Gerichtsurteil

Pizzeria Madre: Gutes Essen, denkwürdiges Service

Das Wiener Gasthaus Mader stülpt sich ein Pizza-Konzept über und heißt jetzt Madre. Ganz schön abenteuerlich.

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Eigentlich könnte es hier im 15. Wiener Gemeindebezirk richtig viel Spaß machen, für Tempo ist jedenfalls gesorgt: In der Markgraf-Rüdiger-Straße wurde das altehrwürdige Gasthaus Mader erst kürzlich zum Neo-Wirtshaus Mader – und nun auch schon wieder: zur Pizzeria Madre. Haha!

Mit Marketing kennt man sich hier jedenfalls aus, pfiffige Insta-Videos zeigen etwa den Zusammenbau des direkt aus Italy nach Rudolfsheim-Fünfhaus gelieferten Pizzaofens. Vor Ort erwartet den Gast dann etwas, das ziemlich genau so aussieht, wie sich Österreicher Italien vorstellen, die bisher nur in Lignano waren: Rot-weiß-karierte Tischdecken sind jedenfalls am Start – megaironisch natürlich, noch find ich’s sogar lustig.

Das an sich flinke Service schafft es aber, dass es mit dem Spaß bald ein bisschen zu viel wird. Ja, ich habe mich beim Bestellen vertan und formte aus den laut Karte ,„Taggiasche“-Oliven irgendwelche obskuren „Teigtaschen“. Das war lustig und auch einigermaßen peinlich für mich. Ob ich mich als Gast deshalb vom mir vollständig unbekannten Service auslachen lassen mag? Nun ja, nein. Auch wenn’s noch so dämlich war.

Die Vorspeise „Giardiniera“ (Bild oben) besteht aus eingelegtem Karfiol, besagten „Taggiasca“-Oliven, Kapern, Paprika, und das alles steht auf einem (nicht eingelegten) Rucola-Fundament. Ob man es nun nostalgisch oder altbacken findet, dass man Pfeffer auf den Tellerrand streut … Es passt zum Konzept.

Während uns die Abluftwärme der Slush-Maschine mit ihrem Aperol-Slushy-Inhalt ins Genick bläst, kommen drei wirklich perfekte Pizzen zum Tisch. (Ja, wir hätten sicher einen anderen Tisch bekommen, wenn wir danach gefragt hätten. Bloß: Es ändert nichts, weil wir das Slush-Problem nur an unsere Nachfolger vererbt hätten.)

Alle drei Pizzen bestehen aus einem dünnen Teig, der nicht gatschig wird und am Rand herrlich luftige Blasen schlägt. Toll auch die fruchtig-würzige Tomatensauce aus San-Marzano-Tomaten, einwandfrei der Mozzarella. Die „Napoli“ mit Sardellen und Kapern wirkt auf den ersten Blick zwar, als hätte man etwas zu wenig von beidem verwendet, aber das täuscht: Der Belag wurde genau richtig ausbalanciert, und die Salzigkeit der Zutaten bekommt so niemals Überhand. Das gilt auch bei der „Vegetariana“ (Bild ganz oben) mit Peperoni, Aubergine und Zucchini. Der Gemüsebelag ist superfrisch, viel mehr kann man nicht erwarten. Dann noch die „Milano“ mit, laut Karte, Salami aus der alteingesessenen, seit 1806 bestehenden Fleischerei Falorni aus Greve in Chianti. Durch Gedankenkraft wird die Pizza gleich noch besser.

Beim Abservieren fragt mich das Service dann gleich zweimal, ob ich nicht die übrig gebliebenen Pizzaränder meiner Begleitpersonen aufessen mag. Es wäre auch beim ersten Mal schon unpassend genug gewesen. Ganz generell scheint die Belegschaft zu glauben, dass sich alle Gäste für die interne Arbeitsaufteilung interessieren. Immerhin: Das Surren der Slush-Maschine überdeckt die lautstark vorgetragenen Arbeitsanweisungen und Schulungsmaßnamen innerhalb der Kollegenschaft.

Ernsthaft: Ich hätte das Madre gerne gemocht, und es gibt Gründe, das auch zu tun. Die Pizzen waren top, Vorspeisen und die hausgemachte Panna Cotta wie auch das Tiramisu adäquat, das Konzept kann man leicht bizarr oder auch sympathisch-lustig finden, bei mir ist es Letzteres. Bloß das Service sollte vielleicht ein bisschen mehr Gespür für Witze und/oder Timing entwickeln. Als am Ende auch noch mit dem Abservieren begonnen wird, während einige Personen am Tisch noch essen, wird mir schlagartig klar: Es ist ganz einfach nicht mein Humor. 

Stimmung: Ein so ein Spaß aber auch!
Empfehlung: Besser nicht zu genau hinhören
Preisverhältnis: Pizzen zwischen 8 und 16 Euro

Pizza Madre, Markgraf-Rüdiger-Straße 12, 1150 Wien
pizzamadre.at

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.