Ski-Alpin

ÖSV-Präsidentin Stadlober: „Wenn Top-Läufer ausfallen, wird die Luft dünn“

Kurz vor den Rennen in Kitzbühel und der Heim-WM in Saalbach spricht die ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober über die bislang enttäuschende Saison, woran ein Comeback von Marcel Hirscher für Österreich scheiterte und über die Möglichkeit einer Saison ohne Hahnenkamm-Abfahrt und Vierschanzentournee.

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Sie sind jetzt seit fast dreieinhalb Jahren ÖSV-Präsidentin. Stimmt unsere Vermutung, dass Ihnen dieser Job schon einmal mehr Spaß gemacht hat als im aktuellen Winter?

Roswitha Stadlober

Wegen der mangelnden Erfolge bei den alpinen Skiläufern? Es ist keine leichte Zeit, keine Frage. Vor allem auch, weil das große Highlight der Heim-WM in Saalbach vor der Tür steht. Gleichzeitig spüren wir aber eine riesige Vorfreude, und ich bin zuversichtlich, dass nach verpatzten Generalproben auch gute Erfolge möglich sind. Wenngleich dafür derzeit nur vereinzelte Personen infrage kommen, das stimmt schon.

Wie viele Medaillen sollen es denn in Saalbach werden?

Stadlober

Theoretisch haben wir in jedem Bewerb die Chance, eine Medaille zu machen. Aber die Kandidaten sind tatsächlich dünn gesät. Wenn jemand ausfällt, haben wir in manchen Disziplinen niemanden mehr, der realistisch gesehen medaillenverdächtig ist. Es werden also vielleicht nicht elf Medaillen wie zu Glanzzeiten werden. Aber wenn es früher sechs bis acht waren, dann werden es vielleicht jetzt auch sechs bis acht sein.

Trotz der bislang enttäuschenden Saison liegt Österreich im Nationencup immer noch auf Platz zwei – hinter der Schweiz, aber eindeutig vor Norwegen oder Italien. Macht Kleinvieh auch Mist?

Stadlober

Wir haben in diesem Winter zwar wenige Stockerlplätze, aber punkten ja trotzdem beständig. Und dadurch, dass wir viele Läuferinnen und Läufer haben, ergibt das in Summe dann schon eine Menge. Norwegen beispielsweise hatte bei der letzten Abfahrt nur zwei Damen am Start.

Wenn man sich den Herren-Gesamtweltcup anschaut, sieht man derzeit als besten Österreicher Vincent Kriechmayr auf Platz 9, die Nächstbesten folgen dann ab Platz 36. Das ist nicht ganz der Anspruch, den die Skination Österreich hat, oder?

Stadlober

Das ist genau der Punkt: dass zwar einige Einzelne als Leitwölfe und -wölfinnen vorn stehen, aber hinten nur sehr spärlich etwas nachkommt. Gerade im Herren-Speedbereich ist das sichtbar. Wenn da Top-Läufer ausfallen, wird die Luft dünn.

Hermann Maier hat in einem Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ gesagt, dass die Erfolge von Marcel Hirscher sehr viele Probleme zugedeckt haben. Hat er recht?

Stadlober

Wenn es vorn gut läuft – und damals sorgten vor allem Marcel Hirscher und Anna Veith dafür –, liegt auf diesen Erfolgen auch der ganze Fokus. Das ist schon richtig.

Braucht es wirklich fünf, sechs Paar Ski im Nachwuchsbereich, in den Schülerjahren, im Jugendbereich? Reichen nicht zwei Paar Ski? Muss ich wirklich im Sommer nach Übersee fliegen? Das sind alles Dinge, die wir jetzt diskutieren und auch regeln wollen.

ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober

über Lösungsansätze im Nachwuchs

Hat man die Nachwuchsprobleme deshalb nicht ernst genug genommen?

Stadlober

Noch vor meiner Zeit, schon im Jahr 2015, hat Peter Schröcksnadel erkannt, dass man sich dringend anschauen muss, wo wir im Nachwuchs stehen, wie viele da in der FIS-Weltrangliste unter den besten 100 sind. Dabei hat sich schon gezeigt, dass wir nicht da sind, wo wir hinsollten. Die Herausforderung besteht darin, hier einen gemeinsamen Weg mit den Landesverbänden und den Vereinen zu finden.

Wie viele Karrieren scheitern am Geld? Wenn man in jungen Jahren am Saisonende die Kaderkriterien nicht erreicht, müssen die Eltern alles selbst zahlen – vom Material bis hin zu den Trainingslagern, am besten auch in Übersee.

Stadlober

Wenn man in keinem Kader ist, entstehen natürlich Kosten. Aber die Frage stellt sich tatsächlich: Braucht es wirklich fünf, sechs Paar Ski im Nachwuchsbereich, in den Schülerjahren, im Jugendbereich? Reichen nicht zwei Paar Ski? Muss ich wirklich im Sommer nach Übersee fliegen? Das sind alles Dinge, die wir jetzt diskutieren und auch regeln wollen.

Wenn Peter Schröcksnadel das Problem bereits vor zehn Jahren adressiert hat: Warum gibt es nicht längst Ergebnisse?

Stadlober

Es ist ja schon etwas passiert, etwa mit dem ÖSV Future-Projekt, wo wir die Besten schon im Jugendbereich zusammen ausbilden wollen. Aber das ist in der Praxis oft gar nicht so einfach. Die Jugendlichen gehen noch zur Schule, zuständig ist damit die Schwerpunktschule oder der Landesverband. Die machen dann ihr Trainingslager, dann macht der ÖSV noch ein Trainingslager, und der Nachwuchs wird quasi im Kreis geschickt. Dadurch fehlt eine kontinuierliche Linie.

Wie lange wird der Generationenwechsel im ÖSV dauern?

In der Schweiz dauerte der Generationenwechsel rund 10 Jahre. Wie lang soll er in Österreich maximal dauern? Einen olympischen Zyklus auf alle Fälle“, sagt Stadlober im profil-Gespräch.

Haben Sie Peter Schröcksnadel eigentlich jemals angerufen und ihn um Rat gefragt?

Stadlober

Nein.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.