Skero: „Es ist nicht jedermanns Sache, Superstar zu sein. Meine ist es nicht“
profil: Lassen Sie uns über den 25. April 1996 reden. Skero: Okay, gut, geht schon. profil: An dem Tag fand spätabens im Wiener Funkhaus ein heute legendäres Gipfeltreffen statt: Falco zu Gast in der FM4-HipHop-Sendung „Tribe Vibes“. Moderiert von der „Musicbox“-Legende Werner Geier, assistiert von damals blutjungen österreichischen HipHoppern wie Schönheitsfehler oder Urbs und Cutex. Weiters: Skero am Telefon. Skero: Falco hat uns bei der Gelegenheit gleich einmal angeboten, ihn in der Dominikanischen Republik zu besuchen. Keine Ahnung, wie ernst das wirklich gemeint war, aber meine Bandkollegen haben ohnehin gemeint: Mit dem arroganten Trottel wollen wir nichts zu tun haben. Das ewige Falco-Problem: in der Welt groß, in Österreich eher ambivalent.
profil: Sie fanden ihn aber lässig, oder? Skero: Ich hab ihn immer schon interessant gefunden. Diese Kunstfigur aus Humphrey Bogart, Oskar Werner und was weiß ich für Ingredienzien erschien mir einfach bemerkenswert. profil: Falcos Audienz im Jugendradio war angeblich auch Ihre Idee. Skero: Werner Geier war ein guter Freund von mir, und ich hab ihm halt gesagt, dass es eine interessante Sendung werden könnte, wenn er den Falco einlädt. Weil der für deutschsprachigen HipHop, der damals gerade aufkam, doch maßgeblich war. An dem Abend waren auch alle begeistert, weil Falco nicht seine Superstarrolle gespielt hat, sondern er selber war. profil: Und dabei erstaunlich belesen über H. C. Artmann, die Wiener Gruppe oder Ernst Jandl referierte. Skero: Da hat er sich eben wirklich ausgekannt. Nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Kunstszene seiner Zeit.
profil: Leider fällt einem kein aktueller Hitparadenstürmer ein, mit dem man ähnlich tiefsinnig über Lyrik sprechen könnte. Ist Pop heute weniger intellektuell als vor 20 Jahren? Skero: Ich weiß nicht. Vielleicht kennt sich eine Lady Gaga ja auch mit zeitgenössischer Kunst aus. Falco hat sich halt sehr für Literatur interessiert und auch in der Schule für Dichtung Vorlesungen gehalten. Die Texte waren ihm eben wirklich wichtig. Gleichzeitig war er ein Popstar durch und durch. Wenn ihm die Brigitte Nielsen getaugt hat, hat er halt eine Nummer mit ihr gemacht und darauf spekuliert, bei der Gelegenheit mit ihr ins Bett zu kommen. Aber vielleicht ist ihm das ja auch vom Label nahegelegt worden.
profil: Zu Falcos Lebzeiten waren Hitparade und Subkultur noch streng getrennt. Heute ist die Grenzüberschreitung üblich: Skero macht einen Millionenhit wie „Kabinenparty“ – aber auch Dinge, die nur sehr wenige Leute mitbekommen. Skero: Das Leben ist halt zu kurz, um als Künstler auf einem Ding hängen zu bleiben. profil: Haben Sie deshalb auch ein Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien absolviert? Skero: Wir hatten auf der HTL einen sehr schlechten Kunstgeschichteprofessor. Daraus hatten sich einige Wissenslücken ergeben, die ich stopfen wollte. Das Studium war dann eh interessant, es hielt sich aber auch in Grenzen. profil: Immerhin sind Sie jetzt akademischer Graffiti-Maler. Skero: Mit Graffiti hast du auf der Uni nicht viel Socken. Dagegen sind sie dort ein bisschen allergisch. Das ist nicht die High-End-Kunst. Aber mein Professor, Daniel Richter, ist ein Supertyp. Insofern bin ich froh, dass ich es gemacht habe. Ich war aber auch froh, als ich damit fertig war. profil: Daniel Richter ist ja, Falco nicht unähnlich, ein Art institutionalisierter Anarchist. Skero: Aber in der deutschen Variante, also eher der Udo Lindenberg der Malerei. Er kommt ja aus der Hamburger Hausbesetzerszene und kann deshalb sehr gut mit Studenten umgehen, von denen nicht ganz klar ist, ob sie nun genial sind oder einfach nur auf Droge.
