Philipp Plein: King of Bling
Von Sebastian Hofer
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Ob das Glitzern in seinen Augen echt ist oder nur vom Kühlergrill des Rolls-Royce abstrahlt, der da unter Palmen vor seinem Haus in Cannes steht, lässt sich auf den Instagram-Bildern nicht genau erkennen. Ganz klar ist nur zu sehen: Philipp Plein, 45, Modedesigner aus Deutschland, ist eindeutig in seinem Element, also im prallen, offensiven, unübersehbaren Luxus. Außerdem am Bild: Pleins Lebensgefährtin Lucia Bartoli, 25, Model und Kochbuchautorin, sowie die gemeinsamen Kinder Rocket Halo Ocean, 1, (Plein nennt ihn „Zwergimann“) und der erst wenige Wochen alte Rouge Sky Galaxy.
Plein hat mehr als drei Millionen Follower auf Instagram. Das ist ein Kapital, mit dem sich wuchern lässt, und Plein wäre nicht Plein, würde er nicht wuchern. Also zeigt er auf dem sozialen Netzwerk, was er hat: seine Familie (konsequent in Plein-Looks), seine Autos (Rolls-Royce, Lamborghini, Mercedes G), seine Häuser (Cannes und Bel Air), seine Privatjettrips (ständig), seine Shops (aktuell fast 100), seine Designs. Man sieht einen ausgestopften Vorzimmerlöwen, eine Garage, in der schwarze Kronleuchter hängen, ein Schlafzimmer, in dem nur der Flachbildfernseher nicht mit dem Philipp-Plein-Logo-Muster bedruckt ist – und selbstverständlich auch einen mannshohen Kuchen in Sneakerform.
Das ist nur konsequent, denn auch Pleins Mode sieht häufig so aus, als hätten Kinder sie sich ausgedacht, also zum Beispiel Sechsjährige beim Geheimagent-Spielen. Der Flakon seines Herrendufts „NO LIMIT$“ ist ein schönes Beispiel:
Er ist einer schwarzen Kreditkarte nachempfunden, darauf ein Totenkopf-Logo und eine schlichte Zahl: 1.000.000.000.000. Die offizielle Produktbeschreibung dazu sagt eigentlich alles: „ERHALTE ZUGANG ZU DEM AUFREGENDEN HOCHSPANNUNGSLEBEN VON PHILIPP PLEIN. NO LIMIT$ ist eine einzigartige Einladung an die Philipp Plein Community weltweit, eine Welt zu betreten, die aus grenzenlosen Gelegenheiten, uneingeschränkter Macht, Geld, Erfolg, Spaß und Vergnügen besteht.“ Der Spaß hört bei der schillernden Verpackung zum Glück nicht auf, denn der „vom König des Parfums, Alberto Morillas“ kreierte Duft hat es ganz schön in sich: „NO LIMIT$ ist der Schlüssel dazu, mehr zu erreichen, als du dir je erträumt hast. Tritt ein in den Club, zu dem dir soeben Einlass gewährt wurde!“
Dazu werden erhebliche Mittel aufgewendet:
„ENERGIE: Besonders strahlende aquatische Noten – Bergamotte – Ingwer.
$$$$ GELD: Schwarzer Pfeffer – Kardamom – Zimt – Gewürznelken – Sternanis.
SEX & ANZIEHUNG: Dunkle Schokolade – Schwarze Bourbon-Vanille – Weihrauch – Schwarzer Amber Akkord.
KRAFT: Hightech Laser-Holz – Zedernholz – Patschuli – Oud-Leder-Akkord.“
Bei der Modemesse Bread & Butter in Berlin 2006 baute er anstatt eines Messestands eine Geisterbahn auf; Motorräder, Hubschrauber und leicht gestrige Rapper zählen zu seinen bevorzugten Messerequisiten.
Am Anfang war das Hundesofa
Philipp Plein, der heute vom schweizerischen Lugano aus ein finanziell unabhängiges 200-Millionen-Unternehmen führt und vom Mode-Establishment zwar kaum ernst genommen, aber für seinen Erfolg doch relativ respektiert wird, bewohnt eine Traumwelt, die er sich, auf der Grundlage gut abgehangener Klischees, selbst kreiert hat. Der Traum begann mit einem Hundesofa. Das Sofa war nicht aus Hightech-Laser-Holz, sondern aus gebürstetem Edelstahl und Leder in Kroko-Optik, darauf lagen Straußenleder-Polster und solche mit Strass-Stickereien, die allersimpelste Begriffe wie „Sexy“, „Glamour“, „Famous“ wiedergaben. Was nahe liegt, muss nicht schlecht sein. Form follows function, und die Funktion ist: Erfolg.
