Peter Turrinis Tragikomödie "Bei Einbruch der Dunkelheit" steht in der sehr grellen Inszenierung von Christian Stückl zur Zeit auf dem Spielplan des Burgtheaters. Das "Theater der Kunstirrsinnigen" wird bevölkert von Dorothee Hartinger als Gastgeberin Claire, Sven Dolinksi im Part des Bernhard-nahen Lyrik-Misanthropen Vinzenz, Markus Meyer und Elisabeth Augustin.
Peter Turrini wird 80

„Dichten und saufen”

Anlässlich des 80. Geburtstags des Kärntner Schriftstellers und Dramatikers eine Reportage aus dem Jahr 2014.

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profil begleitete Turrini nach Maria Saal, wo er als „der blade Tischlerbua” im Anwesen des Ehepaars Lampersberg, die unter dem Namen Auersberger in Thomas Bernhards „Holzfällen” tragische Berühmtheit  erlangten, seine ersten Gedichte vortrug. Hier wurde er von Thomas Bernhard arrogant ignoriert, hier soffen, debattierten und übten sich in permanenter Grenzüberschreitung spätere Kulturgrößen wie Christine Lavant, H.C. Artmann, Peter Handke oder Wolfgang Bauer. 

Taxis gibt es im Kärntnerischen Maria Saal nur gegen Voranmeldung. Ein pensionierter Maschinenbau-Ingenieur erbarmt sich unser und führt uns vom Bahnhof zur Pension Plischnegger, dem ersten, weil auch einzigen Haus am Platz. Aha, den Turrini trefft ihr dort. Seine Begeisterung bleibt überschaubar. Aha, wegen dem Tonhof. Ja, der Besitzer, der Lampersberg, war "a Verrugda", in einem himmelblauen Sarg hat der sich durchs Dorf tragen lassen und alle dabei gesegnet. Er war aber auch ein ganz lieber, herzlicher Mensch. Gut, von "die Feste da oben" hat man sich einiges erzählt, da "is ja angeblich zuagangen, mei Liaba". Aber, wo waren's denn alle, die Herren Turrini, Handke und Artmann, als der Lampersberg nur mehr als Gemüse mit seiner Frau im Pflegeheim in Klagenfurt gesessen ist: "Da hab ich keinen von denen g'sehen." Unser Fahrt-Gastgeber weiß das deswegen so genau, weil seine Frau, eine Hobbymalerin, die Lampersbergs dort regelmäßig besucht hat: "Meine Frau hat ihn sehr geschätzt, weil er sich mit ihren Arbeiten auseinandergesetzt hat. Am Schluss waren die nur mehr einsam."

Das Herrenhaus in Maria Saal, in dem Kulturgeschichte geschrieben wurde. Turrini am Klavier in jenem Zimmer, in dem Bernhard über Jahre logierte. Das ehemalige Speisezimmer mit den Porträts der Hausherren wird heute für Kulturveranstaltungen genutzt.

An Turrini, der in seinem Pass einst als Berufsbezeichnung "Heimatdichter" verzeichnen ließ, weil er seit seiner frühen Jugend besessen "für eine Heimat, in einer Heimat, gegen eine Heimat dichtet", hat man sich trotz aller staatlicher und stattlicher Anerkennung anscheinend in Maria Saal noch immer nicht gewöhnt. Immer wieder fühlte sich Turrinis Mutter Elsa verpflichtet, bei den Dorfbewohnern auf Entschuldigungstour zu gehen, weil der "Bua immer so was Grausliches schreibt", erzählt uns Turrini, der schon vor der Frühstückspension in seinem Auto wartet. Sogar Bundeskanzler Bruno Kreisky, der der Frau Mama eigentlich zu ihrem inzwischen berühmten und vom Establishment umarmten Sohn gratulieren wollte, hatte sie verzweifelt zugeraunt: "Herr Bundeskanzler, können S'nit auf den Buben einwirken, dass er nicht immer so schiarche Sachen schreibt?" Nach Turrinis ersten Erfolgen hatten einige Leute beim Vater die Möbelaufträge storniert.