profil: Einer Ihrer Klassenkollegen, Christian Rosa, ist inzwischen ziemlich big in L. A. – inklusive Ferrari und Villa mit Pool. Skero: Christian Rosa war auch einer dieser Fälle, ein totaler Partyhengst. Es ist in der Kunstszene nicht schlecht fürs Geschäft, wenn du gern unterwegs bist und dann auch noch die richtigen Leute triffst. Ich hoffe, er legt sich ein bisschen was auf die Seite. Obwohl ich da meine Zweifel habe. Stefanie Sargnagel war übrigens auch mit mir in der Klasse. Aber ich bin kein großer Netzwerker. Ich hatte keine Lust, mich ewige Nachmittage lang mit vielen Dopplern Wein auf der Uni zu verschanzen. profil: Stattdessen malten Sie Graffiti an Hotelwände in St. Anton. Warum, um Himmels willen? Skero: Das waren Auftragsarbeiten. Ein Hotelbesitzer in St. Anton hatte uns mit Texta für ein Konzert in seiner Tiefgarage gebucht, und daraus hat sich eine Freundschaft ergeben. Und schließlich habe ich dort alles Mögliche bemalt, was er halt bemalt haben wollte.
profil: Ist dort auch das Video zu Ihrem designierten Winterhit „Pistenkanone“ entstanden? Skero: Nein, das haben wir in Tirol gedreht. profil: Steckt dahinter eine frühkindliche Prägung durch Willy-Bogner-Filme à la „Feuer und Eis“? Skero: Der hat mir tatsächlich sehr getaugt. Eine weitere wichtige Inspiration waren die sogenannten „Pistenteufel“, die im „Sport am Montag“ immer gezeigt haben, was man auf der Piste alles nicht machen darf. profil: Zum Beispiel vom Hüttendach auf die Hüttenterrasse hinunterspringen? Skero: Das war auf jeden Fall ein Klassiker. Auf YouTube findet man das leider nicht, aber mein Tiroler Kameramann hatte es noch präsent. Dort werden die „Pistenteufel“ offenbar noch in der Schule vorgeführt. Wahrscheinlich auf VHS-Kassette. profil: Falco hatte ja auch seine Wintersaison-Erfahrungen, per Tanzmusikband in Saalbach zum Beispiel. Skero: Das war diese Cover-Band, mit der er viel unterwegs war. Er war ja wirklich kein unbeschriebenes Blatt, musikalisch. Bei der Hallucination Company haben noch alle gedacht, der Hansi Lang wird der große Durchstarter. Aber der hat sich dann eher mehr für die Drogen interessiert. Da sieht man wieder: Es geht nicht nur ums Talent, sondern auch darum, wer den Willen dazu hat. Es ist nicht jedermanns Sache, Superstar zu sein. Meine ist es nicht.
profil: War die „Kabinenparty“-Erfahrung denn so abschreckend? Skero: Es war interessant, zu sehen, welche Möglichkeiten sich da auftun. Nämlich erschreckend wenig. Kein einziges Label hat sich gemeldet. Im Nachhinein sind immerhin zwei Werbeverträge daraus entstanden. Die musste ich entsprechend gut verhandeln. Mir war es aber auch ganz recht, als der Spuk nach ungefähr drei Jahren wieder vorbei war. profil: Keine betrunkenen Teenager mehr, die Ihnen „Ka-biie-nennn-parttti“ zugröhlen? Skero: Kaum. Es gibt aber tatsächlich eine Generation, die mit der Nummer aufgewachsen ist. Da sind die besten Zeiten mit der „Kabinenparty“ verbunden. Ich merke das zum Beispiel in den Kommentarspalten auf YouTube. profil: Was die Beastie Boys für die Kids der späten 1980er-Jahre waren, war Skero für die Partyjugend 2010. Skero: Das haben Sie gesagt. Aber danke für den Vergleich.