Konsum- und Verkaufspsychologie ist in der Plein-Welt wichtiger als Design im klassischen Sinn, seine Markenbotschafter sind auch keine distinguierten Fashion-Insider, sondern Leute, die etwas erlebt haben und teils auch schon verlebt wirken, Leute wie Lindsay Lohan, Tommy Lee, Mickey Rourke, Nicolas Cage. Ein typisches Stück aus Pleins „Cruise Collection 2024“: Langarm-Hemd weiß im „Sugar Daddy Cut“ mit Schlangen-Design (aus Strass) am Rücken, bei Plein.com erhältlich für 1370 Euro oder 0,04092852 Bitcoin.
Verrückte Idee? Sofort umsetzen!
Die „Süddeutsche Zeitung“ nannte Plein ein bisschen spöttisch auch schon den „kleinen Gatsby“, tatsächlich pflegt er ein Image als Fashion-Außenseiter, spricht oft im Business-Kauderwelsch eines TikTok-Motivationstrainers und Englisch mit starkem süddeutschen Akzent. Plein ist in seinen Fantasien zwar tendenziell over the top, aber real auch oft am Boden. Der Billionaire-Lifestyle fliegt ihm nicht zu, er rackert schwer dafür, und manchmal merkt man es auch.
Tobias Bayer, ehemaliger „Financial Times“-Redakteur, heute Italien-Korrespondent des Fachmagazins „Textilwirtschaft“, zeichnet in seiner soeben erschienenen, sehr nahe am Objekt entstandenen Plein-Biografie das Bild eines hart arbeitenden, von Energydrinks und sich selbst Getriebenen, der ständig schafft und plant und verrückte Ideen lieber sofort verwirklicht, als sie zu Tode zu diskutieren. Und wenn etwas schiefläuft, springt mindestens ein Marketing-Gag dabei heraus, wie bei jenem bizarren Modeshooting 2008 auf Ibiza, für das Plein Naomi Campbell gebucht hatte, die er sich damals eigentlich nicht leisten konnte, weshalb er beim Personal sparte, was das Chaos, das das launische Supermodel entfachte, nicht kleiner machte. Aber: Er hatte es denen da oben gezeigt, den Großkopferten bei Gucci und Prada, in der „Vogue“ und in der „FAZ“ – der Philipp aus Nürnberg hat seine Naomi bekommen.
Durchbruch mit Militärjacke
Geboren am 16. Februar 1978 in München, aufgewachsen in Nürnberg, arbeitete Plein früh als Kindermodel für Quelle- und Otto-Katalog, war 1995 auf dem „Bravo Girl“-Cover (mit langen Haaren und offenem Ledergilet), später Kellner in der Nürnberger Nobeldisko Mach1, wo er etliche Kontakte knüpfte, die ihm später hilfreich sein sollten. Seine Mutter Hanne Plein war in den Anfängen eine wichtige kreative Kraft, sein Stiefvater Klaus Dieth, Kardiologe mit eigener Klinik, unterstützte den Junior finanziell. Die ganze Underdog-Geschichte ist nämlich genau das: eine Geschichte. Philipp Plein stammt aus wohlhabenden Verhältnissen. Er besuchte ein hochkarätiges Privatinternat und bekam zum 18. Geburtstag einen Mazda MX-5 geschenkt; im damaligen Wohnhaus der Familie, einer prächtigen Stadtvilla in Nürnberg, gründete er 2000 die Philipp Plein GmbH, Unternehmensgegenstand: „Die Veranstaltung und Organisation von Messen im Internet sowie von Industrieauktionen, einem Online-Messe-Shop und von Webhosting, ferner die Tätigkeit als Dekorationsnäher, das Design von Möbeln, der Handel mit Mobiliar und Haus- und Gartenartikeln sowie der Betrieb einer Werbeagentur.“
Das besagte Hundebett war zu dem Zeitpunkt schon am Markt, den eigentlichen Durchbruch brachten, nach einer Idee von Hanne Plein: Militärjacken aus Army-Shop-Beständen, rückseitig beklebt mit Strasssteinchen, meistens im Totenkopf-Motiv – auf den ersten Blick absurd, tatsächlich ein Bestseller. Ab 2006 stieg Plein damit in großem Stil ins Modegeschäft ein. Heute gibt es knapp 60 Plein-Boutiquen in Europa, Amerika und Asien sowie 35 Filialen seiner Nebenlinie „Plein Sports“, aber es gehört zum Plein-Modell, groß zu denken, also will er in den nächsten zwei, drei Jahren bis zu 300 Filialen eröffnen. Ganz neu auch die „Plein Golf“-Linie, die bislang nur in Korea angeboten wurde und dieser Tage bei der Münchner ISPO präsentiert wird. Sie umfasst strassbesetzte Golfschläger und intensiv logo-bedruckte Leder-Golftaschen.
