Shortynale: Den Roten Teppich zu den Leuten bringen
Interview: Susanne Veil
profil online: Österreich hat ein halbes Dutzend Kurzfilmfestivals. Habt ihr euch beim Start im Jahr 2009 nicht gefragt: Braucht es überhaupt ein weiteres Festival?
Christoph Rainer: Das ist eine sehr berechtigte Frage. Seit den 2000er-Jahren schießen überall Kurzfilmfestivals aus dem Boden. Ich habe selbst gespürt, dass das durchaus ein gewisses Unbehagen auslöst, weil sich dadurch eine enorme Konkurrenzsituation ergibt und man das Gefühl bekommt, alles sei austauschbar geworden. Allerdings bin ich der Meinung, dass es etwas Wunderschönes ist, wenn in jeder kleinen Region zum Beispiel auf dem Rathausplatz Leute zusammenkommen, die normalerweise nicht in den Kontakt mit dem Kino kommen. Von solchen Anlässen kann es letzten Endes gar nicht genug geben. Und besonders ein Filmfestspiel mit seinen Regisseuren und dem Roten Teppich hat etwas Feierliches. So ist es wunderschön zu sehen, wenn das Kino an Orte kommt, wo es normalerweise nicht wäre.
Zusätzlich zu dieser Regionalität glaube ich, dass es ein sehr starkes österreichisches Kurzfilmschaffen gibt, das stark im Experimentellen liegt. Besonders Wien hat eine große Experimentalfilmtradition, der narrative Kurzfilm leidet da allerdings ein bisschen. Deswegen wollten wir, neben anderen eher avantgardistischen Festivals, den narrativeren Film fördern.
profil online: Ist es schwierig als junger Filmemacher in Österreich Fuß zu fassen? Gibt es Strukturen, die das Lernen und Arbeiten einfacher machen?
Rainer: Es ist ein großer Vorteil, dass es in Österreich sehr viel klarere Strukturen gibt als zum Beispiel in den USA. Das erleichtert den Einstieg. Wir haben ein starkes Fördersystem, das natürlich ausbaufähig ist, gerade weil sich der österreichische Film in den letzten zehn Jahren international einen grandiosen Ruf erarbeitet hat. Im Vergleich zu einem Land wie Deutschland, das zehn mal mehr Einwohner hat und eine Menge Geld in den Film steckt, hat Österreich einen unglaublichen Output und eine Präsenz im internationalen Film, die unvergleichbar ist. Die Förderstruktur bietet jungen Filmschaffenden auf jeden Fall klare Anlaufstellen, bei denen man einen Film oder ein Drehbuch einmal herzeigen und besprechen kann, um so ins Gespräch zu kommen.
profil online: Vom Kurzfilm zum Langfilm: ein mühsamer oder ein logischer Schritt?
Rainer: Es ist ein großes Grundproblem des Kurzfilms, dass er oft als Sprungbrett verstanden wird, als Probephase für den Langfilm. Das ist extrem schade, da gerade der Kurzfilm in seinem Format wunderschöne filmische Welten erschaffen kann. Generell ist es eine ganz eigene Disziplin, die andere Dinge einfordert. Der Langfilm hat einen viel stärkeres Bedürfnis nach Dramaturgie, einem Bogen, nach Charakterentwicklung. Die Dinge, die man in einem Kurzfilm oft beiseite lassen kann, weil es um andere Elemente geht, wie zum Beispiel den Fokus auf einen kurzen Moment. Das ist eine große Belastung für viele Filmschaffende, mich nicht ausgenommen, die versuchen nach vielen Kurzfilmen einen Langfilm zu entwickeln und vor ganz anderen Anforderungen an die Geschichte stehen.
Spike Jonze ist ein tolles Beispiel, der, wenn eine Geschichte ein kürzeres Format braucht, sich auch mit vollem Fokus darauf stürzt. Das finde ich schön, wenn nicht immer dieser Verwertungsgedanke dahinter steht, der besagt: Schön, aber das kann ich vielleicht nicht verkaufen.
profil online: Wie würdest du die Shortynale in drei Stichworten beschreiben?
Rainer: Familiär feierlich leidenschaftlich.
profil online: Dein Tipp fürs Festival?
Rainer: Den internationalen Block am Samstag um 18:30 Uhr. Und daraus ganz besonders The Last Farm von Rúnar Rúnarsson muss man gesehen haben.
Website: Shortynale.
Zur Person
Christoph Rainer (29) ist Regisseur und Mitbegründer der Shortynale. Derzeit studiert er Film an der Columbia University in New York.