Die Uraufführung der Tragikomödie "Bei Einbruch der Dunkelheit" am Klagenfurter Stadttheater 2006 hat die von den Mühsalen des Existenzkampfs gezeichnete Mutter nicht mehr erlebt. Wahrscheinlich hätte sie, wie bei all den anderen Arbeiten ihres Außenseiterkindes, auch über dieses Stück gesagt: "Bua, es stimmt ja alles irgendwie, aber es geht doch, bittschön, niemand was an."

Turrinis stark autobiografisches Stück war 2014 am Wiener Burgtheater in der Inszenierung des bayerischen Regisseurs Christian Stückl als grelle Untergangsfarce zu sehen. Ort der Handlung ist, so heißt es im Theatertext, "ein Herrenhaus in einem Dorf im Süden Kärntens". Jetzt stehen wir mit Peter Turrini vor genau diesem Haus, das durch seinen Kopf spukte, als er das Stück schrieb. Er war dabei auch durch das "schreckliche Reich" seiner Kindheit und Jugend gewatet, hatte alle Sentimentalitäten zerstört und die eigene Geschichte natürlich auch wieder verlassen, weil er eben Dichter ist und kein Journalist, der die Realität wiedergibt.

In die Katastrophe kippen Turrinis Sommer-Gespenster, so ordnet es der Dichter an, an einem 21. September im miefigen und noch immer naziverseuchten Jahr 1959. Und am Spielrand dieses "permanenten Theaters der Kunstirrsinnigen", das sich der Komponist, seine singende Frau und ihre Gäste, allesamt dauerschnorrende Möchtegern-Genies, auf dem Landsitz des Ehepaars liefern, steht der fettleibige Tischlerbub Alois, das starke Turrini-Anteile hat, und rezitiert auf Zuruf willig seine in "Herzensschmerzereien" geborenen Gedichte.

"Das dicke Tischlerkind" nannte Thomas Bernhard den knapp 15-jährigen Turriniausschließlich. Begegnet waren sie sich erstmals 1958 auf dem Landsitz der Lampersbergs. "Er besaß den Charme eines Autisten", so Turrini. "Wer ihm zu nahe kam, wurde bestraft

Im Burgtheater ist die Figur, die die Konturen von Gerhard Lampersberg trägt, kein lieber, herzlicher "Verrugda", sondern ein gieriger Menschenmanipulator und eine hysterische Tunte, die sich die männliche Dorfjugend mit Mopeds und Schwedenbomben gefügig zu machen sucht. 

Der dandyeske Zerstörungslyriker mit dem Pickelgesicht und dem vergifteten Blut, der ständig davon faselt, dass er den Nobelpreis bekommen wird, heißt in der schwarzen Komödie Vinzenz und nicht Thomas wie Bernhard. Er knutscht mit seinem Gastgeber in einem Sarg, der Gastgeber bittet den fetten Alois, auf beide zu urinieren, was der artig befolgt.

Turrini möchte jetzt davon erzählen, wie es war, hier auf dem Tonhof - und damit auch von seiner literarischen Erweckung und der Rettung aus der Enge der trüben Spießerwelt durch Sprache. Und natürlich vom Leben in diesem Haus, in dem die Torten ("So viele Torten hab ich später nur noch von der Renée, der Frau vom Otto Schenk, bekommen") und der Alkohol und der Irrsinn und die Schweinereien niemals ausgingen, und von seinen Besitzern, die ihm, "dem bladen Außenseiter aus dem Dorf" die Flucht aus seiner Klasse ermöglicht haben: "Der Tonhof ist mein Zuhause geworden, die Lampersbergs haben mich adoptiert. Später habe ich das wie einen Verrat an meiner Herkunft und meiner Klasse empfunden, aber damals war ich nur dankbar, dass ich in diese selbstverständliche Großzügigkeit durfte, wo es von allem immer alles gab. Ich kam aus einer Welt, in der das wenige, was man hatte, immer weggesperrt war. Und Gerhard Lampersberg  war der erste Mensch in meinem Leben, der meine Gedichte ernst genommen hat.“ 

Manchmal holte sich der Gerhard ein paar fesche Strafentlassene aus dem Gefängnis, denen er die Kleider seiner Frau anzog.

