ORF-Star Nina Horowitz weiß fast alles über die Liebe. Hier verrät sie die Details.
Die Statistik spricht ganz klar für Nina Horowitz. Ein Drittel ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer findet, im mehrjährigen Schnitt, die Liebe, das ist eine beeindruckende Quote, auch wenn die Moderatorin einschränkend schon feststellen möchte: „Das heißt nicht, dass es immer bis zur Goldenen Hochzeit hält.“ Muss es auch gar nicht, aber dazu später. Seit dem Jahr 2020 gestaltet und moderiert Nina Horowitz für den ORF die „Liebesg’schichten und Heiratssachen“. Die 1997 von Elizabeth T. Spira erfundene Sendung zieht das Publikum immer noch geradezu magnetisch an, bis zu eine Million Menschen schauen regelmäßig zu, wie alleinstehende Österreicherinnen und Österreicher von ihren Sehnsüchten, Träumen und Peinlichkeiten
berichten. Rund 60 Interviews mit partnersuchenden Singles und glücklich gefundenen Pärchen führt Horowitz pro Jahr, erkundet die Sehnsucht nach der Liebe, die damit verbundenen Hoffnungen und den Glauben, dass sie doch irgendwann klappen muss, und wenn man noch so schlechte Erfahrungen hinter sich hat.
Die langjährige „Liebesg’schichten“-Bilanz lautet: Von mehr als 1300 Kandidatinnen und Kandidaten fanden 340 durch die Sendung eine neue Liebe; 50 Ehen wurden gestiftet (davon fünf gleichgeschlechtliche), vier Kinder gezeugt. Noch eine kleine Einschränkung: „Es passieren natürlich keine Wunder. Man muss schon bereit sein für die Liebe.“ Die Bereitschaft beginnt mit einem Online-Formular. Name, Anschrift, persönliche Angaben („Hobby, Aussehen, Träume“), Partnerwunsch („So soll mein Traumpartner sein“). Was wünschen sich Österreichs Singles, was bieten sie? Träumen Frauen vom weißen Ritter, Männer von der Schnitzelköchin? Überwiegt die Fantasie oder der Pragmatismus? Nina Horowitz berichtet:
„Es hat sich über die Jahre verfestigt, dass wirklich sehr viele Frauen von George Clooney träumen. Die meisten sagen aber gleich dazu, dass der Zukünftige eh nicht so ausschauen muss. Man ist zu Kompromissen bereit. Und wie das dann ist mit den Kompromissen in der Liebe – ja, darüber reden wir halt. Es gibt ein sehr schönes Gedicht von Heinrich Heine: ‚Mein Herz ist wie die Sonne, so flammend anzusehn, und in ein Meer von Liebe, versinkt es groß und schön.‘ Das Gedicht ist wunderbar, aber wenn es darum geht, wer jetzt den Müll runterbringt, wird es nicht weiterhelfen.“
Über den Spalt, der zwischen Romantik und Realität klafft, lässt sich leicht lachen. Aber das Wunder der Liebe liegt oft gerade darin, diesen Graben zuzuschütten: „Zuerst erzählt mir die Dame von George Clooney, und dann komme ich zum Bilanz-Interview und der Mann, der neben ihr sitzt, ist überhaupt kein George Clooney. Aber es ist wurscht, denn sie sieht ihn an, wie George Clooney vielleicht schon jahrelang nicht mehr angesehen wurde.“
Was ist das: Liebe?
Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit für ein paar klärende Worte: Was ist das eigentlich, Liebe? Bitte um eine Definition. „Bei den ‚Liebesg’schichten‘ fragt man diese Frage natürlich immer wieder, und man bekommt sehr interessante Antworten. Einmal hat mir ein Single gesagt: ‚Gengan S’, Frau Horowitz, wenn das Interview jetzt so hochtrabend wird, dann geh ich lieber auf ein Zigaretterl. Kann ich nicht einfach sagen, die Frau soll tolle Kurven haben und nicht schon in der Früh mürrisch sein?‘ Und kurz darauf spricht er so herzzerreißend über seine verstorbene Frau, wie er ihr immer den Rücken eingeschmiert und Marmeladenbrote gebracht hat und wie sie noch in Venedig waren, bevor sie gestorben ist, dass man sofort merkt: Der hat geliebt, auch wenn er keine Erklärung hat, was Liebe genau ist.“
Ganz grob kommen, so die Moderatorin, bei den „Liebesg’schichten“ drei verschiedene Arten von Liebe vor: 1. Die abstrakte Sehnsucht nach der Liebe, garniert mit blühenden Fantasien vom neuen Partner. „Diese Sehnsucht hört übrigens nie auf. Vergangenes Jahr war Helene aus dem Mühlviertel in der Sendung, 90 Jahre alt, und da frag ich natürlich: ‚Warum suchen Sie mit 90 immer noch die Liebe?‘ Darauf sagt sie: ‚Das braucht der Mensch.‘“ 2. Die misslungene Liebe, ein Quell von Geschichten und Anekdoten, die man erst mit ein bisschen Abstand lustig finden kann, dann aber wirklich: „Eine Dame hat mir erzählt, wie sie einmal den Sex in der langjährigen Ehe wieder etwas aufpolieren wollte und nur mit einer Federboa bekleidet auf ihren Mann gewartet hat. Nur ist der an dem Abend leider mit dem neuen Arbeitskollegen nach Hause gekommen.“ 3. Die geglückte Liebe, „bei der du diese Exklusivität richtig körperlich spürst – es gibt dann nur diesen einen Menschen auf der ganzen Welt. Ich mache ja auch die Bilanzinterviews mit Paaren, die sich durch die Sendung gefunden haben. Und es ist schon unglaublich, wenn man spürt, wie jemand so richtig frisch verliebt ist. Die sind wie im Drogenrausch.“
Horowitz’ Vorgängerin Elizabeth Spira hat in einem profil-Interview einmal erzählt: Bei ihr gingen Beamte immer wie die warmen Semmeln, und wenn sie noch so zauselig waren. Spielt die Versorgungssicherheit denn immer noch eine so große Rolle bei der Partnerwahl? „Na, wenn jemand in einer Villa sitzt, wird er viele Briefe kriegen. Aber die eine will einen Rocker, der mit dem Motorrad durch die Landschaft braust, die andere einen Künstler, und wieder eine andere will halt den Beamten. Also nein, ich würde das nicht so unterschreiben.“ Mehr als der berufliche Status ihrer Singles zähle, ganz schlicht, deren Ehrlichkeit – und ein gewisses Talent zur Selbstironie: „Man muss sich öffnen, wenn man bei den ‚Liebesg’schichten‘ mitmacht. Wenn man über die Liebe redet, ist man ja schnell bei der Sehnsucht und der Fantasie. Aber wenn man die Liebe lebt, gibt es eben oft auch Schlappen. Eine Dame aus Kärnten schrieb mir einmal ganz euphorisch: ‚Frau Horowitz, wir fahren jetzt nach Kroatien, ich und die Liebe meines Lebens!‘ Und fünf Tage später schreibt sie mir aus Kroatien: ‚Reise alleine ab. Er ist ein Alptraum!‘ So ungefähr haben wir das doch alle schon erlebt. Wir wurden alle schon einmal verlassen oder haben uns beim ersten Date peinlich aufgeführt. Ich kann mich leider noch gut erinnern an ein Date in einem schicken Restaurant, es ist schon sehr lange her, bei dem ich eine Suppe mit Glasnudeln bestellt habe. Es gibt nichts Glitschigeres auf der Welt. In dieser Situation hätte ich lieber auf einem Bein am Stephansplatz stehend ‚One Moment in Time‘ von Whitney Houston gesungen, als dieses Date zu Ende zu bringen. Das Leben ist im Kern oft einfach sehr lächerlich.“
