Roberto Blanco

Roberto Blanco: "Ich bin dieser Song!"

Der deutsche Schlagersänger Roberto Blanco über Michael Jacksons Händedruck und Helmut Zilks Zorn, den Hit "Ein bisschen Spaß muss sein" und seine Autobiografie "Von der Seele".

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Roberto Blanco, 80, ist eine Art Two-Hit-Wonder auf zwei Beinen. Mit seinen Mega-Hits "Ein bisschen Spaß muss sein" und "Der Puppenspieler von Mexiko" feierte er Anfang der 1970er-Jahre Hitparaden-und Verkaufserfolge. Blanco trat in Filmen auf ("Der Stern von Afrika"), moderierte TV-Shows ("Noten für zwei") und wurde zum Ehrenmitglied der CSU in Bayern ernannt. "Stimmungskanone" nannte man einen wie ihn damals. Seit 2013 ist Blanco, der in der Schweiz und in Salzburg lebt, in zweiter Ehe mit der 40 Jahre jüngeren Luzandra verheiratet. Er nennt sie "Mami", Luzandra ihn "Papi". Das Gespräch im Salzburger Sheraton Hotel ist untermalt von Knack-und Kaugeräuschen: Blanco leert, während er erzählt, drei Schälchen mit Pistazien.

INTERVIEW: WOLFGANG PATERNO

profil: Johnny Cash sagte, er habe seinen Hit "Ring of Fire" auch beim 1000. Mal noch gern gesungen. Können Sie das nachempfinden? Blanco: "Ein bisschen Spaß muss sein" habe ich 100.000 Mal gesungen. Ich liebe diesen Song, bin ihm unendlich dankbar. Johnny lernte ich übrigens persönlich kennen.

profil: Erzählen Sie. Blanco: Er war Gaststar bei der Berliner Funkausstellung. Seine Garderobe war direkt neben meiner. Ein sehr netter Mensch mit entzückender Frau und Tochter. Er sprach mit unfassbar tiefer Brummbass-Stimme.

profil: Ihre unverwüstliche Leidenschaft für Ihr bekanntestes Lied nehme ich Ihnen mit Verlaub nicht ab. Blanco: Legen Sie nicht jedes Wort auf die Waage. Ob ich es nun 80.000 oder 100.000 Mal gesungen habe - ich singe es jedenfalls seit 1972 mit anhaltender Freude.

profil: Werden Sie auf der Straße darauf angesprochen? Blanco: Menschen klopfen mir auf die Schultern, rufen mir zu: "Hallo, Roberto!" Und dann summen sie: "Ein bisschen Spaß muss sein!" Ich bin dieser Song!

profil: Das Lied propagierte in den 1970er-Jahren Hauruck-Heiterkeit. Passt es noch in unsere Zeit? Blanco: Sonst würde ich es nicht mehr singen. Millionen Menschen saßen damals samstagabends vor den TV-Geräten. Die Message galt damals, gilt heute und wird morgen gelten: Spaß zu haben kann nie schaden, schon gar nicht in unserer Zeit mit ihrer Flut an schlechten Nachrichten.

profil: Verfolgen Sie das Weltgeschehen? Blanco: Es war nie meine Art, ignorant zu sein. Ich lebe in dieser Welt, interessiere mich dafür, was um mich herum geschieht. Mein Bruder und meine Schwester leben in Katalonien. Die dramatischen Ereignisse dort beunruhigen mich.

Gegenwärtig driftet alles auseinander. Europa wollte seine Grenzen einreißen, jetzt werden mehr Zäune denn je errichtet.

profil: Europa strebt auseinander. Blanco: Als ich 1954 zum ersten Mal nach Hamburg kam, betrat ich eine zerstörte Stadt. Ab 1957 wurde ich Zeuge des Wirtschaftswunders. Ich erlebte, wie Menschen schufteten. Jeden Abend waren die Nachtclubs rappelvoll. Das Gemeinsame stand im Mittelpunkt.

profil: Und heute? Blanco: Gegenwärtig driftet alles auseinander. Europa wollte seine Grenzen einreißen, jetzt werden mehr Zäune denn je errichtet. Ich lebte in Syrien und im Libanon, besuchte Damaskus, Homs und Aleppo vor dem Krieg. Das waren magische Metropolen und Länder. Alles kaputtgehauen und zerbombt.