Mit einem Jahresumsatz von gut 200 Millionen Euro ist Plein im Luxussegment kein riesiger Player, aber er verzeichnet eine stattliche Umsatzrendite und einen operativen Gewinn von über 30 Millionen Euro, hat verhältnismäßig wenige Angestellte und klotzt dafür bei seinen Präsentationen und Schauen. Bei der Modemesse Bread & Butter in Berlin 2006 baute er anstatt eines Messestands eine Geisterbahn auf; Motorräder, Hubschrauber und leicht gestrige Rapper zählen zu seinen bevorzugten Messerequisiten. Dazu kommen die billige Social-Media-PR und ein ausgefuchstes Verkaufssystem, das sehr früh, nämlich schon ab 2009, auf den Online-Handel fokussierte und vor allem auch mit einer intensiven persönlichen Bearbeitung von VIP-Kunden reüssiert.
Seine neuen Uhren-Modelle heißen Crypto King und Crypto Queen beziehungsweise Red Crystal Slayer oder Noire Carbon Gladiator. Das ist alles ein bisschen lächerlich, aber auch wenn man es seinen Kreationen nicht ansieht, nimmt Plein seine Kundschaft sehr ernst. Und das spürt diese auch.
Es vulgärt im Kreativkessel
Sein Biograf Bayer beschreibt Pleins Fanbase: „Sie wähnen sich, Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft, ja eines Clans, zu sein, der sich gegen die Außenwelt abschottet und sich gegen den Mainstream stemmt. (…) Auffällig ist, dass Plein einen Schlag bei Kleinunternehmen und Selbstständigen zu haben scheint. Er stößt auf Resonanz bei denen, die sich täglich den Rücken krumm machen und Widerstände beiseiteräumen. Es sind die Helden des Alltags, die oft übersehen werden. Sie tragen Plein, damit sie endlich mal aus der grauen, gesichtslosen Masse herausstechen.“
Das Tragen von Phillipp-Plein-Mode signalisiert eine offensive Schambefreiung und sagt überdeutlich: „Ich mache mein Ding und kümmere mich nicht um eure Ansprüche.“ Plein-Design, das ist Swarovskibarock und Oligarchenrokoko, eine Hochpreisversion von Ed Hardy, die ihre Hochpreisigkeit auf möglichst billige Weise demonstriert. Plein-Kunden würden nie distinguierten Winzerchampagner bestellen, sondern immer nur Moët, weil den jeder erkennt, und damit es wirklich jeder checkt, wird eine Magnum bestellt und mit dem Säbel entkorkt. Es besteht die realistische Möglichkeit, dass irgendwo in einem Plein-Store ein strassbesetzter Champagner-Säbel herumkullert. Plein-Sein heißt: zu große Uhren tragen, ein zu dickes Ego und zu weit offenes Hemd. Pleins Mode, eine Art Roberto Cavalli mit Turboeinspritzung, wirkt für den Alltag wie eine Dosis hochgemotztes Trash-TV, es ist das krasse Gegenteil von dem eben angesagten, minimalistischen Quiet Luxury.
Es vulgärt gewaltig im Kreativkessel des Philipp P. Soeben wurde eine neue Strandmode-Linie aus der Taufe gehoben, es gibt Plein-Düfte, Plein-Brillen, immer noch Plein-Möbel (auch das Hundebett) – und ab dem nächsten Frühjahr ein Plein-Hotel in Mailand. Derzeit wird gerade die neue Uhren-Linie gepusht, Plein nennt sie freilich „Time Machines“ und die zuständige Unternehmensabteilung „Luxury & Disruptive Swiss Watchmaking Division“. Die Modelle heißen Crypto King und Crypto Queen beziehungsweise Red Crystal Slayer oder Noire Carbon Gladiator. Das ist alles ein bisschen lächerlich, aber auch wenn man es seinen Kreationen nicht ansieht, nimmt Plein seine Kundschaft sehr ernst. Und das spürt diese auch. Pleins Credo lautet : Selbst mit dem verwegensten Geschmack kannst du ganz oben ankommen.
Sein eigenes Lebensziel formuliert Philipp Plein, der King of Bling, dann auch ganz realistisch: „Ich werde den Nobelpreis nicht gewinnen. Ich werde die Welt nicht retten. Ich werde einfach reich. Das ist alles.“
Sebastian Hofer
schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.