Seine Stimme ist mit viel Zärtlichkeit unterlegt, aber auch Trauer über das tragische Ende seines Mentors, der 2002 an den Folgen seiner jahrzehntelangen Alkoholsucht starb. Über Wochen hatte der junge Poet Ende der 1950er-Jahre nicht mehr die Handelsakademie in Klagenfurt besucht, das war doch alles sinnlos, wenn man hier ständig Kuchen, Wein und den besten nur vorstellbaren Deutschunterricht erhalten konnte. Lampersberg ging sogar einmal in die Schule, um dem Klassenvorstand persönlich mitzuteilen, dass man das junge Genie in aller Ruhe reifen lassen solle und der Lehrer einfach seine Zeit nutzen und anständig twisten lernen möge. Immer wieder waren die Tonhöfler in Twist-Mission nach Klagenfurt gereist. Der Twist-Tanz war damals eine heiße Sache. Genauso wie das Modegetränk Gin Fizz, mit dem sich "das dicke Tischlerkind" - wie ihn der Dauer-Tonhofgast Thomas Bernhard genannt hatte, ohne Turrini je bei seinem Vornamen zu nennen - besoff, damit es den Mut fand, seine "schrecklich pathetischen" Gedichte im Café der alten Wiener Hure Tante Mary vorzulesen.

Das Unbehagen hat Turrini vor den Toren des Tonhofs wieder verloren. Denn das Gefühl der Bedrohung kriecht jedes Mal in ihm hoch, wenn er die zwei mächtigen Glockentürme des Maria Saaler Doms sieht: "Überall auf der Welt fühle ich mich sicher, nur wenn ich in diesen Ort hineinfahre, kommt sie wieder, diese Unsicherheit."

Familie Turrini um 1955; Vater Ernesto (Mitte) war ein Gastarbeiter aus Verona, Mutter Elsa die steirische Tochter eines Kesselflickers. Die drei Brüder Walter (l.), Peter (Mitte) und Hans wuchsen in kleinbürgerlicher Enge auf: "Das Wenige, was es gab, war immer weggesperrt."

Der Tonhof ist eine weiß gekalkte Trutzburg mit kunstvollen Fenstergittern aus Schmiedeeisen; nicht protzig, sondern bäuerlich herrschaftlich. Genauso hat man sich die Gutshäuser in den Tschechow-und Turgenjew-Stücken immer vorgestellt. Dort, wo sich die Figuren der russischen Dramatiker in Langeweile, Dekadenz, Lebensüberdrüssigkeit, Sehnsucht nach dem Schönen und den großen Künsten suhlten und den drohenden Zerfall ihrer Klasse verdrängten, muss es so ähnlich ausgesehen haben.

Das ehemalige Gerichtsgebäude von Maria Saal hatte die Adelige Maja Weis-Ostborn 1954 von ihren Eltern als Mitgift in die Ehe mit dem aus bäuerlichem Milieu stammenden Gerhard Lampersberger bekommen. Der autodidaktische Zwölfton-Komponist hatte die letzte Silbe wegen der Eleganz aus seinem Nachnamen tilgen lassen. Wie alle Parvenus war er besonders fleißig in der Kopie einer Gesellschaftsschicht, der er nie wirklich angehören würde - Foulards, Jopperln und Haferlschuhe inklusive. Gemeinsam hatte das Paar - sie die Elegante, mit dem "aus der Zeit gefallenen Gesicht, das wie Milch schimmerte", er der Diaboliker, dessen kreative Energie vor allem in die Lebenskunst floss - den Landsitz zu einer Enklave des Aufbruchs, einem Entwicklungslabor der literarischen und musikalischen Avantgarde und einer Gehschule für Genie-Volontäre umfunktioniert. Hier brütete der aus kleinstbürgerlichem Milieu stammende Thomas Bernhard, selbst der Sohn eines Tischlers, der ihn nie anerkannt hatte, in "solchen Landjunker-Anzügen, die er sich vom Lampersberg abgeschaut hatte", lange vor seinem Durchbruch mit "Frost" (1963) autistisch im Ohrensessel. "Bis ihn Gerhard weggestampert hat, weil der Platz gehörte ihm", erzählt Turrini. "Es war nicht so, wie es Thomas später geschildert hat, dass Lampersberg von ihm abhängig war, sondern umgekehrt. Lampersberg war die Sonne und Thomas nicht mehr als sein Trabant. Und dieser autistische Trabant war verliebt in die Sonne." Ohlsdorf, Bernhards späterer Landsitz in Oberösterreich, wäre bei näherer Betrachtung nichts als eine billige Kopie des Tonhofs gewesen, wie Lampersberg später immer wieder anmerkte.