profil: Trauern Sie der guten alten Zeit hinterher? Blanco: Wenn ich mich umblicke, tut es mir um die Vergangenheit natürlich leid, um die Epoche zwischen 1960 und 1980, die Goldene Ära des Showbiz. Ganz Europa war eine Bühne. Alles erlebt, alles vorbei.

profil: Damals trugen erfolgreiche TV-Sendungen den Beinamen "Straßenfeger". Blanco: Mit meinen Shows hatte ich bis zu 49 Prozent Marktanteil. Es waren noch Geld und Ideen da. Jetzt herrscht Dekadenz.

profil: Dekadenz? Blanco: Nennen Sie mir ein besseres Wort. Gewiss, es gibt viel Positives. Computer, Handy, Flugzeuge. Die Entwicklung strebt aber nicht mehr nach oben, sondern nach unten. Die Menschen stehen nicht mehr füreinander ein, sie wollen nichts mehr voneinander. Früher herrschte Zusammenhalt, man saß um einen Tisch, aß gemeinsam, lachte, redete. In den spanischen Nachrichten berichtete kürzlich ein Mann, dass er mit seinem lebenslangen Freund gebrochen habe, nur weil dieser gegen die Autonomie Kataloniens gestimmt habe. Streit spaltet Freunde und Nationen. Mir fällt dazu nur Dekadenz ein.

profil: In Ihrer Autobiografie "Von der Seele" geizen Sie nicht mit Einblicken in Ihr turbulentes Privatleben, das selbst oft von Konflikten bestimmt war. Blanco: Weshalb sollte ich diese verheimlichen? Ich bin seit 62 Jahren im Geschäft. Meine hellen und dunklen Seiten habe ich in zahllosen Interviews ausgebreitet. In Deutschland kennen mich 100 Prozent der Menschen.

profil: In "Von der Seele" schreiben Sie von 99,9 Prozent. Blanco: Ich wollte nicht übertreiben, man muss bescheiden sein.

profil: Ihre Lebensbeschreibung holt weit aus. Blicken Sie auf ein erfülltes Dasein zurück? Blanco: Ich danke Gott für das Leben, das ich hatte. Andere müssten drei bis vier Leben geschenkt bekommen, um all das zu erfahren, was mir vergönnt war.

profil: Anfangs sollen Sie sich geziert haben, Ihre Memoiren zu schreiben. Blanco: Meine Frau Luzandra, mein Engel, gab den Ausschlag. Sie sagte: "Papi, dein Leben war so interessant und funkelnd, du hast die Welt bereist, schreib das doch nieder!"

Sänger sind geradeswegs so intellektuell wie andere Künstler auch. Nur weil man Schlager singt, soll man nicht ganz auf der Höhe sein?

profil: "Von der Seele" liest sich teils wie ein Abenteuerbuch. Blanco: Meine Eltern waren Kubaner, ich wurde in Tunis geboren und wuchs im Libanon auf. Anschließend lebte ich in Ägypten, Italien, Paris und, während der Franco-Zeit, in Madrid, wo ich einige Semester Medizin studierte. Nach 1954 kam ich zum ersten Mal nach Deutschland. Mit der ersten Lufthansa-Maschine flog ich zu meinem Vater nach Frankfurt.

profil: Darf man Sie "Showdinosaurier" nennen? Blanco: Ich empfinde es als positiv, wenn sich jemand über sechs Jahrzehnte im Geschäft hält. Dinosaurier existieren nicht mehr, entdeckte man dennoch einen, würde man frohlocken: "Was für ein imposantes Tier!" In Hongkong wurde ich nach einem Konzert vom Garderobier nach Hause eingeladen. Zum Abschied sagte er: "Ich wünsche Ihnen viele positive Neider. Negative gibt es ohnehin viele."

profil: Sie sprechen sieben Sprachen. Dennoch sehen viele in Ihnen nur den Schlagerfuzzi. Blanco: Ich bin ein Sänger, der auch Schlager singt. Das Wort "Schlager" gibt es nur in der deutschen Sprache. In Spanien war ich ein Sänger, in Deutschland wurde ich zum Schlagersänger. Meine Musik hat mir alle Wohnzimmer geöffnet.

profil: Kamen Sie je in den Verdacht, ein Intellektueller zu sein? Blanco: Hören Sie mal: Sänger sind geradeswegs so intellektuell wie andere Künstler auch. Nur weil man Schlager singt, soll man nicht ganz auf der Höhe sein? Hätte ich mein Medizinstudium abgeschlossen, würden man mich bedenkenlos einen Intellektuellen nennen.

profil: Seit Jahrzehnten liegt Ihr Privatleben wie ein Buch offen. Wie lebt man damit? Blanco: Sehr gut. Ich genieße mein Leben. Ich hasse es, wenn Menschen nicht ehrlich sind.

profil: Boulevardzeitungen bezichtigten Sie der Pädophilie und berichteten, Sie seien bankrott. Blanco: Stimmt alles nicht. Journalisten schreiben die Unwahrheit - vielleicht deshalb, weil ich immer ehrlich war? Weil ich eine hübsche junge Frau habe? Egal. Ich habe mich nie versteckt. Von meinem Vater lernte ich, dass man den Kopf nie in den Sand stecken darf. "Sonst bist du verloren", sagte er immer. "Von der Seele" versammelt 80 Lebensjahre auf 200 Seiten. Ich hätte noch viel mehr zu erzählen.

profil: Sie waren beispielsweise mit Josephine Baker auf Tour. Blanco: Ich war ein junger Entertainer und trat live in Wiesbaden auf. Nach der Show klopfte es an meiner Garderobentür. Ich öffnete und stotterte: "Madame Baker? Mein Vater und ich sind große Fans von Ihnen." Da lächelte sie: "Ich habe dich gerade auf der Bühne gesehen. Das hat mir gut gefallen. Hättest du Lust, mit mir zu arbeiten?" Ich lernte sehr viel von ihr.

profil: Mit Michael Jackson haben Sie ebenfalls geplaudert. Blanco: Ich lernte ihn in München vor einem seiner Auftritte kennen. Sein Manager erklärte ihm, wer ich sei. Jackson sagte: "Ah, Sie sind der Sänger aus Kuba. Ich war noch nie auf Kuba." Er hat mich nach dem Leben in Deutschland gefragt. Er sprach, nicht ich. Dann gab ihm der Manager ein Zeichen. Jackson hauchte "Bye, bye" und verabschiedete sich mit einem unfassbar kraftlosen Händedruck. Wie ein welkes Blatt. Auf der Bühne war er wie ein Wirbelsturm.

Man behandelte mich, als sei ich der erste Mensch auf Erden, der sich scheiden ließ.

profil: Muhammad Ali haben Sie auch kennengelernt. Haben Sie mit ihm geboxt? Blanco: Nein, das hätte er nicht überlebt.

profil: Dafür kredenzten Sie ihm Erdbeeren. Blanco: Ich lud ihn in Zürich zu mir nach Hause ein. Zuvor holte ich ihn in seinem Hotel ab: Menschenmassen, Presse, ein enormer Wirbel. Ali wartete im Foyer gemeinsam mit seinem Trainer Angelo Dundee. Ich fragte Ali: "Begleitet uns kein Bodyguard?" Er antwortete: "Brauche ich denn einen? Ich bin deiner." Später verschlang er bei uns einen Pott Erdbeeren.

profil: Mit Dagmar Koller und Helmut Zilk machten Sie ebenfalls Bekanntschaft. Blanco: Dagmar verehre ich. Bei einer Show in Wien sollte ich sie ansagen: "Meine Damen und Herren, jetzt kommt Ihre Dagmar " Aus Nervosität fiel mir in diesem Moment ihr Nachname nicht ein. Zilk, damals ORF-Chef, war sauer. Aus Revanche kippte er meine Show "Noten für zwei" aus dem Programm.

profil: 2004 gaben Sie nach 40 Ehejahren die Scheidung von Ihrer Frau Mireille bekannt. Darauf erschienen Berge von Berichten über die Trennung. Blanco: Ich wusch damals keine Schmutzwäsche. Journalisten riefen mich an und beknieten mich um "Jetzt-rede-ich"-Interviews. Ein Reporter riet mir: "Roberto, sei kooperativ, sonst jagen sie dich." Sollen sie mich jagen. Ich lebe noch. Wo sind heute die Jäger?

profil: Ihre Lieblingsschlagzeile, als die Affäre mit Luzandra, Ihrer jetzigen Ehefrau, bekannt wurde? Blanco: "Roberto macht sich zum Liebestrottel." Man missgönnte uns unser Glück. Man behandelte mich, als sei ich der erste Mensch auf Erden, der sich scheiden ließ.

