Massentourismus

Overtourism im Jahr 2024: Wir urlauben die Welt kaputt

Reisende ruinieren die Umwelt, verdrängen die einheimische Bevölkerung und verbrauchen wichtige Ressourcen. Wie sich der Tourismus ändern muss, warum das schwierig wird – und wie es trotzdem gelingen kann.

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Venedig sehen und sterben. Am Gedränge auf der Rialtobrücke, am dreckigen Wasser im Kanal oder an der überteuerten Pasta beim Markusplatz. Am Klimawandel und an der Inflation. Am Tourismus. Der Zauber der Lagunenstadt wirkt, trotz allem, anziehend. Auf Millionen von Menschen, auf zu viele. Venedig, die überlaufene Stadt, wurde zum Paradebeispiel für eine Entwicklung, die längst nicht nur an der Oberen Adria herrscht.

Rund 1,3 Milliarden Menschen waren im Jahr 2023 als Touristen im Ausland unterwegs, die statistische Verlaufskurve seit dem Jahr 1950 (25 Millionen Touristen – weltweit!) erinnert optisch an das Matterhorn, die Jahre 2020/21 dagegen an die Eiger-Nordwand: steiler Abfall, Stillstand dank Corona. Seither: ein Wiederanstieg im atemberaubenden Bereich. Der Corona-Knick wurde schon im Vorjahr fast überwunden, heuer schwingt sich die internationale Reisetätigkeit zu neuen Höhen auf. Und rührt an alten Problemen. Wer während der Pandemie die Hoffnung hegte, dass sich die Nachhaltigkeit im Tourismus durchsetzen werde, darf sich als widerlegt betrachten.

Wir urlauben die Welt kaputt.

Tourismus lebt von Naturschönheit und kulturellem Glanz, doch beides wird vom Tourismus in Mitleidenschaft gezogen. Internationale Reisende beschädigen städtische Infrastrukturen, torpedieren den einheimischen Alltag und das gesellschaftliche Leben vor Ort, fördern CO2-Emissionen und Bodenverbrauch, Wasser- wie Wohnungsknappheit.

Die Welttourismusorganisation UNWTO definiert Übertourismus als „die Auswirkungen des Tourismus auf ein Reiseziel oder Teile davon, die die wahrgenommene Lebensqualität der Bürgerinnen und oder Besucherinnen in übermäßiger Weise negativ beeinflussen.“

Im Sommer 2024, dem Jahr, als der Corona-Knick endgültig wieder aufgeholt wurde, eskalierten diese Probleme. In Barcelona protestierten Tausende gegen den Massentourismus, der ihre Stadt verändert; einige schossen gar mit Spritzpistolen auf die Touristen auf den „Ramblas”, Barcelonas Flaniermeile. Auf Mallorca fanden ähnliche Demos statt, italienische Städte stöhnten unter dem Andrang, Amsterdam warb dafür, die Stadt bitte lieber nicht zu besuchen.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.