Der Ohrensessel steht noch immer in dem kleinen Salon, gleich neben dem großen blaugrünen Barock-Kachelofen, an den Wänden hängen Porträts von fischäugigen Adelsfrauen. Es herrscht eine fast gespenstische Atmosphäre, denn der inzwischen der Öffentlichkeit für Kulturveranstaltungen und Feste zugängliche Tonhof wirkt noch immer so, als ob "die Kasperln und Kunstteufeln", wie es im Ort in den 1950er- und 1960er-Jahren hieß, jede Minute hier wieder mit Pauken und Granaten einfallen könnten.

Bernhards allererstes Stück "Köpfe" wurde, vertont von seinem Mäzen, im Heustadl des Tonhofs uraufgeführt. Rund um das Gebäude klebten damals die Dorfkinder in Trauben, um durch die schmalen Lichtritzen Ansichten von den erhofften Schweinereien zu erhaschen.

Hier wurde die "völlig verarmte Lyrikerin" Christine Lavant "aufgepäppelt", die später auch immer wieder in der Psychiatrie landen sollte: "Ihr Gesicht war nur Krankheit, ausgeschaut hat sie wie eine abgerackerte Magd", schildert Turrini. "Aber wenn man ein Gedicht von ihr gelesen hat, musste man weinen wegen so viel Schönheit.“ 

Die Lampersbergs hatten sie mit ihrem Volkswagen-Käfer aus dem Elend bei Wolfsberg befreit: "Sie steckten ihr immer wieder einen Hunderter zu. Ohne Maja und Gerhard wäre Christine Lavant vielleicht draufgegangen. Alle wurden von ihnen unterstützt, ohne dass je ein Wort darüber verloren wurde." Hier im Tonhof hatte der damalige Dialekt-Dichter H. C. Artmann der misanthropischen Präpotenz des Bernhard, den "der HaCe" nie leiden konnte, Paroli geboten. Und seine NS-Traumatisierung durch zwischengeschlechtliche Fröhlichkeit zu bewältigen gesucht. Nicht nur die schöne Bauernmagd Maresl, die später allen drei Turrini-Buben eine sexuelle Grundschulung erteilen sollte, hat Artmann in Maria Saal in den Liebeswahnsinn getrieben. Der Tonhof war das Leben jenseits aller kleinbürgerlicher Vorstellungskraft. Hier soffen, debattierten, stritten und übten sich in der permanenten Grenzüberschreitung Literaten wie Konrad Bayer, Gerhard Rühm, Peter Handke, Gert Jonke und Wolfi Bauer; hier zertrümmerten Komponisten wie Friedrich Cerha, Iván Eröd und Otto Zykan Harmonien. Viele der "Tonhof-Kinder" sind heute lexikawürdig, damals schrie man ihnen zu: "Geht's doch alle nach Moskau!" Manche verliefen sich im Nirgendwo der Normalität, wie die einst so hoffnungsvolle slowenische Dichterin Erni Wobek, die als Tankstellenpächterin in Knittelfeld endete. In diesem Haus hat Turrini nahezu drei Jahre seines Lebens verbracht - er war gerade einmal 14 Jahre alt gewesen, als der Komponist Gerhard Lampersberg ihn hier herauf geholt hatte.

Es war wie eine Erlösung aus einer räumlich wie geistig beschränkten, katholisch vergifteten Welt, in der sich der Nachbar mit einem Schlachtschussapparat aus dem Leben geräumt hatte, man nur eine Existenzberechtigung besaß, wenn man fleißig war, sich der italienische Vater Ernesto - einst ein wilder Hund, der in Lackschuhen "über die Herzen der Frauen Veronas gestiegen ist" - in den Mauern der Sprachlosigkeit und seiner Werkstatt verbarrikadierte und die Mutter Sätze sagte wie: "Hör auf zu träumen, Bua, das können wir uns nicht leisten."

Überall auf der Welt fühle ich mich sicher, nur wenn ich in diesen Ort hineinfahre, kommt sie wieder, diese Unsicherheit.

