"Rise Like A Phoenix": Conchita Wurst von konservativen Medien ignoriert
"Ich wünsche mir eine Welt, wo wir nicht mehr gezwungen sind, Fragen über unsere sexuelle Orientierung oder unsere Herkunftsland beantworten zu müssen", zitiert der Fernsehsender CNN Turk die Eurovisionsgewinnerin Conchita Wurst auf seiner Onlineseite. Der Sieg der Österreicherin beim Musikwettbewerb war dem Sender eine Topstory wert.
Türkische Fernsehzuschauer sind, soweit sie sich nicht über Satelliten zuschalten können, vom Ereignis abgeschnitten. Der staatliche Sender TRT hat heuer, wie schon 2013, auf eine Übertragung verzichtet. TRT hält sich seit zwei Jahren davon fern, weil er die Änderungen im Abstimmungssystem des Wettbewerbs für ungerecht hält.
Kontroverse um schwulenfeindlichen Kommentare
Im Vorfeld des Wettbewerbs hat vor allem die Kontroverse um schwulenfeindlichen Kommentare des armenischen Contest-Teilnehmers Aram MP3 breiten Raum in der türkischen Medienwelt - so weit sie über diesen überhaupt etwas fallenließ - eingenommen.
Konservative türkische Medien ignorieren Wurst-Sieg
Während die liberale türkische Medien wie etwa CNN Türk, "Radikal" oder "Milliyet" den Sieg der Österreicherin Conchita Wurst bejubeln und ihr ausgedehnte Fotostrecken widmen, schweigt sich die regierungstreue und religiös-konservative Presse über das Ereignis aus.
Keine Silbe über das Ereignis findet sich bei der türkischen Nachrichtenagentur Cihan. Sie steht der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahe. Auch das Regierungsblatt "Yeni Safak" verliert keine Zeile über den Sieg, geschweige den über den Song Contest selbst.
Heftigste Debatten
Die linksnationale Zeitung "Sözcü" titelte am Sonntag, dass Conchita Wurst eine der heftigsten Debatten des diesjährigen Song Contests ausgelöst habe und hob erneut die von Russland, Weißrussland und Armenien initiierte Kampagne hervor, um den Rücktritt Conchitas vom Wettbewerb zu erzwingen.
Selbst die konservative, regierungskritische Zeitung "Taraf" enthält sich jeden Kommentars. Auch in der sozialkritischen, armenisch-türkischen Zeitung "Agos" findet der Eurovisions-Wettbewerb keinen Abdruck. Conchita Wurst und die schwulenfeindlichen Attacken des armenischen Sängers Aram MP3 bleiben ungeschrieben.
Die Kommentare in den sozialen Medien sind ein Abbild der Zerrissenheit der türkischen Gesellschaft und ein Spiegelbild der Türkei-internen Kontroversen: Die Songcontestgewinnerin wird mit den "Gezi-Plünderern" verglichen, schwulenfeindliche Kommentatoren, die sich etwa "Hashasi" (Assassinen) nennen, sparen nicht mit religiös verbrämten Verunglimpfungen. Die Gegenseite hält die laizistischen Werte Atatürks hoch, nennt die Posting-Schreiber AKP-Schergen und wettert gegen Vorurteile und Schubladendenken.
Nicht dass es in der Türkei an transsexuellen Musikern fehlen würde: Zu den berühmtesten Sängern in der Türkei zählen Bülent Ersöy und der mittlerweile verstorbene Zeki Müren. Sie dominierten jahrzehntelang die Welt der klassischen türkischen Musik.
Die sogenannte "Türk Sanat Müzigi" war die Musik des Palastes (Saray) und hat als kulturelles Erbe der osmanischen Elite überlebt und Einzug in die Populärkultur der heutigen Türkei gehalten. Beide Musiker haben nie ein Hehl aus ihrer Transsexualität gemacht. Ersoy erhielt nach seiner Geschlechtsoperation sogar einen neuen Pass mit weiblicher Identität ausgestellt.
Aber der Wind hat sich nach mehr als einer Dekade AKP-Regierung gedreht. Eine zu offenherzige Zurschaustellung von Sexualität stößt in der immer erzkonservativer agierenden Türkei mittlerweile auf massiven Widerstand. Eine transsexueller neuer Star aus Europa passt hier nicht in die Moralverstellungen der "Neuen Türkei" eines Recep Tayyip Erdogan.
Die Song-Contest-Gewinner seit 1956
Irland bleibt auch nach Kopenhagen das bis dato erfolgreichste Song-Contest-Land: Der Inselstaat führt auf der Allzeitbestenliste der Gewinner seit 1956 uneinholbar mit 7 Siegen. Österreich näherte sich mit dem Sieg von Conchita Wurst und damit insgesamt 2 Triumphen langsam an.
In der Liste auf Irland folgen allerdings Schweden, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg, die auf je 5 Siege zurückblicken. Auf der ewigen Bestenliste folgen die Niederlande (4 Siege); Dänemark, Israel und Norwegen (je 3); Deutschland, Italien, nun Österreich, die Schweiz und Spanien (je 2) sowie Aserbaidschan, Belgien, Estland, Finnland, Griechenland, Jugoslawien, Lettland, Monaco, Russland, Serbien, die Türkei und die Ukraine (je 1).
(APA/Red)