profil: Sie sind vor drei Jahren bei Texta ausgestiegen. Haben Sie noch Verbindung nach Oberösterreich? Skero: Die Kontakte haben sich natürlich reduziert. Aber mein Vater lebt in Linz, insofern bin ich immer wieder dort. profil: Können Sie aus eigener Anschauung erklären, wie das vormals grün mitregierte Oberösterreich bei einer schwarzblauen Landesregierung landen konnte? Skero: Nun, es handelt sich ja um einen europaweiten Trend. Warum ausgerechnet Oberösterreich vorangeprescht ist, kann ich nicht sagen. Ziemlich sicher hatte es aber nichts damit zu tun, dass ich nicht mehr so oft in Linz bin.
profil: Verstehen Sie die Nöte des kleinen Mannes? Skero: Es bleibt mir ein Rätsel, warum der Rassismus oft dort am größten ist, wo die wenigsten Migranten leben. Aber ich verstehe schon, dass es den Leuten vorkommt wie reinste Anarchie, wenn sie im Fernsehen sehen, wie Tausende Menschen unkontrolliert über die Grenze laufen. Dass ein Staat Zuzug braucht, um in Zukunft noch Pensionen auszahlen zu können, ist eine andere Geschichte. profil: Just in der Situation haben Sie Ihren großen Optimismus-Hit „Gfrei di“ veröffentlicht. Skero: Man muss sich immer vor Augen halten, dass wir auf der Butterseite leben. Aber dass wir nicht zufällig dort leben, sondern dass das eine Vorgeschichte hat und andere Länder für unseren Luxus leiden.
profil: Apropos Luxus: Wie wird man Sakkoinnenfutter-Designer? Skero: Ein Freund von mir hatte die Idee dazu, und ich fand es witzig. Außerdem habe ich noch eine Fliesenkollektion, die können Sie sich bei mir im Klo ansehen. Es wäre aber wieder ein eigener Job, das zu bewerben und zu vertreiben. Dafür fehlt mir die Zeit. Aber wenn ich endlich ein praktikables Verfahren für eine Goldlackierung entdecke, dann mische ich den Markt in Dubai auf. Leider gibt es noch Probleme mit der Trittfestigkeit.
Skero, Falco und die Zuckerbrause
Skero wurde unter anderem Namen im Jahr 1972 geboren und ist seit den späten 1980er-Jahren als Graffiti-Künstler und Rapper tätig. Von 1994 bis 2013 war er Mitglied der wegweisenden oberösterreichischen HipHop-Band Texta, 2010 avancierte das – aus Skeros Solo-Debüt „Memoiren eines Riesen“ ausgekoppelte – Stück „Kabinenparty“ zum Sommerhit und generierte deutlich über acht Millionen YouTube-Betrachtungen sowie eine Platin-Schallplatte. Im Jahr 2012 schloss Skero ein Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien ab, musikalisch ist der dreifache Amadeus-Preisträger auch mit der Neo-Wienerlied-Formation „Müßig Gang“ sowie der jährlich zum Falco-Geburtstag tagenden Tribute-Band „Goldfisch“ tätig, außermusikalisch unter anderem als Kinderbuchillustrator und Fliesendesigner.
Die Red Bull Music Academy nimmt Hans Hölzels 60. Geburtstag am 19. Februar zum Anlass für eine Falco-Festwoche in Wien, an der unter anderem die internationalen Techno-Größen Carl Craig, Matias Aguayo und Modeselektor teilnehmen werden, der US-HipHop-Star Just Blaze sowie die lokalen Helden Peter Kruder, Minisex und Yung Hurn. Näheres unter redbull.com/rbma