Bundesliga: Der mögliche Spagat
Von Michael Fiala, Chefredakteur von 90minuten.at
Die schlechte Nachricht gleich zu Beginn: Es gibt derzeit leider doch einige Bereiche im österreichischen Fußball, die es wert sind, kritisiert zu werden. Dabei geht es hier auch nicht um „Sudern“, sondern darum, jene Bereiche sachlich, hart aber fair zu thematisieren, in denen sich der österreichische Klubfußball noch deutlich verbessern kann.
Unsere Liga ist viel besser als ihr Ruf?
Dass Österreich in der UEFA-Fünfjahreswertung derzeit mit Platz 16 „einen guten Mittelfeldplatz einnimmt“, liegt zu einem großen Teil an Red Bull Salzburg. Die Salzburger holten in den vergangenen fünf Jahren insgesamt so viele Punkte wie alle anderen Vereine zusammen. Rechnet man den Sonderfall Salzburg aus der Wertung heraus und ersetzt den Klub mit den durchschnittlichen Punkten der übrigen Klubs und Österreich würde mit einem Schlag aus den Top 20 fliegen. Der fixe Champions-League-Startplatz, den die Liga somit als Ziel ausgegeben hat, wäre damit nicht einmal im Entferntesten realistisch. Abseits von Salzburg ist die internationale Performance der österreichischen Klubs also genaugenommen „durchschnittlich“ – und somit genau im Bereich aller anderen vergleichbaren Länder wie etwa Kroatien, Dänemark, Serbien, etc. Fazit: Unsere Liga ist also weder wesentlich besser noch wesentlich schlechter als vergleichbare Länder.
Österreichs Liga vs Nationalmannschaft
Den Vergleich mit der österreichischen Nationalmannschaft braucht die österreichische Liga übrigens nicht zu scheuen, zumindest was die Platzierung angeht. In der UEFA-Koeffizientenwertung liegt das ÖFB-Team auf Platz 13, also nur unwesentlich besser als die Liga in der UEFA-Fünfjahreswertung. Klar wirkt das Niveau der Nationalmannschaft um Welten besser als beim Liga-Spiel zwischen Wiener Neustadt vs Grödig. Das liegt aber in der Natur der Sache, wenn die besten internationalen Spieler einberufen werden. Dass es die Liga somit im optischen Vergleich mit dem Nationalteam schwer hat ist verständlich. Dieser Herausforderung müssen sich andere Länder auch stellen: Deutschland ist Weltmeister geworden und selbst dort wird die Liga für mangelhafte Entwicklungen von Medien hart kritisiert.
Welchen Anspruch hat die österreichische Liga?
„Wie um alles in der Welt soll es für ein Land der Größe Österreichs möglich sein, auf Dauer eine gute Nationalmannschaft zu haben und gleichzeitig auf Klub-Ebene Jahr für Jahr ein gewichtiges Wort mitzureden? Eben. Es kann sich beim besten Willen nicht ausgehen. Nie und nimmer. Eigentlich ist es sogar ein Widerspruch in sich“, heißt es in dem angesprochenen profil-Artikel.
Dazu muss man zunächst die Frage stellen, was es bedeutet, „ein gewichtiges Wort“ mitzureden. Es wird – zumindest wenn es um meine Wahrnehmung geht - im Allgemeinen von der Fußballöffentlichkeit nicht verlangt, dass österreichische Klubs im Konzert der Großen eine gewichtige Rolle spielen. Von der Liga wird der Anspruch gestellt, dass Österreich einen Fixplatz in der Champions League bis 2020 erreichen sollte. Und die Liga weiß genau, wie dieser Weg zu erreichen ist: Mit den Punkten von Red Bull Salzburg. Es wird also eine Erwartungshaltung geschürt, die nur aufgrund des Sonderkonstrukts in Salzburg möglich zu sein scheint und eigentlich nicht der Leistung der „normalsterblichen“ Klubs widerspiegelt. Der „Widerspruch in sich“, den der Autor anspricht, ist also hausgemacht.
Weniger Reifenspuren, dann klappt es auch mit dem Image
Auch der Vergleich, dass das Niveau der Liga nicht gehoben werden kann, weil immer mehr junge Talente ins Ausland wechseln, ist nur oberflächlich haltbar. Warum? Das Niveau der österreichischen Liga definiert sich nicht (nur) durch die Anzahl der hochtalentierten Spieler, die vielleicht früh oder zu früh ins Ausland wechseln, wie es auch der ÖFB und die Liga immer wieder versuchen öffentlich darzustellen. Das Empfinden, welches Niveau die Liga hat, entwickelt sich vor allem über das Gesamtbild, das abgegeben wird. Da hilft es zum Beispiel überhaupt nicht, wenn dicke Reifenspuren im Rasen zu sehen sind, Sponsoren auf peinliche Art und Weise bei Transfermeldungen eingebunden werden, Klubs stolz erzählen, dass Fernseher von Fans für das Erreichen der Lizenz angeboten werden, die größte, rote politische Nachwuchshoffnung zum Geschäftsführer eines Klubs ernannt oder eine Task-Force zur Bestellung eines Sportdirektors zur Task-Farce wird. All das sind nur einige Beispiele dafür, warum das Image der Liga in der medialen Öffentlichkeit zum großen Teil so ist, wie es ist. Dass wir zu viele junge Spieler ins Ausland verlieren, trägt dazu eigentlich nicht bei, sondern lässt die Liga eher sogar in ein positives Licht rücken – Stichwort: Gute Ausbildung. In diesem Sinn: Lieber weniger Reifenspuren, dann fällt der größer werdende Anteil der jungen Spieler, die Österreich den Rücken kehren, nicht so ins mediale Gewicht.
Der Spagat ist möglich
Der Spagat zwischen einer guten Nationalmannschaft und einer guten Liga ist natürlich auch in Österreich möglich. Die österreichische Bundesliga hat durchaus den Ernst der Lage erkannt und ist seit rund eineinhalb Jahren auf einem besseren Weg als die Jahre zuvor. Problemfelder wie die Infrastruktur wurden erkannt und zum Teil auch mit deutlich härterer Konsequenz verfolgt als in den Jahren zuvor. Es ist daher kein ehrgeiziger Ansatz, wenn man in der österreichischen Liga mehr Niveau einfordert, solange es sachlich passiert. Dass die österreichischen Medien insgesamt gesehen viel zu unkritisch sind, um eine derartige Entwicklung noch stärker zu fördern, ist jedoch wieder ein anderes Kapitel. Die seltene sachliche Kritik wird dann oft mit „Sudern“ gleichgesetzt und somit in der öffentlichen Diskussion im Keim erstickt. Und das, da bin ich mir sicher, hilft dem österreichischen (Klub-)Fußball sicher nicht weiter.