Wider den Pomp und die Selbstherrlichkeit der Kirche: Papst Franziskus ist tot.
Am Morgen des Ostermontags, nur einem Tag nach dem Auftritt des sichtlich noch angeschlagenen Papst am Ostersonntag, verkündete Kardinal Kevin Ferrell, „Camerlengo” ( Schatzkämmerer) des Vatikans der Weltöffentlichkeit : „Um 7 Uhr 35, kehrte Franziskus, Bischof von Rom, ins Haus des Vaters zurück.” Trotz Warnungen seitens der Ärzte hatte der 88jährige Papst Franziskus seit seiner Entlassung aus der Obhut der Gemelli-Klinik am 23. März zahlreiche Pflichten wahr genommen. Seine Osterbotschaft musste er, zu geschwächt, verlesen lassen und warnte darin unter anderem vor dem wachsenden Antisemitismus.
Der Theologe, Priester, Religionssoziologe und profunde Kenner des Vatikans Paul Zulehner würdigt im folgenden Text einen Papst voll des Reformwillens, „einem Hoffnungsträger in einer angstgetränkten Welt”.
Nachruf von Paul Zulehner
Ein Cartoon bald nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus 2013 zeigt ihn, wie Gott ihm einen Besen überreicht. Der neue Papst hat ein Paket von Skandalen von seinem Vorgänger geerbt, neue gesellten sich dazu. Die Vatikanbank war im Verruf, der sexuelle und geistliche Missbrauch von Kindern durch Kleriker, Nonnen und Laien erschütterte die Weltkirche. Inzwischen sind die Finanzen saniert. In die Aufarbeitung des Missbrauchs und dessen Prävention hat Franziskus viel Kraft investiert.
Innerkirchlich erwies sich Franziskus wie ein kundiger ärztlicher Diagnostiker. Er hielt eine Kirche, die um sich selbst kreist, für krank. Der ererbte Klerikalismus, der geistliche Vollmacht zum Machtmissbrauch nützt, war für ihn wie ein Krebsgeschwür.
Dabei hatte der Papst, der von weit her geholt wurde, wie er selbst bemerkte, sein Amt mit großen Visionen angetreten: Er wollte das Evangelium, seine Freude und Zärtlichkeit in die Welt hineinsingen. Seine „Regierungserklärung“ trägt darob den Titel „Evangelii gaudium“. Von seinem Namensgeber, dem heiligen Franz von Assisi, übernahm er die Leitlinie „vangelo senza glossa“: das Evangelium ohne verdunkelnde dogmatische und moralische Ablagerungen. Aus dem Schatz des Evangeliums hob er das grenzenlose Erbarmen Gottes hervor, das vor allem jenen gilt, die keine Vorzeigefrommen sind: etwa jenen, die nach einer Scheidung gegen das geltende Kirchenrecht standesamtlich wiedergeheiratet haben. Auch sie sollten, seelsorglich begleitet, wieder die volle Gemeinschaft mit der Kirche erleben und die Kommunion empfangen. In seiner Biographie vermerkte er, dass beim Konklave ein strenges „extra omnes“ ertöne. Im Leben der Kirche aber müsse das Motto lauten: „intra omnes“. Das treffe auch für jene zu, die nicht in das katholische Idealbild passen, wie etwa Homosexuelle, die er segnete. Wer bin ich, dass ich richte, so seine Antwort, die er den Hardlinern entgegenhielt.
Innerkirchlich erwies sich Franziskus wie ein kundiger ärztlicher Diagnostiker. Er hielt eine Kirche, die um sich selbst kreist, für krank. Der ererbte Klerikalismus, der geistliche Vollmacht zum Machtmissbrauch nützt, war für ihn wie ein Krebsgeschwür. Einer klerikalen Kirche setzte er den Traum von einer synodalen Kirche gegenüber. In dieser zähle dank der Taufe eine fundamentale Gleichheit aller, in der es natürlich auch ein Amt gibt, das aber im Dienst des Volkes Gottes steht. Die dreijährige Synode hat diese Sanierung der Kirche ein gutes Stück vorangetrieben. Man kann gespannt sein, wie mit diesem epochalen Projekt unter einem neuen Papst umgegangen werden wird.
Doch weit mehr als die Sanierung der Kirche bewegte den Papst die Lage der taumelnden Welt. Aber in dieser ortete er Übel, zu denen er vor allem die mjtleidlose Gleichgültigkeit gegenüber den Leidenden und Schwachen zählte. Bei einer Gedächtnisfeier zum Ende des Ersten Weltkriegs in Redipuglia sprach er von einem Dritten Weltkrieg auf Raten. Er erinnert in seiner Biographie in drastischen Erzählungen, wie der Obere seines Ordens Pedro Arrupe den Abwurf der Atombombe in Hiroshima am Rande der Stadt miterlebt hatte. Angesichts der Massenvernichtungswaffen könne es keinen gerechten Krieg mehr geben. Dem Klimanotstand widmete er die erste päpstliche Ökoenzyklika „Laudato si“ und mahnte die Verantwortlichen zu einer entschlosseneren Klimapolitik. Große Sorge bereitete ihm, dass Menschen in ihrer Heimat nicht leben können und dass Schutzsuchende nicht aufgenommen und integriert werden. Sein Eintreten für Migrantinnen und Migranten unterstrich er durch Besuche von Lampedusa oder Lesbos; aus Lesbos nahm er umgehend Flüchtlinge in den Vatikan mit. Politikern empfahl der Anhänger eines nichtmarxistischen Zweigs der Befreiungstheologie, statt populistisch lieber populär zu sein und auf die Sorgen des Volkes zu hören.
Von Papst Franziskus wird in Erinnerung bleiben, dass er praktisch wie theoretisch das Papstamt umgestaltete. Er überraschte vom Balkon nach der Wahl die wartende Menge mit einem Bona sera und der Bitte um den Segen der Menge. Kleidung, Wohnung, Kleinwagen, aber auch die Fußwaschung von Gefangenen und muslimischer Frauen sind unvergesslich. In dogmatischer Hinsicht setzte er den Umbau des Petrusdienstes um. Er bezeichnete sich demonstrativ als Bischof von Rom, rehabilitierte den Titel Patriarch des Abendlandes und setzte die Bemühung seiner beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. fort, das Papstamt ökumenefit umzugestalten. Das Vernetzen der Religionen beschränkte sich aber nicht nur auf die anderen christlichen Kirchen, sondern bezog sich auch auf Judentum und Islam. Mit dem Großimam Achmed al Tayyeb verfasste er eine vielbeachtete Deklaration über die universelle Brüderlichkeit aller Menschen.
Franziskus hat unermüdlich Hoffnung gesät. Nun hat die angstgetränkte Welt einen Hoffnungsträger weniger.