Im Tonhof hingegen konnte man sich alles leisten - vor allem die Todsünde aller armseligen Kleinbürger-Spießer, "dem Herrgott den Tag zu stehlen": "Hier entthronte man den Herrgott und stahl ihm alles, was nur möglich war." Hier durfte nicht, sondern musste gelesen werden; Klaviere waren im ganzen Haus verstreut, und manchmal sang Maja auch zu den Kompositionen des "Beppos", wie einige Lampersberg nannten. Die Kinder aus dem Dorf, mit denen er manchmal wie ein Rattenfänger durch die Gegend zog, liebten ihn als "Onkel Gerard". Den legendären himmelblauen Sarg, mit dem die Ministranten ihn durch die Gegend zu schleppen hatten, hatte Lampersberg bei Turrinis Vater in Auftrag gegeben. Später musste er zu einer Tragbahre umfunktioniert werden, erzählt Peter Turrinis Bruder Walter, der die Kunsttischlerei des Vaters übernommen und der Mutter auch große Sorgen bereitet hatte, weil er "gerne Penise und Vaginas schnitzte". Gegen Ende der Party in den 1960er-Jahren, als viele den Tonhof verlassen hatten, "um sich auf eigene Füß' zu stellen", verfiel Lampersberg immer mehr dem Alkohol. Manchmal blieb er auf der Straße einfach liegen. Manchmal holte er vor dem Gefängnis ein paar fesche Strafentlassene ab, die er hinaufschleppte und ihnen die Kleider seiner Frau anzog. Maja, eine Weltmeisterin der Contenance, war auch dadurch nicht zu schockieren gewesen und kommentierte deren Anblick mit einem lakonischen: "Willst du mir die Herrschaften nicht vorstellen?" Im Dorf lernte man die Eskapaden hassend zu dulden, denn die Lampersbergs besaßen ganze Landstriche und waren für viele die Pachtherren. Auch Turrini war nach seiner doch noch absolvierten Matura auf Bodenhaftung aus. Er arbeitete am Hochofen in der Voest und schrieb als eine Art Cyrano im Asbestanzug für seine Arbeitskollegen Liebesbriefe.

Endgültig zerbrochen war Lampersberg an dem "schäbigsten Buch, das ich je gelesen habe, und das gleichzeitig ein Meisterwerk ist", so Turrini in einer Mischung aus Ekel und Respekt: In "Holzfällen" rechnete Bernhard 1984 gnadenlos mit seinen früheren Gönnern ab; mit den Figuren des Ehepaars Auersperg, "diesen gemeinen und lächerlichen Menschen", rächte sich das einstige Tonhof-Ziehkind so geschliffen wie grausam an den Abhängigkeiten, denen er sich früher über Jahre ausgesetzt hatte.

In den 1990er-Jahren, als in der Ära Claus Peymann Bernhard und Turrini zu Hausdramatikern am Burgtheater avanciert waren, hatte Turrini ihn gefragt: "Thomas, warum hast du dem Lampersberg das angetan?" Die Antwort kam schnell: "Ich musste ihn bestrafen, denn er hat mich in die Falle der Liebe gelockt."

Ich fragte ihn: „Thomas, warum hast du das dem Lampersberg angetan?“ Die Antwort kam schnell: „Er hat mich in die Falle der Liebe gelockt.

Wir verlassen den Tonhof und gehen in den Dom. Turrini zögert kurz, greift aber dann doch ins Weihwasserbecken und bekreuzigt sich. "Na ja", sagt er fast schuldbewusst, "grüßen muss man ja wenigstens. Auch wenn's ihn nicht gibt."

Und um auf eine frühere Frage zurückzukommen: Er hat die Lampersbergs sehr wohl oft in diesem Pflegeheim besucht. Es war schauerlich. Maja hatte einen Schlaganfall lange überlebt und Gerhard saß nur mehr stumm da und schaute sich ständig diese Fernsehserie "Reich und schön" an. Man konnte nicht mehr mit ihm reden. Ein Leben, das mit so viel Grandezza, so glorios und laut begonnen hatte, versickerte einfach nur im Schweigen.

Auf der Zugfahrt nach Hause liest man in dem Gedichtband "Im Namen der Liebe", dass Peter Turrini in genau jenem Dom sein erstes Mädchen "ausgegriffen" hat.

Fotos: Philipp Horak

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort