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Ragù: Kochen mit Sophia

Um das stundenlang sanft geschmorte Ragù aus Neapel wird mit Recht viel Theater gemacht.

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Die Rolle der Rosa war Sophia Loren auf den Leib, den sie nach eigenen Angaben dem hingebungsvollen Genuss von Pasta zu verdanken hat, geschrieben. Rosa ist die Frau von Peppino in der Komödie "Samstag, Sonntag, Montag" (1963) des neapolitanischen Autors und Schauspielers Eduardo de Filippo; Loren verkörpert sie in Lina Wertmüllers Verfilmung aus dem Jahr 1990. Eine weitere Hauptrolle spielt ein identitätsstiftendes Pasta-Gericht aus Neapel: Ihre Majestät, das Ragù, wie man in Partenope, einem alten Namen für Neapel, gerne sagt. Rosa kocht es jeden Sonntag und kränkt sich jeden Sonntag, weil Peppino es nicht ausreichend wertschätzt. Ich liebe "Samstag, Sonntag, Montag" von Lina Wertmüller; es ist ein Juwel unter den kulinarischen Farcen und Komödien, die sich um Speisen drehen wie etwa "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" (Gazpacho) oder, wie schon der Titel verrät, "Couscous mit Fisch".

Jetzt ist eine gute Zeit für das das Herz und die Seele erwärmende Ragù napoletano mit der passenden Pasta, im lokalen Dialekt einfach ò rraù. Zeit ist auch eine der wichtigsten Zutaten in diesem stufato, wie gulaschähnliche Schmorgerichte in Italien genannt werden. Daher rührt auch sein volkstümlicher Name ragù guardaporta , weil der Portier beim Bewachen eines Hauses Zeit genug hat, das langsame Schmurgeln zu beaufsichtigen. 'O rrraù nun 'o tuccamo, 'o rrraù nce vo'pacienzia, schreibt Eduardo de Filippo: Das Ragù rühren wir nicht an, das Ragù braucht Geduld. Andere Poeten aus der Stadt unter dem Vesuv verklären den Eintopf sogar bis ins Amouröse und Erotische. Rocco Galdieri war betört vom ll'addore d'o rrraù, dem Duft; Salvatore Palomba dichtete: L'amor, l'amor, l'amore viene e va, ma il maccherone resta; soll heißen: Die Liebe kommt und geht, aber die Maccheroni (damit sind in Neapel generell röhrenförmige Nudeln wie Ziti, Bucatini oder Paccheri gemeint), die bleiben.

Das Theaterstück um das geschmorte Ragù wird seit seiner Entstehung gerne als Verschmelzung von Kultur und Kulinarik inszeniert: Das Publikum verzehrt während der Aufführung ein ganzes Menü, und auf der Bühne kochen die Darsteller 'o rrraù. In einer frühen Inszenierung, in der Autor de Filippo selbst mitwirkte, sollte das Ragù - aus Zeitgründen naturgemäß - zwar nur aufgewärmt, die Pasta aber tatsächlich gekocht werden. Doch niemand hatte bemerkt, dass die Gaskartusche auf der Bühne leer war, und so lagen die Nudeln bloß zehn Minuten in kaltem Wasser. Gegessen werden musste trotzdem; man hörte das Krachen der hart gebliebenen Pasta im ganzen Saal-ein komödiantischer Bonustrack.

Über das Fleisch im Ragù wird viel debattiert. Manche bevorzugen nur Rind, andere Rind und Kalb, manche auch Schwein und sogar salsiccia. Ich wähle je ein knappes halbes Kilo Jarret (à la Ossobuco in Scheiben geschnittene Rinderhaxe), Ossobuco vom Kalb und Schopfbraten vom Schwein. Die Stücke brate ich in einem großen Bräter mit etwas Olivenöl an und nehme sie wieder heraus. Dann gebe ich 1 gute Handvoll der italienischen Gemüsedreifaltigkeit in den Topf: klein geschnittene Karotte, Staudensellerie und Zwiebel zu gleichen Teilen. Das Gemüse schwitze ich gründlich an, werfe 1 Lorbeerblatt, 2 zerdrückte Knoblauchzehen (Letztere optional) und 1 daumengroßes Stück Pancetta dazu, rühre noch kurz weiter und lösche mit 1/4 Liter Rotwein ab. Dann wird mutig mit Salz und grob gemörsertem schwarzen Pfeffer und besonnen mit Chiliflocken gewürzt. Zum Schluss gebe ich das Fleisch und etwa 600 ml Polpa di pomodoro dazu, rühre bei mittlerer Hitze ein bisschen um und schalte den Herd so weit zurück, dass die Sauce nur gelegentlich blubbert, wie beim echten Ragù Bolognese. Und dann passiert fünf bis sechs Stunden gar nichts.

Für den Genuss gibt es zwei Zugänge. Häufig wird nämlich nur die Sauce zur Pasta serviert (mit Pecorino oder Parmesan),und das butterweiche Fleisch folgt als Hauptgang. Ich mag lieber alles auf einmal: das Fleisch in grobe Stücke zerfieselt und mit Pasta und Sauce gut vermischt. Am liebsten sind mir Paccheri rigati. An den Rillen außen haftet die Sauce besonders gut, in den weiten Röhren finden die Fleischstücke sicheren Unterschlupf.