"Peter Pane": Nimmerland der Hamburger
Ich habe keine Ahnung, warum ausgerechnet Burgerbuden zu Namen neigen, die das berüchtigte Fremdschämen evozieren. Da gibt’s in Wien einen Laden, der nennt sich vermeintlich appetitanregend „Rinderwahn“. Warum? Gibt’s denn auch Backhendlstationen namens „Vogelgrippe“? Nun ist ein weiterer Hamburger-Bräter aufgetaucht – vis-à-vis vom Wiener Westbahnhof, am Ende der Mariahilfer Straße im Bug eines Flat Iron Buildings für Arme. Er heißt – wir atmen kurz durch, rollen einen Moment mit den Augen – „Peter Pane“ – und weil da jemandes Persönlichkeitsrechte verletzt worden wären, wenigstens nicht „Bread Pitt“; der Junge aus Nimmerland, der nie erwachsen wird, kann sich halt nicht wehren. Es scheint also, neben dem Fleisch, mindestens ebenbürtig ums Brot zu gehen.
„Peter Pane“ ist jedenfalls ein mutiges Unternehmen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das kürzlich eröffnete Lokal ist das 25. einer erst 2016 in Norddeutschland gegründeten Kette und das erste außerhalb Deutschlands. Der Unternehmer Patrick Junge hat den Schritt gewagt, als er seinen Franchise-Vertrag mit dem Burgerladen „Hans im Glück“ verlor. Ich kann die Frage, die sich der „Spiegel“ angesichts von Junges Initiative stellte, gut nachvollziehen: „Wer braucht noch eine weitere Burgerkette?“
Welcher RTL 2-Comedian hat die Speisekarte verfasst?
Weiter gedacht: Wer braucht in Wien eine Burgerkette, in der es Salat mit Möhren und Meerrettich gibt, ein Pfund Fritten mit Soße nach Wahl, Reibekuchensticks, und das alles selbstverständlich lecker bis dort hinaus. Man könnte mir jetzt entgegnen: Wozu brauchen wir noch ein österreichisches Idiom, um das Trennende der gemeinsamen Sprache zu unterstreichen, wenn wir doch eh schon bis in den Grund der tiefsten Suppenschüssel vermälzert sind? Den Menschen im „Peter Pane“, denen ich nicht wünsche, schnell auf einen Burger hierher zu kommen, bevor drüben am Bahnhof ihr Zug abfährt (so ein Salat und ein Burger können hier nämlich ganz schön lang dauern), ist das hanseatische Idiom sicher auch egal. Die jungen Japaner, die einander unter einem gigantischen Plastik-Ficus fotografieren, bis endlich das essbare Motiv auftaucht, werden sicher nicht nach Karotten, Kren und Erdäpfelpuffern gieren.
Die Burger: Sie heißen Waldmeister, Kaiserreich, Lagerfeuer, Wilder Bert oder Schimmelreiter (was sich nicht auf den norddeutschen Schriftsteller Theodor Storm bezieht, sondern auf den dazu gereichten Blauschimmelkäse; welcher RTL 2-Comedian mag wohl die Speisekarte verfasst haben?).
Bessere Burgerlaberl gibt’s in Wien derzeit nicht viele
Man kann das Rindfleisch gegen 2,90 Euro Aufzahlung auch dry aged haben, was nichts daran ändert, dass die CD-großen Scheiben in ihrer Dichte einem Neutronenstern ähneln; ihre Anziehungskraft kann trotzdem nicht mithalten.
In der Tat ist, wie schon der Name sagt, das Brot das Beste. Sauerteig, Mehrkorn oder Brioche – Anerkennung, bessere Burgerlaberl gibt’s in Wien derzeit nicht viele.
Was wir noch erwähnen wollen: Außer mit Rind gibt’s die Burger auch mit Huhn oder vegetarisch; dass ein Salatteller namens „Zickensalat“ mit Ziegenkäse, Rucola, ein paar Walnüssen und Pinienkernen gleich 11,50 Euro kostet, widerlegt eindrucksvoll die Annahme, ein Hort des schnellen Essens sei auch günstig; und wer sich, weil ja in so einem Etablissement Wein nicht so im Vordergrund steht, eine Holler-Minze-Limonade bestellt, „die dich mit Frische und Natürlichkeit überzeugen“ soll, kann nostalgisch den Geschmack des guten alten Bazooka-Kaugummis erleben.
Also nichts wie hin ins Nimmerland der Hamburger. Mit ein bisschen Glaube, Vertrauen und Feenstaub wird das schon …
Peter Pane Mariahilfer Straße 127, 1060 Wien Tel.: 01/59 53 53 020 peterpane.de Burger: 6,90 bis 12,90 Euro