Wir Fluiden
Sie kennen bestimmt die aktuellen Mode-Trends „Schon ziemlich ausgebeult, aber was soll‘s“, „Noch nicht allzu löchrig“ und „Zum Glück sieht es niemand“, schließlich haben wir alle im Schatten der blind geschalteten Webcams kreativ an deren Entwicklung mitgearbeitet. Angelika Hager, Leiterin des Ressorts Gesellschaft und den schnieken Dingen im Leben nicht abhold, stellt in der aktuellen Ausgabe unter dem Titel „Pyjama-Party!“ bange die Frage: Was werden wir anziehen, wenn wir dereinst nicht mehr bloß das Haus verlassen, um uns in einer Teststraße ein Stäbchen in die Nase rammen zu lassen?
Es ist – nach Wohnen, Essen und Reisen – der vierte Teil der Serie „Das Leben danach“, und Hager wagt eine vorsichtige Prognose: Die „textile Verwahrlosung“, wie die strenge Autorin unsere derzeitigen Outfits ohne falsche Nachsicht beschreibt, werde auch nach der Pandemie als Tendenz zur „Fluidness – also einem Aufheben von Dresscode-Vorschriften“ erhalten bleiben. „Fluidness“ praktizieren die Mitglieder der profil-Redaktion etwa, wenn sie im „Schau TV“ zum „profil-Talk“ anrücken, wie zuletzt Wirtschafts-Ressortleiter Michael Nikbakhsh, der sprachlich flüssig und kleidungsmäßig fluid die Titelgeschichte „Die Buberl-Protokolle“ erläutert.
Die Modeindustrie sorgt dafür, dass Fluidness nicht Umsatzeinbußen bedeuten muss, für „echte Modeopfer“ empfiehlt Hager den „heißesten Hoodie“ von Prada, bedruckt mit einem Satz auf Französisch („Die Zeichen fliegen in unsre Richtung“), Preis: 1300 Euro. Nun ja.
Eine überraschende Perspektive auf die Pandemie findet sich unter dem Titel „Künstlich ist die Nacht“ auf den Kulturseiten, wo Ressortleiter Stefan Grissemann mit dem Medienwissenschafter Roberto Simanowski über dessen Buch „Das Virus und das Digitale“ spricht. Etwa darüber, welches Unbehagen daraus entsteht, dass man einander bei Video-Konferenzen nicht in die Augen sieht, weil der Blick nie auf die kleine Linse gerichtet ist. Na, da schau her!
Fassen wir zusammen: Jogginghose an, Kamera aus!
Robert Treichler
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