Sexistische NFTs - Ist die Krypto-Community ein Boys Club?

Ist die Krypto-Welt vor allem ein Spielfeld für Nerds? Bloß ein sexistischer Boys Club? Erlebnisse aus der Bubble.

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Um zu erfahren, wie die NFT-Welt funktioniert, starte ich einen Selbstversuch: Mittels Microsoft-Paint fertige ich ein paar bunte Figuren an und stelle die digitalen Zeichnungen auf OpenSea.io, die derzeit größte Plattform für NFTs. Ernüchterndes Ergebnis, zwei Monate später: Drei Menschen haben sich meine Arbeiten angesehen.

Ich beschließe enttäuscht, nicht aufzugeben und an einem Wettbewerb teilzunehmen: Die Modelabels Prada und Adidas lancieren gemeinsam ein NFT-Projekt. Ich gehe mit einem nicht sonderlich originellen Foto ins Rennen - und werde tatsächlich ausgewählt. Der Medienkünstler Zach Lieberman kreiert aus 3000 per Los ausgewählten Einreichungen ein Kunstwerk, das anschließend versteigert wird. Plötzlich ist meine Arbeit auf der Startseite von OpenSea.io. Ich bekomme für mein Schnipsel tatsächlich ein Angebot über 724 US-Dollar, das ohne die beteiligten Fashionlabels wohl keinen Cent wert wäre.

Die kanadische Musikerin Grimes hat im März 2021 einen lukrativeren NFT-Deal an Land gezogen. Sie nahm rund sechs Millionen US-Dollar ein, nachdem sie zehn kurze Animationen von nackt im All schwebenden, schwer bewaffneten Engel-Babys zur Versteigerung gebracht hatte. Eine gute Wertanlage für all jene, die damals zugeschlagen haben? Nein. Der Wert von Grimes "WarNymph"-NFTs ist mittlerweile um 84 Prozent gesunken. Dabei lag die Künstlerin mit ihren retro-futuristischen Sujets durchaus im Trend: Viele NFTs spielen mit einer nostalgischen Ästhetik, die von alten Computerspielen, SciFi-Filmen und Comics geprägt ist.

Krypto-Elite

Nur: Wer kauft so etwas für Millionenbeträge? Eine mit Bitcoins & Co reich gewordene und überwiegend männliche Krypto-Elite. In den USA investieren doppelt so viele Männer in Krypto-Währungen wie Frauen. Eine gerade erschienene Studie des oberösterreichischen Krypto-Steuer-Start-ups Blockpit befragte 1200 Blockchain-User hierzulande; fast 94 Prozent davon sind Männer, gebildet und unter 40.

Grimes ist also eine der Ausnahmen im NFT-Business. Künstlerinnen machten 2021 weniger als 16 Prozent des NFT-Marktes aus. Leider macht sich der maskuline Blick auch in der Ästhetik bemerkbar, wie das teuerste NFT der Welt eindringlich beweist. Für schwindelerregende 69,346 Millionen US-Dollar wurde im Februar 2021 die Collage "Everydays: The First 5000 Days" des US-Digitalkünstlers Beeple alias Mike Winkelmann, 40, bei Christie's versteigert - erworben von zwei Krypto-Fondsmanagern. Die Kunstpreis-Datenbank ArtNet hat sich die Mühe gemacht, durch jedes der 5000 Einzelbilder zu klicken, aus denen das Werk gemacht wurde: Neben Techno-Fantasien und Politsatiren, die u. a. Donald Trump als Riesenbaby zeigen, finden sich auch geschmacklose misogyne und rassistische Bilder.

2007, im anlaufenden US-Wahlkampf, zeichnete Beeple eine nackte Hillary Clinton mit Penis. Das Bild einer weiteren, diesmal anonymen nackten Frau trägt den Titel "pussy". 2007 gab Beeple zu Protokoll, es mache "Spaß, schwarze Menschen zu zeichnen". Ein weiteres Sujet heißt "a fat nerdy chinese kid and his imaginary friends". Witzig? Nur wenn man dem Klischee eines verklemmten Computer-Nerds entspricht. Keine ernst zu nehmende Galerie würde diese Bilder einzeln verkaufen. Ein unverschämt reicher Boys Club scheint sich über den Weg der NFTs gerade selbst zu feiern. Nicht ganz zufällig erinnert diese "Bro"-Kultur an die Dotcom-Blase der 1990er-Jahre.

Karin   Cerny

Karin Cerny