Psychoanalytikerin rät Österreichern zur Analyse
"Die Intensität der Emotionen hängt damit zusammen, wie stark sich jemand mit dem Fußball identifiziert", sagte die Psychoanalytikerin mit jahrzehntelanger Erfahrung noch am Mittwochabend - unmittelbar nach dem "Aus" für Österreich bei der Fußball-EM. Das individuelle psychische Engagement sei wesentlich davon bestimmt, wie groß das Selbstwertgefühl sei. Je größer, desto autonomer könne ein Mensch agieren, je kleiner, desto stärker könne die Identifikation mit sportlichen Ereignissen, mit der "eigenen Mannschaft" bzw. die Ablehnung der "Gegner" ausfallen. "Das hat weniger mit Patriotismus als mit Nationalismus zu tun", sagte Rotraud Perner. Es gehe ja darum, den anderen zu besiegen, was ja im Fußball als Kampf wahrgenommen werde.
Die Fangemeinden, die da im privaten Rahmen oder in Lokalen bzw. beim Public Viewing gehofft, gebangt und dann nach dem Abpfiff wahrscheinlich deprimiert waren, sollten jedenfalls wissen: Ihnen ging es genauso wie der österreichischen Mannschaft selbst. Rotraud Perner sagte. "Man weiß, dass die Fans da selbst 'im Kampf' sind, zwar ohne die enorme körperliche Belastung der Spieler, aber psychisch genauso belastet."
Ganz wichtig sei in einer Situation wie jetzt rund um die das Scheitern der österreichischen Equipe in Frankreich die Rolle der Medien. Rotraud Perner sagte: "Das, was in der Zeitung steht, kann die Reaktion der Leute bestärken oder abschwächen."
Bei aller Enttäuschung, das Leben sollte auch für die österreichischen Fußballfans weiter gehen - ohne Selbstbeschädigung. Die Psychoanalytikerin, die jetzt ehrenamtlich auch als evangelische Pfarrerin wirkt, sprach folgenden Ratschlag aus: "Man sollte versuchen, wieder Distanz zu bekommen. Die Fans sollten am besten mit Arbeitskollegen oder Freunden darüber reden und erfahren, wie Andere reagieren. Wir sind als Menschen keine Maschinen und können Fehler machen." Das gelte auch für Fußball-Nationalmannschaften.