die Zeitung schickte? Gartner erklärt: Das Mail an Rangnick habe er während einer Autofahrt an die „NÖN“ weitergeleitet und dabei versehentlich eine Version erwischt, die er für „die Anfrage eines Fußballfans“ adaptiert hatte. Der wollte von ihm wissen, erzählt Gartner, was da los sei im ÖFB und ob die Funktionäre Rangnick vergraulen würden. Gartner versuchte, dem Fan Einblicke zu geben – und leitete ihm sein Mail an Rangnick weiter, das er jedoch vorher etwas adaptierte. Die Aufregung um sein weitergeleitetes und verändertes Schreiben versteht Gartner nicht. „Trainer und Spieler haben immer gesagt: Die alten Trotteln haben nicht reagiert auf das Mail. Und das stimmt einfach nicht.“