Streitschrift

„Retten wir die Medienvielfalt. Drehen wir orf.at ab!“

Sonst drohe ein Nachrichtenmonopol im Internet durch die „blaue Seite“ des ORF, meint die Mediensprecherin der NEOS, Henrike Brandstötter. Eine Streitschrift.

Drucken

Schriftgröße

____________

Gastbeitrag von Henrike Brandstötter

____________

Wer gerne Bücher liest, für den ist Amazon praktisch: Der Handels-Gigant liefert auch einzelne Titel schnell und portofrei nach Hause. Lokale Buchhandlungen können das nicht. Amazon zwingt sie mit diesem Logistikvorteil in die Knie und kommt mit jedem bestellten Buch seinem Ziel näher: dem marktbeherrschenden Monopol. Ähnlich verfährt der ORF. Mit über 650 Millionen Euro jährlichem Gebührengeld bestens ausgestattet dehnt er seine mediale Vormachtstellung in alle Richtungen aus –  allen voran mit der sogenannten „Blauen Seite“, der Nachrichtenseite orf.at. Die Blaue Seite ist die mit Abstand meistgenutzte Onlineseite des Landes, über drei Millionen Leserinnen und Lesern werden jeden Tag erreicht. Die Beliebtheit verwundert nicht. Kompakt erfährt man die wichtigsten Nachrichten, die Beiträge sind bestens von einem großen Team recherchiert und mit Querverweisen zu weiterführenden ORF-Angeboten aus Radio und TV hinterlegt. Keine Bezahlschranke stoppt den Lesefluss nach wenigen Zeilen, auch mit Werbung wird man kaum belästigt.

Paradiesische Zustände für die Leserinnen und Leser, aber ein Problem für die Mitbewerber in der Nachrichtenbranche. Denn alle Printtitel in Österreich – vom Boulevardblatt bis zum Qualitätsmedium – stehen unter enormem Druck. Die Preise für Zeitungspapier sind innerhalb eines Jahres um 200 Prozent gestiegen. Der Arbeitskräftemangel hat auch die Zustellerbranche erfasst. Gepaart mit den gestiegenen Spritpreisen ist eine Versorgung der Abonnentinnen und Abonnenten in vielen ländlichen Regionen finanziell nicht mehr zu stemmen. Werbebudgets wandern zu den Onlineriesen Google, Facebook & Co, ab. Dieser Trend ist unumkehrbar und soll auch nicht durch weitere sinnlose Werbeeinschaltungen der öffentlichen Hand kompensiert werden. Printmedien sind also zwingend darauf angewiesen, auch ihre digitalen Inhalte zu monetarisieren. Weshalb aber soll ich als Bürgerin oder Bürger ein Digitalabo abschließen, wenn nur einen Klick weiter kostenlos orf.at lockt?  

Der ORF hat den Auftrag, die Menschen in Österreich mit Fernseh- und Radioinformation zu versorgen. Dafür wird der Sender öffentlich finanziert und kann große Redaktionsteams erhalten. Mit der Blauen Seite als Nachrichtenportal entsteht zu sehr geringen Mehrkosten ein zusätzliches Angebot. Nachrichtenportale von Zeitungen haben diesen Vorteil nicht. Ihnen stehen keine öffentlich finanzierten Redaktionen zur Seite. Das verschafft dem ORF unverhältnismäßige Marktmacht, ein Nachrichtenmonopol droht zu entstehen. 

Als Liberale möchte ich Monopole verhindern, allen voran bei der Versorgung mit Information. Ein Blick nach Ungarn zeigt, was passiert, wenn ein Autokrat die öffentlich-rechtlichen Medien fast völlig unter seine Kontrolle bringt und private Medien kaum noch überlebensfähig sind. Wer glaubt, dass es in Österreich nie so weit kommen kann, irrt. Das Echo der Message Control ist noch frisch. Um Meinungsvielfalt und Medienpluralismus in unserem Land zu erhalten, müssen wir daher den ORF, der auf vielen Ebenen auch politisch durchwirkt ist, in seinen Möglichkeiten beschränken.

Wenn demnächst ein neues ORF-Gesetz viele neue Optionen eröffnet, unter anderem die Sieben-Tage-Beschränkung in der ORF-Mediathek fällt, dann müssen wir auch über die Blaue Seite reden. ARD und ZDF machen es vor: Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen ist es, audiovisuelle Angebote zur Verfügung zu stellen und zu bewerben, presseähnliche Produkte sind ihnen aus guten Gründen untersagt.

Nur so können wir digitalisierten Printtiteln das Überleben ermöglichen. Retten wir die Medienvielfalt. Drehen wir orf.at ab!