profil: Würden Sie in Klatschblättern keine Berichte mehr über sich selbst lesen können, wäre Ihnen das aber auch nicht recht. Blanco: Man darf alles schreiben. Die Münze hat aber immer zwei Seiten. Kein Journalist hakte bei meiner Scheidung bei mir persönlich nach. Ein Privatsender verkündete, dass Luzandra in Monte Carlo lebe und in Geld schwimme. Zuvor hatte ich diese Lügen im Interview richtiggestellt. Was wurde aber am Abend gesendet? Lügen.

profil: In "Von der Seele" bekennen Sie sich zu zahllosen Affären während Ihrer ersten Ehe. Blanco: Der liebe Gott wollte offenbar, dass ich Glück bei den Frauen habe. Soll ich deshalb lügen? Verschweigen, dass ich die eine oder andere Frau liebte? Mit zwölf verlor ich meine Unschuld an eine hübsche Griechin. Ich schreibe nicht, was die Menschen lesen wollen. Ich berichte über meine Erfahrungen.

profil: Auf der Frankfurter Büchermesse lieferten Sie sich jüngst einen Eklat mit Ihrer Tochter. Blanco: Alles Show. Derselbe Privatsender rückte mit meiner Tochter im Schlepptau an. Ich habe über Mireille in "Von der Seele" nichts Negatives geschrieben.

profil: Welchen Rat geben Sie jungen Kollegen? Blanco: Man muss an sich arbeiten und an sich glauben. Man darf nicht von Banken und TV-Anstalten abhängig sein. Ich ging in meiner Karriere immer die Treppe hoch, nahm nie den Aufzug. Stufe für Stufe. Erfahrung kann man nicht kaufen, die muss man sammeln.

Jedes Mal, wenn ich ein Mädchen kennenlernte, fragte ich: 'Willst du ein Negerküsschen von mir haben?' Ich habe auf diese Weise mehr geküsst als ohne.

profil: Bill Ramsey meinte einst ... Blanco: Ach, der gute Bill. Wir waren oft auf Tournee. Ein toller Kerl

profil: ... Ramsey sang einst über das Salz in der "Lebenssuppe". Was ist Ihr Salz? Blanco: Ich bin dafür bekannt, fröhlich zu sein, immer zu lachen. Oft werde ich gefragt: "Roberto, muss denn das sein, dieses Gaudi-Theater?" Meine Gegenfrage lautet dann: "Wieso Theater? Kennen Sie mich überhaupt?" Kein Mensch kann sechs Jahrzehnte lang Theater spielen. Die Menschen merken, ob ein Lächeln ehrlich gemeint oder aufgesetzt ist. Das ist das Salz in meiner Suppe: so zu sein, wie ich bin. Mich nicht zu verstellen, niemanden zu imitieren.

profil: Haben Sie ein Lebensmotto? Blanco: Leben und leben lassen. Was nützt das schönste Haus mit widerlichen Nachbarn? Warum sich darüber ärgern? Wir leben nur einmal.

profil: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete Sie in einer TV-Diskussion als "wunderbaren Neger". Konnten Sie darüber lachen? Blanco: Natürlich, der Innenminister meinte es ja nicht abwertend. Am Tag nach der Sendung bekam ich 100 Telefonanrufe, den ersten um sieben Uhr früh. Andere Diskutanten verwendeten das N-Wort ebenfalls. Herrmann ist ein Fan von mir. Warum sollte ich ihm böse sein? Der Ton macht die Musik.

profil: Eine Süßigkeit wie "Negerküsschen" ist heute politisch inkorrekt. Blanco: Als ich nach Deutschland kam, war dieses Konfekt sehr beliebt. Ich habe das als Gag verwendet. Jedes Mal, wenn ich ein Mädchen kennenlernte, fragte ich: "Willst du ein Negerküsschen von mir haben?" Ich habe auf diese Weise mehr geküsst als ohne.

profil: In "Von der Seele" schreiben Sie, dass Ihre Hautfarbe die beste Werbung gewesen sei. Blanco: Zu Beginn meiner Karriere war ich der einzige Farbige zwischen den großen Stars der Epoche. Am nächsten Tag wurde ich wiedererkannt. Vico Torriani sagte mir, er habe die falsche Farbe.

profil: Sie glauben an Gott. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Blanco: Ich bin kein Hellseher. Man stirbt und ist weg. Das war so bei meiner Mutter, die starb, als ich zwei Jahre alt war, und bei meinem Vater.

profil: Man sieht sich nach dem Tod vielleicht wieder? Blanco: Eine Tür geht zu, eine andere auf.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.