Rangnick bleibt beim ÖFB: Mehr Einfluss für den Teamchef
Es wäre der Supergau für den ÖFB gewesen: Teamchef Ralf Rangnick vor der Europameisterschaft zu verlieren. Der dazwischenfunkende Konkurrent hatte durchaus seine Reize: Immerhin handelte es sich um den großen FC Bayern München, einen der besten Vereine der Welt. In den letzten Wochen beklagten Verbandsmitarbeiter einen etwas unkonzentriert wirkenden Teamchef.
Den Münchnern hatten bereits mehrere Trainerkandidaten abgesagt. Sie standen unter Druck – und waren bereit, viel zu investieren. Einerseits ein hohes Gehalt (Rangnick hätte fast zehnmal so viel verdient wie beim ÖFB, der zwischen einer und 1,5 Millionen Euro pro Jahr bezahlt; in München wären es rund 30 Millionen in drei Jahren gewesen). Dazu sagten sie ihm weitreichende Kompetenzen zu. Bayerns mächtiger Ehrenpräsident Uli Hoeneß bezeichnete Rangnick zwar öffentlich als dritte Wahl und hatte einst einen Konflikt mit ihm, nun soll er sich laut profil-Informationen aber persönlich mit Rangnick getroffen und seine Wertschätzung versichert haben. Der FC Bayern stand gewaltig unter Druck. Ebenso der ÖFB (kurz vor der EM). Rangnick ließ sich derweil alle Zeit.
Der Deutsche ist ein akribischer Mann, der jedes Detail abklären will, ehe er zusagt. Bei Bayern München arbeiten mit Christoph Freund, Rene Maric, Jochen Sauer und Richard Kitzbichler Rangnick-Vertraute aus Salzburger-Zeiten. Seit vielen Wochen fanden immer wieder Gespräche mit Bayern-Verantwortlichen statt. Doch in den vergangenen Tagen war Rangnick viel in Österreich unterwegs. Er traf sich mit Sportminister Werner Kogler zu einem einstündigen Austausch. Dabei ging es um den voranschreitenden Rechtsextremismus im Land, den Rangnick beklagt – und: ein neues Nationalstadion. Am 1. Mai reiste Rangnick nach Kärnten – zum Cupfinale in Klagenfurt. Davor hatte ihm der FC Bayern laut profil-Informationen ein finales Angebot gemacht – mit vielen Zugeständnissen, die Rangnick gefordert hatte. Alleine bei der Auswahl seines Betreuerteams und der medizinischen Fachleute soll es Kritiker gegeben haben. Rangnick schlief also eine Nacht darüber.
Am Tag des Cupfinales, dem 1. Mai, fand eine Sitzung des ÖFB-Präsidiums statt. Dabei ging es noch um die Frage: Wie viel Ablöse können wir für Rangnick bekommen? Von zehn Millionen Euro war die Rede, schließlich hatte Rangnick ja noch bis 2026 Vertrag. Einige Vertreter kritisierten dazu, dass der ÖFB nicht alles in die Waagschale werfe, um den Teamchef zu halten. Im Präsidium ist vielen bewusst, dass Rangnick dem Verband im Alleingang ein besseres Image verschafft hat – und sein Weggang verheerende Folgen hätte.
Von der nahenden Entscheidung Rangnicks wussten die Landesverbandspräsidenten gestern allesamt nichts. Rangnick, so wird es profil von mehreren Seiten beschrieben, soll am Tag des Cupfinales sehr nachdenklich gewirkt haben. In kleinstem Kreis beriet er sich mit ÖFB-Mitarbeitern. Nichts sollte nach draußen dringen. In Deutschland schrieben die großen Gazetten bereits von einer nahenden Zusage Rangnicks für den FC Bayern.
Wenige Stunden vor Anpfiff des Cup-Schlagers wurde es dann spannend. Rangnick hatte sich entschieden. Es geisterte die Idee umher, er werde noch vor dem Spiel ein Statement abgeben, der ORF rechnete bereits damit. Laut profil-Informationen wurde intern in kleinster Runde nervös debattiert. Dann wurde es abgesagt.
Heute knapp vor 10 Uhr wandte sich der ÖFB mit einer Presseaussendung an die Öffentlichkeit: „Ich bin mit vollem Herzen österreichischer Teamchef. Diese Aufgabe macht mir unglaublich viel Freude und ich bin fest entschlossen, unseren eingeschlagenen Weg erfolgreich weiterzugehen“, erklärt Rangnick darin. Er habe eine Entscheidung „für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele“ getroffen. Nun wolle er bei der EM so weit wie möglich kommen, betonte er.
Der Teamchef entschied sich vor zwei Jahren für den ÖFB, weil er hier Spieler zur Verfügung hat, die mit seiner Fußball-Idee aufgewachsen sind. Nun will er sein begonnenes Werk vollenden. In der Branche vermuteten zuletzt viele einen Abgang Rangnicks. Ein Machtmensch wie er, so die These, werde der Aussicht auf ein großes Traineramt in Deutschland erliegen. Was dabei nicht bedacht wurde: Macht kann auch mit einer Absage ausgedrückt werden. Dazu ist Rangnick ein Getriebener, der vor allem eines will: sein gerade auserkorenes Herzensprojekt voranzutreiben. Geld, so sagen viele, die ihn gut kennen, sei ihm mittlerweile nebensächlich.
Laut profil-Informationen soll ÖFB-intern nun sogar eine vorzeitige Vertragsverlängerung über das Jahr 2026 hinaus angedacht sein – damit verbunden: weitreichendere Kompetenzen des Teamchefs. Kompetenzen sind nämlich die Lieblingswährung, in der Rangnick bezahlt werden will. Und das aus gutem Grund: Bislang konnte er zwar die Nationalmannschaft gut entwickeln. Andere Baustellen aber blieben ihm versperrt. Etwa die Nachwuchs-Nationalteams, die alle seine Spielidee übernehmen sollen, denen aber unterschiedlichste Trainertypen vorstehen. Veränderungen in diesen Bereichen scheiterten in der Vergangenheit oft auch am Einfluss der mächtigen Landespräsidenten, die über den Schützling ihres Bundeslandes die Hand hielten. Im ÖFB soll man sich nun bis hinauf ins Präsidium bewusst sein, dass Rangnick erst einen Bruchteil der gewünschten Verbesserungen umsetzen konnte. Das soll geändert werden. Nun, so wird betont, sei aber erstmal die Europameisterschaft im Fokus – dann werde eine Ausweitung der Teamchef-Möglichkeiten konkretisiert. Das System Rangnick, so hat profil aus ÖFB-Kreisen vernommen, soll den Verband nachhaltig professionalisieren. Damit hätte der Abwerbeversuch des FC Bayern auch etwas Gutes: Beim ÖFB ist man sich spätestens jetzt bewusst, was man an Rangnick hat.