Manchmal ist es aber auch für Überraschungen gut, man könnte fast meinen: für Wunder. So wie bei Helga aus Tirol. Helga war auf der Suche nach einem Partner, hatte aber Bedingungen. Ihr Zukünftiger müsse bereit sein, die Hälfte des Jahres mit ihr in Nepal zu verbringen, wo sie eine Hilfsorganisation leitet. „Da hab ich sie schon gefragt: ‚Helga, wer soll sich da melden? Wollen Sie das wirklich so eingrenzen?‘ Aber sie hat darauf bestanden und gesagt: ‚Ja, denn das ist mein Leben.‘“ Und siehe da, es fand sich: Edi. Ebenfalls aus Tirol. „Und jetzt kommt’s: Edi hat auch eine Hilfsorganisation in Nepal. Und wohnt in Tirol keine 30 Minuten von Helga entfernt. Die beiden sind übrigens immer noch sehr glücklich, erst gestern hat sie mir eine SMS geschrieben. Das geht dann schon wirklich in Richtung Hollywood-Geschichte. Da war ich doch verdutzt.“
Von Glück, Hollywood oder der möglicherweise auch nicht ganz zu vernachlässigenden Anziehungskraft der TV-Präsenz einmal abgesehen: Gibt es, wenn man sich die geglückten Verbandelungen bis hin zu den tatsächlichen Heiratssachen ansieht, so etwas wie ein Erfolgsgeheimnis? Wie gelingt Liebe, wenn sie im Alltag ankommt, also zwei Menschen betrifft, die ein normales Leben führen? Nina Horowitz zögert nicht lange mit einer Antwort. Natürlich kennt sie das Geheimnis: „Das Geheimnis ist, dass man es schafft, den Druck rauszunehmen. Dass man nicht immer glaubt, Liebe müsse alles sein. Wenn man darauf beharrt, in der Liebe muss immer alles leicht sein, es darf immer nur gute Gefühle geben und Rosenblätter auf dem Kopfpolster, dann wird das auf Dauer nicht funktionieren. Ich habe die herrlichsten Geschichten gehört darüber, auf welche Arten romantische Dinner schiefgehen können. Man muss den Druck herausnehmen, der aus diesen Bildern und Vorstellungen stammt, die uns suggerieren, wie die Liebe sein muss, wie Sexualität zu sein hat, wie man selbst oder der Partner sein sollte. Es gibt dazu den schönen Begriff von der atmenden Liebe, den der Philosoph Wilhelm Schmid geprägt hat. Das bedeutet, dass man dem anderen Raum gibt und trotzdem eine Innigkeit verspürt.“
Bei der Ausgestaltung dieses Beziehungsraums dürfe man auch vor dem schrecklichen Wort „Beziehungsarbeit“ nicht zurückweichen, oder zumindest nicht vor dem, was es meint: „Das klingt wahnsinnig unromantisch, aber es ist nun mal so. Man muss an der Liebe arbeiten. Das heißt auch, dass man versucht, ein gewisses Gleichgewicht in der Beziehung zu halten. Wenn ich mit Frauen über gescheiterte Beziehungen rede, dann ist die Geschichte oft die: Es war eine glückliche Beziehung, es kamen Kinder, und der Mann führte sein Leben weiter wie gehabt. Hatte nach der Arbeit noch Verabredungen mit Kollegen, machte Dienstreisen nach Paris oder Gramatneusiedl, und die Frau blieb zu Hause bei den Kindern, die ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt haben. Wie soll das langfristig gut für die Liebe sein?“
Zum Schluss noch eine allerletzte, wichtige Weisheit. Sie enthält eine Nachricht, die auf den ersten Blick vielleicht schlecht aussieht, aber tatsächlich eine gute ist: Planen kann man die Liebe nicht. Aber man kann sich auf sie einlassen. „Das erfordert natürlich extrem viel Mut, denn man muss Schwäche zeigen. Wir leben in einer Welt, in der es nicht besonders angesagt ist, Schwäche zu zeigen. Wenn ich mir Instagram anschaue, ist da alles leicht und toll. Aber so ist halt das Leben nicht. Es gibt von Max Frisch die schöne Frage: ‚Würden Sie gern mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?‘ In meinem ersten Interview für die ‚Liebesg’schichten‘ habe ich genau diese Frage gestellt. Michelle aus Wien hat mir darauf geantwortet: ‚Ich möchte mehr lieben und weniger leiden.‘ Damit ist Michelle nun wirklich nicht allein. Wir alle wollen ja ganz ähnliche Dinge: geliebt werden, Nähe empfinden. Die einen schaffen es, die anderen nicht so gut.“