Sibylle Hamann
Gastbeitrag

Sibylle Hamann: Die Freiwilligkeit macht den Zauber der Sommerschule aus

Christoph Wiederkehr forderte hier in der Vorwoche: Sommerschulen sollen verpflichtend werden. Die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann kontert mit einer Gegen-Streitschrift.

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Gastbeitrag von Sibylle Hamann im profil-Format „streiten wir“
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Zunächst: Ich freue mich sehr, dass der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr die Sommerschule, die heuer zum dritten Mal stattfindet, so sehr schätzt. Auch ich bin aus vollem Herzen überzeugt: Schon sehr bald werden wir uns gar nicht mehr vorstellen können, dass früher alle Schulen in den beiden letzten Ferienwochen geschlossen waren! 

Die Sommerschule ist gekommen, um zu bleiben. Als eine Art „Soft Opening“ fürs neue Schuljahr. Wo Kinder sich wieder an den Schulrhythmus gewöhnen, spielerisch Kenntnisse auffrischen, in die Sprache hineinfinden können. Wo Pädagog:innen Kinder in ungewohnten Gruppenkonstellationen kennenlernen und Neues ausprobieren können. Wo Studierende Praxiserfahrung sammeln und sich eigenverantwortlich beim Unterrichten erleben. Vor einem Schulwechsel hilft die Sommerschule, Schwellenangst zu überwinden und Kontakte zu knüpfen. Älteren Kindern und Jugendlichen bietet sie die Gelegenheit, sich gezielt auf eine Nach- oder Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Oder auch: auf einen Wettbewerb.

All das kostenlos, freiwillig und niederschwellig – für alle, die sich anmelden und die kommen wollen. Ohne Leistungsdruck, ohne Noten. 

Womit ich beim Punkt bin, an dem ich Wiederkehr widersprechen möchte. Ich halte die Freiwilligkeit der Sommerschule für wichtig, um ihren ganz speziellen Charakter zu bewahren. Ich teile Wiederkehrs Diagnose, dass manche Kinder zusätzliche Förderung dringender brauchen als andere. Diesen Kindern kann und soll ein:e Klassenlehrer:in den Besuch der Sommerschule nachdrücklich ans Herz legen, etwa im Rahmen eines Eltern- oder Zeugnisgesprächs. Für Kinder mit Deutschförderbedarf besteht bereits – als Anreiz zur Teilnahme – die Möglichkeit, nach der Sommerschule einen zusätzlichen Mika-D-Test zu machen, um gleich anschließend in die Regelklasse zu wechseln. 

Theoretisch gäbe es sogar schon die von Wiederkehr gewünschte gesetzliche Basis, um Kinder zur Teilnahme zu verpflichten: Rechtlich fällt die Sommerschule unter „Förderstunden“, und diese können von Lehrkräften bei Bedarf auch angeordnet werden. Von Bundesseite werden wir dies jedoch nicht forcieren. 

Eine Verpflichtung für alle Schüler:innen mit negativen Noten würde nämlich Konflikte in die Sommerschule hineintragen, die ihren Zauber zerstören: Was tun mit Jugendlichen, die dort widerwillig ihre Zeit absitzen? Was tun mit Kindern, die nur sporadisch auftauchen? Mit Kindern, die als „krank“ gemeldet werden? Und mit Eltern, die den Rechtsweg bestreiten, weil sie nicht auf den Familienurlaub verzichten wollen? Soll man dann Ausnahmegründe festlegen, Atteste verlangen, Prüfungen ansetzen, die Schulstufe wiederholen lassen? Oder etwa Geldstrafen wegen Verletzung der Schulpflicht verhängen? 

Nein, das wären alles keine schönen Perspektiven. Das Spannende an der Sommerschule ist, dass sie eben keine „normale Schule“ ist. Sondern spielerischer, lockerer, ohne fixes Lernziel und ohne Leistungsüberprüfung. Ein Ort, wo sowohl Erwachsene als auch Kinder nur deswegen teilnehmen, weil sie das wirklich WOLLEN.

Ich finde es großartig, dass es immer mehr werden.

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