Österreichs Fußball-Nationalteam: Problemfall Foda-Mentalität
Nach dem Qualifikationsspiel gegen Polen lobte Teamchef Franco Foda sein Team. Dabei hatte es gerade 0:1 verloren, vor eigenem Publikum – und trotz großer Ambitionen. Doch Foda wirkte zufrieden. Sein Resümee: Man habe sich in einem tollen Spiel viele Torchancen erarbeitet und sei am Pech gescheitert. Dabei gab es vor allem Halbchancen und (bis auf die erste Viertelstunde) biederen Beamtenfußball. Foda aber sah in seiner Wahrnehmung ein Offensivfeuerwerk, das bloß zu keinem Sieg führte, weil die Spieler das Tor nicht trafen. Was für Foda den Gipfel der Risikofreudigkeit bedeutete, bezeichnet der Volksmund schlicht als Angsthasenfußball.
Österreichs Fußballteam (23. der FIFA-Weltrangliste) steht nach zwei Spielen in einer Qualifikationsgruppe (Polen 20., Slowenien 63., Nordmazedonien 71., Israel 92., Lettland 131.), die durchaus als Glückslos bezeichnet werden darf, vor einem Trümmerfeld. Null Punkte, 2:5 Tore. In den sechs Pflichtspielen unter Teamchef Foda hat Österreich nur fünf Tore erzielt, aber sieben erhalten. Nach dem 2:4 in Israel vergangenen Sonntag wurde die Mentalität der Spieler kritisiert. „Die Spieler müssen erkennen, wenn sie den Adler auf der Brust tragen, dass ein höherer Pulsschlag von Nöten ist“, betonte ÖFB-Präsident Leo Windtner. Was nicht angesprochen wurde: Die Spielweise des deutschen Teamchefs Franco Foda – und dessen übervorsichtige Mentalität – sind für den österreichischen Fußball zum größeren Problem geworden.
Franco Foda, der jahrelang Sturm Graz trainiert hatte, legt Wert auf Sicherheit. Seine Mannschaften wollen Tore verhindern und erst in zweiter Linie Tore erzielen. Foda entwickelte bewusst eine zögerliche Strategie für das Nationalteam. Vor dem Spiel gegen Nordirland erklärte der Teamchef: „Wir wollen mal etwas tiefer stehen und den Gegner kommen lassen.“ Seine Muse ist Weltmeister Frankreich. Ein Team mit vielen guten Einzelspielern, das trotzdem kein spielerisches Feuerwerk abbrennt, sondern defensiver spielt als es seinen Qualitäten entspricht. Frankreich wurde mit diesem Spielstil Weltmeister und für Foda zum Vorbild.
Doch eigentlich tickt Foda schon lange so: Er will Fehler vermeiden, nicht Fehler erzwingen. Der Sturm Graz-Insider Frank Wonisch, der Fodas Herangehensweise jahrelang beobachten konnte, erklärt auf dem Internetportal 90minuten.at: „Foda denkt Fußball sehr reaktiv.“ Nach dem Motto: Wer weniger Fehler macht, gewinnt das Spiel. Aber er beachte dabei nicht, so Wonisch, dass ein offensiver Spielstil die Fehlerquote des Gegners auch erhöhen kann. Foda setzt auf biedere Organisation und hofft auf Genieblitze seiner Angreifer. Als nach den ersten Pflichtspielen in der Nations League Kritik am mauen Spiel aufkam, erklärte Sportdirektor Peter Schöttel: „Wenn die handelnden Personen in einer besseren Verfassung sind, werden wir mehr Torchancen in unser Spiel bekommen.“ Doch die Chancenarmut scheint vielmehr am zögerlichen Spielstil zu liegen als an formschwachen Akteuren.
Die letzten sechs Pflichtspiele zogen sich wie Strudelteig dahin. Österreich spielte streckenweise pomadigen Schlafwagenfußball – ohne Tempo und Esprit. In Israel wurde der Führungstreffer nach einer guten Anfangsphase so lange verwaltet, bis der Gegner immer stärker wurde. Auch die Polen legten ihren Respekt erst ab, als die Österreicher (nach einer starken ersten Viertelstunde) sicherheitshalber hinten abwarteten anstatt vorne anzugreifen.
Doch Foda spielt nicht ohne Grund diese Art von Fußball. Wenn seine Männer im Rudel nach vorne stürmen, öffnen sich nach hinten große Räume – wodurch die Gegner problemlos vor das österreichische Tor kommen. Viele Trainer scheitern daran, das eigene Tor bei übermütigen Angriffen gut abzusichern. Auch Bayern München steht vor einem ähnlichen Problem. Wenn Bayern-Trainer Niko Kovac seine Mannschaft angreifen lässt, erhält sie ungewöhnlich viele Gegentore. Deshalb verzichtete er in den wichtigen Champions League-Spielen gegen den FC Liverpool auf jegliche Angriffsbemühungen – und schied trotzdem aus.
Ordnung herrscht nur, wenn alle brav hinten bleiben
Als Österreich in Israel zur Pause 1:2 zurücklag, wurde das grobe Manko in der Strategie des Teamchefs für alle offensichtlich. Foda war nun zu etwas gezwungen, das er zumeist vermeidet: seine Mannen in Scharen nach vorne zu schicken. Die Folge war ein Konter der Israeli nach dem anderen. Schnell stand es 1:4. Wenn Österreichs Fußballteam angriff, stand die Abwehr offen wie ein Scheunentor. Das große Problem des Trainers Franco Foda, das er sonst mit einer defensiven Spielweise zu kaschieren versucht, wurde für alle sichtbar: Schickt er seine Mannen nach vorne, geht jegliche Ordnung verloren. Ordnung herrscht nur, wenn alle brav hinten bleiben.
Während unter Marcel Koller die Gegner oft unter Druck gesetzt wurden – mit hohem Pressing, Gegenpressing und vielen Spielern in der gegnerischen Hälfte – lässt Foda nur einzelne Spieler zögerlich vorne anlaufen. Die meisten Spieler warten weiter hinten und schauen dabei zu. Bei Angriffen wird das zum Problem: Zu wenige Spieler warten im Strafraum, zu viele Gegenspieler verhindern mehr österreichische Gefährlichkeit.
Foda wusste, dass mit diesem Konzept eine Torflaute droht. Deshalb hatte er einen Plan. Er wollte den 29-jährigen englischen Stürmer Ashley Barnes (der eine österreichische Großmutter hat und in der Premier League für Burnley spielt) einbürgern. „Er würde ein Element in unser Spiel einbringen, das wir bei den anderen nicht sehen", erklärte Sportdirektor Peter Schöttel. „Er ist nicht der Filigrantechniker, aber er ist ein Stürmer, der weite Wege geht, sehr körperbetont spielt, der weiß, wo das Tor steht.“ Franco Foda und Peter Schöttel wollten einen Stürmer einbürgern, der Fodas Spielweise entgegenkommt. Barnes hätte vorne positioniert und mit hohen Bällen versorgt werden können. Doch die Einbürgerung wurde verweigert. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob ein bald 30-jähriger Brachialstürmer die Lösung für eine ohnehin mit einer „goldenen Spielergeneration“ ausgestattete Nationalmannschaft sein kann? „Ivica Vastic hat mit 39 noch eine EM gespielt“, erklärte ÖFB-Geschäftsführer Thomas Hollerer. „Wenn er fit bliebe, würde uns Ashley Barnes theoretisch noch zehn Jahre zur Verfügung stehen.“
Man muss erklären: Der ÖFB hat so viele gute Fußballer wie selten zuvor zur Verfügung. Sie spielen bei deutschen Spitzenklubs in Leipzig, Frankfurt, München, Berlin, in England, Spanien und beim spektakulär aufspielenden heimischen Liga-Krösus in Salzburg. Franco Foda hat so viele gute Legionäre zur Verfügung, dass er sie gar nicht alle einberufen kann. Maximilan Wöber vom FC Sevilla wurde zuletzt erst nachträglich ins Team nominiert. Es gibt tolle Verteidiger, tolle Mittelfeldspieler und auch gute Stürmer.
Die meisten Legionäre spielen in ihren Vereinen aktiven Fußball und wären auch im Nationalteam prädestiniert dafür. Foda kann aus jungen Wilden und erfahrenen Spielern wählen, die allesamt auf Topniveau ausgebildet wurden und in Weltligen zum Stammpersonal zählen.
Das Defensivkonzept von Foda wäre für eine Antikicker-Truppe, die ein bisschen Ordnung benötigt, geeignet. Doch Foda zimmert die biedere Organisation für internationale Klassekicker.
Immer mehr wird deutlich: Das ÖFB-Präsidium hat während des hastigen Umbaus des Verbandes vor eineinhalb Jahren einen Kardinalfehler begangen, den besonders die Wiener Großklubs Rapid und Austria regelmäßig begehen. Der Teamchef passt nicht zu den vorhandenen Spielern. Die altbackene Spielweise scheint die österreichischen Spieler mehr zu hemmen, denn zu beflügeln. Gerade die Teamchef-Ära von Marcel Koller hat gezeigt, dass den immer besser ausgebildeten Österreichern mutiges Pressing besser steht als abwartender Angsthasenfußball.
Foda opferte den schönen Kick zugunsten von Ergebnisfußball. Doch welchen Wert hat Ergebnisfußball noch, wenn er keine passenden Ergebnisse liefert?
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